Der Gesetzesbegriff in der Philosophie
Hallo,
als jemand von einem ganz anderen Fach (die
Naturwissenschaften haben es mir angetan) bin ich neulich ganz
arg mit einem Philosophen aneinandergerasselt…
Nun meine Frage: Wie definiert ein Philosoph den Begriff -
Gesetz - ?
Um euch nicht zu beeinflussen, lasse ich euch mal freien Lauf
und erzähl nicht, was ER meinte…
dass du nicht erzählst, worum es geht, macht die Sache schwieriger, denn im Grunde ist der Gesetzesbegriff in der gesamten Philosophiegeschichte zu finden und mindestens so vieldeutig wie der Begriff „Wissenschaft“.
Einfach formuliert ist ein Gesetz eine allgemeine Regel, d. h. dass etwas nach dieser Regel immer geschieht, wenn die Bedingungen dafür vorhanden sind. Daher ist der Begriff des Gesetzes auch mit dem Begriff der Kausalität eng verbunden.
Kant hat das Gesetz als „Regel notwendigen Daseins“ bezeichnet, aber damit ist dir eigentlich auch nicht geholfen, denn nun müsste man erklären, was „notwendig“ eigentlich heißt. Dazu weiter unten.
Vielleicht liefert aber die Verbindung mit dem Begriff der Wissenschaft die beste Erklärung, denn jede Wissenschaft - besser: jeder Wissensbereich - hat eigene Gesetze. Während in der Logik sich alles nach den formalen Bedingungen richtet und also auch die Gesetze formal sind, gilt in den Naturwissenschaften wegen ihres Bezugs zur Empirie (also zur regelmäßigen Erfahrung) ein materialer Gesetzesbegriff.
Die naturwissenschaftlichen Gesetze sind allesamt Erfahrungsgesetze, streiten könnte man sich allenfalls um die Bedeutung der naturwissenschaftlichen Fundamentalgesetze wie Masseerhaltung etc., denn die kann man auch operational interpretieren, also als methodische Voraussetzungen, die wir als Bedingung von Wissenschaft bloß definieren.
Die dritte Art von Gesetz ist das „praktische“ Gesetz, das in der Ethik und der Rechtsphilosophie untersucht wird. Die grundlegende Frage ist „Was soll ich tun?“ - und warum soll ich es tun.
Jetzt nochmal zurück zum Wissenschaftsbegriff:
Der entscheidende Unterschied, den ich als grundlegend für euren Disput vermute, weil er immer wieder auftaucht, ist wohl dieser:
Man unterscheidet in der Wissenschaftstheorie zwischen empirischen Gesetzen und formalen Gesetzen. Empirische Gesetze haben die Eigenschaft, ein Phänomen zu beschreiben, und sind allgemein gültig, solange man keine gegenteiligen Erfahrungen macht. Grundsätzlich aber besteht hier die Möglichkeit, dass alles ganz anders ist, als man mit den bisherigen bekannten Gesetzen dachte. Es ist nicht notwendig, dass Wasser bei 0 Grad friert, es ist auch nicht notwendig, dass die Erde sich um die Sonne dreht. Diese Gesetze sind allenfalls faktische Gesetze, die prinzipiell auch anders ausfallen könnten.
Notwendig sind nur die Gesetze der Logik und der Mathematik, also der Formalwissenschaften. Aber auch hier sind die Gesetze nur notwendig, wenn die Bedingungen zu diesen Gesetzen gegeben sind. Also:
Wenn A -> B und wenn B -> C, dann gilt auch A -> C.
Ob allerdings die beiden Prämissen (= Bedingungen) richtig sind, das wiederum ist keine Frage der Logik.
Empirische Phänomene können in der Folge also niemals Beweise für eine Theorie sein, sondern höchstens Belege.
Du siehst, ich könnte hierzu noch stundenlang schreiben, will aber erst einmal abwarten, ob deine Frage sich hierdurch vielleicht schon als obsolet erwiesen hat, oder ob vielleicht jemand anders eine andere, womöglich bessere Erklärung findet.
Bis hierher herzliche Grüße
Thomas Miller
Ergänzung:
Etwas ganz wichtiges habe ich noch vergessen: den Begriff der „Denkgesetze“. Das sind diejenigen Gesetze, nach denen sich unser Denken handeln muss, weil es nach diesen Gesetzen aufgebaut ist, also weil wir so denken müssen. Diese Gesetze haben eine gewisse Affinität zur Logik und heißen auch „logische Gesetze“, aber im Gegensatz zur „formalen“ Logik beschäftigen sich diese Gesetze mit den „Bedingungen der Möglichkeit“ des Denkens (Kant). Diese Art der Gesetze heißen „transzendental“ im Gegensatz zu „transzendent“, weil sie zwar die Erfahrung transzendieren, aber eben die Bedingungen von Erfahrung überhaupt darstellen.