Brauche eure Hilfe!

Hallo ihr Lieben,

als jemand von einem ganz anderen Fach (die Naturwissenschaften haben es mir angetan) bin ich neulich ganz arg mit einem Philosophen aneinandergerasselt…

Nun meine Frage: Wie definiert ein Philosoph den Begriff - Gesetz - ?

Um euch nicht zu beeinflussen, lasse ich euch mal freien Lauf und erzähl nicht, was ER meinte…

Also, vielen Dank schonmal!!

Sinderella

Der Gesetzesbegriff in der Philosophie
Hallo,

als jemand von einem ganz anderen Fach (die
Naturwissenschaften haben es mir angetan) bin ich neulich ganz
arg mit einem Philosophen aneinandergerasselt…
Nun meine Frage: Wie definiert ein Philosoph den Begriff -
Gesetz - ?
Um euch nicht zu beeinflussen, lasse ich euch mal freien Lauf
und erzähl nicht, was ER meinte…

dass du nicht erzählst, worum es geht, macht die Sache schwieriger, denn im Grunde ist der Gesetzesbegriff in der gesamten Philosophiegeschichte zu finden und mindestens so vieldeutig wie der Begriff „Wissenschaft“.

Einfach formuliert ist ein Gesetz eine allgemeine Regel, d. h. dass etwas nach dieser Regel immer geschieht, wenn die Bedingungen dafür vorhanden sind. Daher ist der Begriff des Gesetzes auch mit dem Begriff der Kausalität eng verbunden.
Kant hat das Gesetz als „Regel notwendigen Daseins“ bezeichnet, aber damit ist dir eigentlich auch nicht geholfen, denn nun müsste man erklären, was „notwendig“ eigentlich heißt. Dazu weiter unten.

Vielleicht liefert aber die Verbindung mit dem Begriff der Wissenschaft die beste Erklärung, denn jede Wissenschaft - besser: jeder Wissensbereich - hat eigene Gesetze. Während in der Logik sich alles nach den formalen Bedingungen richtet und also auch die Gesetze formal sind, gilt in den Naturwissenschaften wegen ihres Bezugs zur Empirie (also zur regelmäßigen Erfahrung) ein materialer Gesetzesbegriff.

Die naturwissenschaftlichen Gesetze sind allesamt Erfahrungsgesetze, streiten könnte man sich allenfalls um die Bedeutung der naturwissenschaftlichen Fundamentalgesetze wie Masseerhaltung etc., denn die kann man auch operational interpretieren, also als methodische Voraussetzungen, die wir als Bedingung von Wissenschaft bloß definieren.

Die dritte Art von Gesetz ist das „praktische“ Gesetz, das in der Ethik und der Rechtsphilosophie untersucht wird. Die grundlegende Frage ist „Was soll ich tun?“ - und warum soll ich es tun.

Jetzt nochmal zurück zum Wissenschaftsbegriff:
Der entscheidende Unterschied, den ich als grundlegend für euren Disput vermute, weil er immer wieder auftaucht, ist wohl dieser:
Man unterscheidet in der Wissenschaftstheorie zwischen empirischen Gesetzen und formalen Gesetzen. Empirische Gesetze haben die Eigenschaft, ein Phänomen zu beschreiben, und sind allgemein gültig, solange man keine gegenteiligen Erfahrungen macht. Grundsätzlich aber besteht hier die Möglichkeit, dass alles ganz anders ist, als man mit den bisherigen bekannten Gesetzen dachte. Es ist nicht notwendig, dass Wasser bei 0 Grad friert, es ist auch nicht notwendig, dass die Erde sich um die Sonne dreht. Diese Gesetze sind allenfalls faktische Gesetze, die prinzipiell auch anders ausfallen könnten.

Notwendig sind nur die Gesetze der Logik und der Mathematik, also der Formalwissenschaften. Aber auch hier sind die Gesetze nur notwendig, wenn die Bedingungen zu diesen Gesetzen gegeben sind. Also:
Wenn A -> B und wenn B -> C, dann gilt auch A -> C.
Ob allerdings die beiden Prämissen (= Bedingungen) richtig sind, das wiederum ist keine Frage der Logik.

Empirische Phänomene können in der Folge also niemals Beweise für eine Theorie sein, sondern höchstens Belege.

Du siehst, ich könnte hierzu noch stundenlang schreiben, will aber erst einmal abwarten, ob deine Frage sich hierdurch vielleicht schon als obsolet erwiesen hat, oder ob vielleicht jemand anders eine andere, womöglich bessere Erklärung findet.

Bis hierher herzliche Grüße

Thomas Miller

Ergänzung:
Etwas ganz wichtiges habe ich noch vergessen: den Begriff der „Denkgesetze“. Das sind diejenigen Gesetze, nach denen sich unser Denken handeln muss, weil es nach diesen Gesetzen aufgebaut ist, also weil wir so denken müssen. Diese Gesetze haben eine gewisse Affinität zur Logik und heißen auch „logische Gesetze“, aber im Gegensatz zur „formalen“ Logik beschäftigen sich diese Gesetze mit den „Bedingungen der Möglichkeit“ des Denkens (Kant). Diese Art der Gesetze heißen „transzendental“ im Gegensatz zu „transzendent“, weil sie zwar die Erfahrung transzendieren, aber eben die Bedingungen von Erfahrung überhaupt darstellen.

Hallo Thomas,

ersteinmal DANKE für deine wirklich sehr ausführliche Antwort, daß muß wohl den Philosophen so eigen sein… :wink:

Nein, also es ging darum, ob man Gesetz auch mit Ziel gleichsetzten kann, ein Beispiel: es gibt ein Gesetz - du sollst nicht lügen und das Ziel ist eben ein ehrlicher Mensch zu sein. Frage ist jetzt: bedingt nicht das eine das jeweils andere oder ist es wirklich synonym?

