Blutwert eines Medikaments berechnen

Hallo,

jemand konsumiert ein Testosteroninjektat mit Depotbildung, daraus gelangen jeden Tag 10mg des Wirkstoffs relativ gleichmäßig in den Körper.

Der Wirkstoff hat eine Halbwertszeit von rund 3 Stunden. Nehmen wir an, dass der Mensch 7600ml Blut führt.

Ich möchte gerne aus Spaß selbst berechnen, was ein Bluttest ungefähr ergeben würde, der das Hormon ist ng/ml angibt.

Laut meiner Rechnung wären es:
10mg : (24/3) = 1,25 (Wirkstoff, der gleichzeitig frei ist)
1,25 * 1.000.000 (Umrechnung mg->ng)
1.250.000 : 7600 = 164,5 (Menge pro ml Blut)
—> 164,5ng/ml

Der Bluttest ergibt aber etwa näherungsweise einen Wert von 10ng/ml. Ich weiß natürlich, dass ganze viele Faktoren die Wirkstoffmenge limitieren, aber ist das wirklich so stark? Oder habe ich mich verrechnet?
Danke für die Antworten!

Hallo!

Die exakte Rechnung sieht wie folgt aus. Die Änderung der Menge pro Zeit wird verursacht durch eine Abnahme, die proportional zur aktuellen Menge ist, sowie einer konstanten Zunahme. Die Konstanten kann man bereits angeben.
Die mathematische Lösung steht in der dritten Zeile. Das A ist eine neue Konstante, die man bestimmen kann, wenn man z.B. die Menge zur Zeit t=0 vorgibt. Aber egal, es interessiert, was nach langer Zeit passiert, da ist der Term eh uninteressant. Ich komme auf eine konstante Menge von 1,8mg Wirkstoff, was bezogen auf das Blut eine Konzentration von 237ng/l ergibt.

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Bedenke aber auch, daß sich der Wirkstoff auch in den Zellen verteilt, nicht nur im Blut. Geht man von 76kg <-> 76 Litern aus, kommt man auf 23,7ng/ml, da kommt man der Sache schon näher…

Die Rechnung ist exakt, basiert aber auf zu wenig Informationen über die Verteilung des Wirkstoffs in den verschiedenen Gewebearten, der Auf- Wiederabgabegeschwindigkeit zum Blut, den Orten des Abbaus, des Verhältnisses der jeweiligen Abbaugeschwindigkeit zur Konzentration im jeweiligen Gewebe, die möglichen Sättigungseffekte, das Körpergewicht, die Art der Erkrankung, …

Wir kennen nur die vermutlich konstante Abgabe des Depots und die durchschnittliche Halbwertszeit beim durchschnittlichen Patienten nach einmaliger Wirkstoffgabe und das erhoffte Ergebnis der Berechnung.

Ihr seid echt toll und die Antworten spitze!!!

Sweber, Du hast Recht - mir war über Nacht selbst noch eingefallen, dass ich die 3 Stunden nicht wie eine HWZ behandelt habe, sondern für eine Wirkzeit mit abruptem Ende.
Mir ist aber nicht klar, was Du mit 76kg resp. 76 Litern meinst. Kannst damit ja nicht die gesamte Menge an Wasser im Körper meinen, dafür wäre es zu viel.
Ich habe ein OpenCalc-Dokument erstellt, mit dem man die Konzentration über einen längeren Zeitraum mit mehreren Einnahmen berechnen kann, das werde ich später hochladen.

Er hat eine absolut gleichmäßige Verteilung des Wirkstoffs im gesamten Körper angenommen, um den Rechenwert in die Nähe des Messwerts zu bringen.

Ich halte eine exakte Berechnung für unmöglich, da viele Angaben unbekannt sind. Die Berechnung auf Grundlage einer logarhythmischen Abnahme mit bekannter Halbwertseit und gleichzeitiger, kontiuierlicher Dosisfreisetzung mit bekannter Stundendosis kann daher stets ein nur ein Rechenmodell mit unbekannten, systematischen Fehlern sein.

Ja, das stimmt. Allerdings kann man das Rechenmodell gut korrigieren, indem man die konsumierte Menge nachhält und mit dem Labortest vergleicht.

In meinem Rechner, den ich unten angehängt habe, geht das über das Feld „Divisor Blutwert“. Es würde mich freuen, wenn Ihr ihn euch anseht und schaut, ob er prinzipiell korrekt ist. Die gelben Felder kann man anpassen, und natürlich die Dosierungen (Injizierte Menge).

