Bitte um Kommentar zu einem Urteil

Hallo,
ich fand dieses Urteil:

http://openjur.de/u/83351.html

Bitte erläutert mir mal Folgendes:

  1. „9 Die Betroffene brauchte das Schild auch nicht zu beachten, wenn sie es denn gesehen hätte. Hier liegt einer der sehr seltenen Fälle vor, dass das Verkehrsschild infolge eines nichtigen Verwaltungsaktes aufgestellt wurde“

Wenn also ein Verkehrszeichen fälschlich aufgestellt wurde, muss ich es nicht beachten? Jetzt im Ernst?

  1. „Obwohl an der Alten Sülldorfer Landstraße das Verkehrszeichen 306 - Vorfahrtstraße - steht, wird dieses an den Einmündungen der Straßen Ortwinstieg und Iroldstieg nicht wiederholt, sodass diese Straßen gegenüber dem von der Sülldorfer Landstraße zur Rissener Landstraße führenden Verkehr Vorfahrt hätten“

Muss das Schild „Vorfahrtstraße“ an jeder Kreuzung wiederholt werden?
In der Verwaltungsvorschrift zur StVO ist nur für die haltepflichtigen Straßen das Zeichen 205 / 206 ausdrücklich für JEDE Kreuzung Pflicht.

  1. „In diesen Gebieten herrscht rechts vor links, die dort herausfahrenden Autofahrer haben also Vorfahrt vor dem für sie von links kommenden Verkehr im Sülldorfer Brooksweg“

Nun, Streetview zeigt, dass es sich um einen „verkehrsberuhigten Bereich“ handelt, mit dem Zeichen 325 markiert. Die Aussage „Spielstraße“ finde ich schon ziemlich falsch.
Und nach §10 der StVO muss man doch beim Ausfahren aus einem verkehrsberuhigten Bereich sich so verhalten, „dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat er sich einweisen zu lassen.“ Dort gilt „Vorfahrt gewähren“ - bei Unklarheiten kann demnach auch das entsprechende Zeichen 205 aufgestellt werden.

  1. „Daran ändert es auch nichts, dass beide Straßen an der Einmündung zum Sülldorfer Brooksweg abgesenkte Kantsteine haben, es gibt keine Verkehrsvorschrift, aus der sich ergibt, dass bei abgesenkten Kantsteinen die normalen Vorfahrtsregelungen nicht mehr gelten“

Ähh, nein, wirklich nicht???
Ich verweise nochmal auf den §10 der StVO, der ausdrücklich von „über einen abgesenkten Bordstein“ spricht…

Mithin verstehe ich das Urteil so:
Verkehrszeichen, die von der Verwaltung fälschlich angeordnet wurden, dürfen folgenlos ignoriert werden.
Eine Vorfahrtstraße muss an jeder Kreuzung durch ein eigenes Schild nochmals angezeigt werden.
Bei der Ausfahrt aus verkehrsberuhigtem Bereich gilt kein „Vorfahrt gewähren“.
Abgesenkte Bordsteine ziehen keine Vorfahrtsregelung nach sich.

Bin ICH nun auf dem Holzweg oder war es der Richter???

Mein Kommentar dazu: Die jüngst vieldiskutierte Forderung nach Tempo 30 innerorts kann ich angesichts solcher Urteile nur unterstützen.

Mein Kommentar dazu: Die jüngst vieldiskutierte Forderung nach
Tempo 30 innerorts kann ich angesichts solcher Urteile nur
unterstützen.

Wenn man sich die Bilder dieser Straße anschaut, dann bekommt man schon den Eindruck, dass hier kein sachlicher Grund für Tempo 30 vorhanden war. Zumindest nicht mehr als in allen anderen Wohngebieten.

Ich vermute eher, dass diese Straße als Umgehung missbraucht wurde und man - ggf. auch nach Einflussnahme der Anlieger - so Abhilfe schaffen wollte.

Ganz unabhängig davon halte ich aber mehrere Ausführungen des Richters für ziemlich falsch. Peinlich falsch.