Hallo erst einmal
Ich mache dieses Jahr mein Abitur und habe dort unter anderem das Thema „Bismarcks Außenpolitik“, sprich das Bündnissystem. Dieses soll ich auf jeden Fall auch beurteilen und habe mich gefragt, welche Stärken und Schwächen das Ganze eigentlich hatte?
Kann mir da vielleicht jemand weiterhelfen?
Vielen Dank!
Na, dann erzähl doch mal, was DU dir schon da drüber für Gedanken gemacht hast.
Dann brauchen wir nicht bei Pontius und Pilatus anzufangen
LG
Mike
Tja, also gut: als Stärke würde ich bezeichnen, dass Bismarck sich darauf verstand, die jeweiligen Bündnisse immer zum Vorteil aller beteiligten Staaten abzuwickeln und gleichzeitig die Ziele des Reiches (Isolation Frankreichs,keine Bündnisse gegen Deutschland) über viele Jahre hinweg zu verfolgen/ zu wahren.
Eine Schwäche ist ganz klar die Labilität des Systems, da so viele Konflikte in Europa herrschten (auf dem Balkan, Österreich - Russland, Italien- Österreich, England -Russland…), dass es ein Wunder ist, dass es überhaupt so lange bestehen konnte.
Als Schwäche würde ich auch den Rückversicherungsvertrag bezeichnen, da Deutschland sich bei Aufdecken der Geheimklausel in einer recht misslichen Lage befunden hätte…
Und nicht zu vergessen ist natürlich die Abhängigkeit des Systems von der Person Bismarcks und auch von Wilhelm I., der seinen Reichskanzler im Grunde uneingeschränkt gewähren ließ. Als Wilhelm II. an die Macht kam und Bismarck ging, ist das Ganze ja auch schön in sich zusammengebrochen…
Das sind die Dinge, die mir dazu einfallen (obwohl ich nicht einmal weiß, ob das alles stimmt^^).
Vielleicht kannst du mir ja noch ein bisschen weiter helfen?
Danke
Hallo Koch20,
ich finde, das hört sich gut und fundiert an, was du da schreibst!
Es war klug von Bismark, nach den gewonnen Kriegen gegen Österreich, Dänemark und Frankreich stets zu betonen, dass Deutschland mit dem Status quo zufrieden sei und nicht mehr wolle. Auch das Bemühen um gute Bezieheungen zu Rußland und zum etwa 200jährigen „Feind“ Österreich war ausgesprochen klug. Wie viel an Bismarks erfolgreicher Außenpolitik vorausahnend klug war, und wie viel auch einfach Glück, weiß ich allerdings nicht genau.
So weit, auch zu Frankreich und England aus feindlichen partnerschaftliche Beziehungen zu machen war man damals eben wohl noch nicht. Und das Bemühen Bismarks, Frankreich zu isolieren, war eben ein diplomatisches Kunststück, das lange gelang, aber - wie du richtig schreibst - auf sehr labilen Füßen stand. Um den einen zufrieden zu stellen, mussten ihm Angebote gemacht werden, die den anderen verstimmen mussten: Ich weiß nicht, ob im damaligen Europa eine bessere Politik möglich gewesen wäre!
Ich weiß nicht, ob du die Unterschiede zu 1925 bzw 1949 herausarbeiten sollst, Stresemanns zeitweise erfolgreiche französische Friedenspolitik und Andenauers festes Anbinden Deutschlands an den „Westen“. Aber Adenauer hatte es viel leichter als Bismark, der zwar über ein wirtschaftlich und militärisch sehr starkes Deutsches Reich (eher mehr als weniger) herrschte, dieses aber in einer viel unklareren Situation positionieren musste als im dualen kalten Krieg.
Dass Bismark noch nicht so imperialistisch dachte wie seine sehr unfähigen direkten Nachfolger lag sicher daran, dass er eben preußisch dachte. Und Preußen hatte mit der „Eroberung“ fast des ganzen deutschen Reiches mit Ausnahme des alten Habsburgs so viel erreicht, dass es zufrieden sein konnte!
Ich wünsche dir viel Erfolg beim Abitur!
Karl
Vielen Dank für deine Antwort und deine Einschätzung des Systems!
Ich glaube, das hat mir doch noch ein Stückchen weiter geholfen
Und danke für die guten Wünsche
Liebe Grüße,
Koch20
Dass Bismark noch nicht so imperialistisch dachte wie seine
sehr unfähigen direkten Nachfolger lag sicher daran, dass er
eben preußisch dachte.
Ich denke, dass Bismarck ein Imperialist reinsten Wassers war. Sein politisches Genie lag aber genau daran, zu wissen, wann der richtige Zeitpunkt für den nächsten Schritt war.
Seine Regenten und Nachfolger zeichneten sich dadurch aus, dass sie mangelnde Intelligenz durch großspuriges Auftreten kompensierten.
Oder eben nicht wussten, wie und wann man eine erlangte Position sichern kann. Der Wunsch nach noch mehr hat dann jeweils in die Katastrophe geführt.
Wobei sich ob des Endergebnisses hundert Jahre später meine negative Sicht in Grenzen hält.
Ciao, Allesquatsch