Bodycheck bei Polytrauma

Hallo zusammen,

meine Frage ist:

Würdet ihr als Ersthelfer/Rettungsdienst/Notarzt bei einem Polytrauma einen vollständigen Bodycheck durchführen? Insbesondere die Überprüfung der Stabilität von Thorax und Becken.

Bevor ihr antwortet möchte ich euch noch kurz meinen Gedankengang darlegen:

Angenommen Patient stürzt von einer Leiter mit einer Fallhöhe > 3 Meter. Dann ist der verdacht eines Polytrauma gegeben, und der Patient möglichst wenig zu bewegen um Manipulationen eines Wirbelsäulentrauma zu vermeiden.
Da dieser Patient ja zur Diagnose in der Klinik sowieso ein Ganzkörper CT/MRT bekommt, und in der vorklinischen Vorsorgung ein instabiler Throax / instabiles Becken nicht therapiert werden können wäre doch eine Überprüfung deren Stabilität nur eine unnötige Manipulation der Wirbelsäule.

bin gespannt auf eure Antworten/Ansichten
grüße

cologne

Hallo !

Du liegst mit Deiner Ansicht richtig. Ich habe in meinem
Notarzt-Kurs auch gelernt, dass bei Sturz aus großer Höhe
immer eine schwere Wirbelsäulenverletzung in Betracht
gezogen werden muss. Allerdings verletzt man bei einer
(behutsamen) Becken-Kompression ja nicht das Rückenmark,
da das, zumindest beim Erwachsenen, schon auf Höhe des
2. Lendenwirbels endet. Die Beckenstabilität könnte man
also schon prüfen, sollte man vielleicht auch frühzeitig,
da bei Beckenfrakturen Blutverluste von 5 Litern auftreten
können. Und der Thorax ? Naja, ich würde vor der Kompression
erstmal sehen, ob eine knöcherne Verletzung nicht vielleicht
schon durch eine paradoxe Atembewegung oder gar offene Wunden
erkennbar ist. Auf keinen Fall würde ich aber am Kopf oder
der HWS unnötig manipulieren.

Gruß Kai

Hallo Kai,

ja super! Vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort :smile:

Hallo,

du bist hauptamtlich im Rettungsdienst beschäftigt? Aus reinem Intersse: Setzt ihr euch da nicht mit den ganzen Traumakonzepten auseinander?
Das ist kein Vorwurf, aber PHTLS und/oder ITLS (und ATLS) sollten meiner Meinung nach bekannt sein.
Vielleicht sprichst du deinen Wachenleiter mal darauf an, ob es nicht möglich wäre, für die Wache wenigstens eins dieser Bücher zu besorgen (bei uns gibt es „Präklinisches Traumamanagement“, herausgegeben von NAEMT bei Elsevier).

Der Notarzt vor mir hat deine Frage ja schon recht umfassend beantwortet, aber mir gehen dazu auch noch ein, zwei Gedanken durch den Kopf.

Ein Ersthelfer hat mit einem Bodycheck nicht viel zu tun - was soll er auch mit der daraus gewonnen Information? Und da ist ja überhaupt erst einmal vorausgesetzt, dass er es richtig macht, was eher unwahrscheinlich ist.

Bei Rettungsdienstpersonal/Notarzt ist der Bodycheck obligat. Wie willst du sonst dein ABCDE-Schema vernünftig (aber zügig!) abarbeiten, wenn du z.B. den Spannungspneumothorax nicht siehst?
Das heißt aber nicht, dass jeder mal am Patienten rumdrücken sollte. Wenn einmal der Verdacht auf ein instabiles Becken aufgekommen ist, manipuliert da keiner mehr dran herum, was aber auch bedeutet, dass der Rettungsdienst diese Maßnahme beherrschen sollte.

Zu den Therapieoptionen beim instabilen Becken: Leider belegt keine Studie eine Senkung der Mortalität bei Einsatz eines Beckengurtes (z.B. Pelvic Binder, Sam Sling).
Und der instabile Thorax… wenn sich daraus ein wie auch immer gearteter Pneumothorax entwickelt, ist es sinnvoll, die Instabilität vorher festgestellt zu haben und vorbereitet zu sein bzw. ist diese Information auch gar nicht so unnütz, wenn eine Intubation und/oder ein Hubschraubertransport notwendig werden sollte.

Grüße
Liete

Hallo

du bist hauptamtlich im Rettungsdienst beschäftigt? Aus reinem
Intersse: Setzt ihr euch da nicht mit den ganzen
Traumakonzepten auseinander?

Ich habe hauptamtlich für ne Hiorg gearbeitet ja. Allerdings weil nur noch wenig RTWs mit Klasse B zu fahren sind und meines „nicht ausreichenden Alters …“ zeitlich doch mehr Krankentransport als Rettungsdienst.
Was die Traumakonzepte angeht, muss ich ehrlich gestehen in der Ausbildung und der Prüfung wurde das nie gefordert. (ich bin RS) Habe mir diverses immer wieder aus Interesse angelesen, oft aber nur nach spezifischen Anlässen. Gab es ein besonderes EKG hat man sich die EKG-Interpretation noch mal angeschaut … nur gibts in der Innenstadtrettung eher wenig polytraumatisierte, so dass man dazu verleitet wird sich das Thema Traumamanagment zu Hause noch mal zu Gemüte zu führen.

Ein Ersthelfer hat mit einem Bodycheck nicht viel zu tun - was
soll er auch mit der daraus gewonnen Information?

Da hast du vollkommen Recht. Meine Überlegung war, was macht man als Ausgebildeter, der außer Dienst ist. Also angenommen der Nachbar ist von der Leiter gefallen, da stellt man sich ja nicht daneben und begnügt sich damit die 112 anzurufen.
Und da ist

Bei Rettungsdienstpersonal/Notarzt ist der Bodycheck obligat.
Wie willst du sonst dein ABCDE-Schema vernünftig (aber zügig!)
abarbeiten, wenn du z.B. den Spannungspneumothorax nicht
siehst?
Das heißt aber nicht, dass jeder mal am Patienten rumdrücken
sollte. Wenn einmal der Verdacht auf ein instabiles Becken
aufgekommen ist, manipuliert da keiner mehr dran herum, was
aber auch bedeutet, dass der Rettungsdienst diese Maßnahme
beherrschen sollte.

Auch da geb ich dir Recht. Sorry bin nicht so der Verbalakrobat. Natürlich ist Bodycheck nicht gleich zusetzen mit Becken-/Thoraxkompression. Mir geing es nicht darum den kompletten Bodycheck ausfallen zu lassen, sondern nur zu fragen wie die Güterabwägung aussieht bei dem Verdacht einer Wirbelsäulenverletzung.

Grüße
Liete

Grüße zurück.
ich schlurf dann mal zur Bibliothek und hol mir was zum Traumamangment :wink:

cologne