Kann leider nicht sooo viel dazuschreiben, bei uns gibts halt nur kurze Definitionen… :wink:

Aber ich glaub ich werde mich öfter in solch Philosophie-Vorlesungen bei uns an der Uni setzen, vielleicht steige ich ja irgendwann hinter euer Geheimnis, die Welt zu sehen und zu verstehen…

Also, warte gespannt auf Antwort!!!

Danke
Sinderella

Hallo Sinderella,

ersteinmal DANKE für deine wirklich sehr ausführliche Antwort,
daß muß wohl den Philosophen so eigen sein… :wink:

das lag an der Weite der Fragestellung. Wenn man dich als Naturwissenschaftlerin nach dem Begriff „Natur“ gefragt hätte, hättest du sicher auch so ausführlich werden können. :smile:

Nein, also es ging darum, ob man Gesetz auch mit Ziel
gleichsetzten kann, ein Beispiel: es gibt ein Gesetz - du
sollst nicht lügen und das Ziel ist eben ein ehrlicher Mensch
zu sein. Frage ist jetzt: bedingt nicht das eine das jeweils
andere oder ist es wirklich synonym?

Nein, die Ebenen sind verschieden. Ein Gesetz (in diesem Sinn) ist eine moralische Regel, nach der man handeln soll. Ein Ziel ist eine (subjektive) Wirkung, deren Ursache ich suche - das ist jetzt simpel für Naturwissenschaftler ausgedrückt und nicht ganz korrekt :smile: . Um das Ziel, als Wirkung zu erzielen, muss ich so handeln. Das ist ein wichtiger Unterschied.

Ich weiß nicht, welche NW du studierst, aber ich versuche ein Beispiel aus der Physik: Ziel ist es einen Stromkreis zu bauen. Der Stromkreis kann nur funktionieren, wenn du ihn so baust, wie er gebaut werden muss. Dem moralischen Gesetz würde hier die Frage entsprechen, ob es denn unbedingt ein Stromkreis sein soll und es nicht vielleicht sinnvoller wäre, mit der Hand zu kurbeln. Ok, alle Beispiele hinken, aber vielleicht habe ich das Wesentliche gesagt. Nachfragen sind ja immer möglich.

Aber ich glaub ich werde mich öfter in solch
Philosophie-Vorlesungen bei uns an der Uni setzen, vielleicht
steige ich ja irgendwann hinter euer Geheimnis, die Welt zu
sehen und zu verstehen…

Das kann ich nur begrüßen. Ich selbst habe im Studium vor allem Wissenschaftstheorie betrieben und bei einem Physiker gelernt. Freilich war ich nicht immer seiner Meinung. :smile:

Herzliche Grüße

Thomas Miller

2 Like

Nein, die Ebenen sind verschieden. Ein Gesetz (in diesem Sinn)
ist eine moralische Regel, nach der man handeln soll.

ist ein gesetz nicht ein Verbot und eine handlungsanweisung ein gebot???

winkel

Hallo Winkel,

Nein, die Ebenen sind verschieden. Ein Gesetz (in diesem Sinn)
ist eine moralische Regel, nach der man handeln soll.

ist ein gesetz nicht ein Verbot und eine handlungsanweisung
ein gebot???

das ist nur eine Frage des Vorzeichens: Gebote sind positiv, Verbote sind negativ. Am ehesten einsichtig wird es vielleicht durch den Vergleich mit Naturgesetzen: Diese drücken allgemeine Sachverhalte aus, nach denen ein Geschehen geschieht oder nach denen es nicht geschehen darf.

Der Gesetztesbegriff ist eben vieldeutig. :smile:

Herzliche Grüße

Thomas Miller

1 Like

es gibt das „Grundgesetz“

da steht zum Beispiel: die Würde des Menschen ist unantastbar.

das ist doch eine Aussage und kein Gebot oder Verbot.

Was ist also daran dann „Gesetz“.

Oder hat „Gesetz“ im weitesten sinne etwas mit „als Wahrheit/Recht gesetzt“ zu tun?

winkel

Aber klar … gerne …
HAllo Winkel,

es gibt das „Grundgesetz“
da steht zum Beispiel: die Würde des Menschen ist unantastbar.
das ist doch eine Aussage und kein Gebot oder Verbot.
Was ist also daran dann „Gesetz“.
Oder hat „Gesetz“ im weitesten sinne etwas mit „als
Wahrheit/Recht gesetzt“ zu tun?

das Grundgesetz heißt nur bei uns „Grundgesetz“, der richtige Begriff aber wäre „Verfassung“. Und eine Verfassung regelt die Grundlinien, nach der sich alle Gesetze richten sollen. Es ist also lediglich der Sprachgebrauch, der dich in die Irre geführt hat.

Gleichwohl hat es natürlich auch eine Bewandnis damit. Wer ein Gesetz bricht, macht etwas falsch - grob gesagt. Wer also das Grundgesetz bricht, begeht einen moralischen/gesetzlichen Fehler, hier gegen die intendierte Achtung der Würde, also einen Verhaltensfehler. Wer physikalische Gesetze bricht, begeht auch eine Fehler, diesmal aber einen methodischen. Dennoch ist der Gesetzesbruch in beiden Fällen eine Übertretung.

Herzliche Grüße

Thomas Miller

Hey, willkommen im Club der „Klugscheißer“…hi hi, aber ehrlich, freu mich sehr!!!
d.