Datei von filehorst.de laden

Wurde der Einfluss des SHBG bedacht? Es bindet beim Gesunden zusammen mit Albumin fast 98% des Testosterons.
Die restlichen 2%, das ist die Menge, die im Blut verfügbar ist und die bei der Messung bestimmt wird. Beim Mann, der zu wenig Testosteron produziert, könnte ein Großteil der Dosis zuerst diese „Speicher“ befüllen - eventuell bildet sich aber auch ein Gleichgewicht. SHBG-Spiegel sind ja auch veränderlich und werden vom Körper über verschiedene Systeme beeinflusst. Ein Großteil der Medikamentenabgabe verschwindet also in einem Bereich, dessen Verhalten (linear, nachgeregelt, mit oder ohne Sättigungseffekt,…) schlecht vorhersehbar ist (wir reden über Männer mit Testosteron-Mangel - also Männer, bei denen irgendetwas am Regelkreis nicht stimmt). Wie ist das eigentlich mit dem Abbau in der Leber? Erfolgt der nach der Methode „so lange etwas da ist, baue ich [Masse pro Zeiteinheit] konstant ab“, oder regelt die Leber, indem sie bei höherer Konzentration mehr abbaut? Wenn ja: Erfolgt der Mehrabbau proportional zur Konzentration, oder wird auch integrativ nachgeregelt (ein über längere Zeit höherer Spiegel führt zu einem stärkeren Abbau, „Lerneffekt“)?

Ich vermute, dass die genaue Testosteron-Dosis zur Erzielung eines gewünschten Spiegels am Ende ähnlich unberechenbar sein könnte, wie es die Marcumar-Dosierung ist.

Eine bereits in der Ausgangsfrage genannte Voraussetzung ist übrigens auch schon falsch. Übliche Testosteron-Ersatztherapien mit einer 250mg-Dosis sind Wirkstoffdepots eines Esthers in einem Öl. Von denen ist bekannt, dass in den ersten Tagen nach der Anwendung ein erhöhter, in den letzten Tagen vor der nächsten Behandlung ein erniedrigter Spiegel im Blut besteht. Es findet keine konstante Abgabe statt. Ob die Abgabe im mittleren Bereich eines zwei- bis dreiwöchigen Behandlungsintervall kontinuierlich erfolgt (und daher die gemessenen Spiegel recht konstant sind), oder ob die Abgabe kontinuierlich sinkt, aber von einem Regelkreis der Spiegel weigehend konstant gehalten wird (ein Regelkreis, für den vormals zu wenig Testosteron produziert worden war), konnte ich bislang nicht herausfinden. Eines ist aber klar: Die Dosisanpassung erfolgt stets unter Berücksichtigung klinischer und labordiagnistischer Untersuchungen, es wäre sicher schön, wenn es dazu nur einer (patienten-individuellen) Formel bedürfte, aber hätte man die nicht längst entwickelt und benutzt?

Ich forsche gar nicht. Gemeint war, dass ich zwar davon ausgehe, dass es auf meine Frage eine Antwort gibt, ich dieses Forschungsergebnis aber nicht gefunden habe.

Sehr erhellender Beitrag, dankeschön, X_Strom.

Ich möchte gerne eine Berechnung des freien Testosterons anhand des Testosteronswerts, des Albumins und des SHBGs in meine Tabelle einbauen. Dazu habe ich diese Formel (nach Vermeulen) gefunden:


(Quelle: Calculation of Bioavailable and Free Testosterone in Men: A Comparison of 5 Published Algorithms)

Standardwerte für die Konstanten Kt und Kat habe ich diesem Text entnommen:


(Quelle: A Critical Evaluation of Simple Methods for the Estimation of Free Testosterone in Serum by Alex Vermeulen, Lieve Verdonck and Jean M. Kaufman)

Daraus habe ich folgende Tabelle erstellt:
TestoVermeulen
Zuerst habe ich die Einheiten in mol/l umgerechnet. In Vermeulens Formel sind zwar keine Einheiten angegeben, aber davor steht „mol/l“, deswegen habe ich angenommen, dass dies für alle Werte gilt.

Darunter befinden sich die Konstanten, dahinter in Klammern die Formeln aus dem Text (wieso 1x10⁹ und nicht 10⁹, und wieso nicht einfach 36000? Tut mir Leid, ich war nie gut in Mathe…)

Die violetten Zellen habe ich entsprechend der davor stehenden Kürzel benannt, sodass ich Vermeulens Formel einfach inklusive der Bezeichnung der Variablen abschreiben konnte. In Violett wieder das Ergebnis und dahinter die zugehörige Formel.

Leider liegt das Ergebnis um etliche Billionen neben dem Wert, den beispielsweise dieser Rechner ausspuckt (steht hinter „soll:“). Was habe ich falsch gemacht?

„The affinity constants for the binding of testosterone to SHBG or albumin were […] 10 × 10E8 L/mol and 3.6 × 10E4 L/mol, as described by Vermeulen et al.“

…heißt es in der ersten Quelle. Auch mit diesen Konstanten funktioniert es nicht. Auch nicht, wenn ich Albumin und SHBG nicht in mol/l umrechne, sondern die Zahlen 43 bzw. 35 benutze.
Warum heißt es in der Hauptformel „[TT]“. Soll das „T²“ bedeuten?

TestoVermeulen