Brauchtum Juden

Hallo Experten,

ich komme gerade aus den USA zurück und wieder mal sind etliche Fragen bzgl. der jüdischen Bräuche bei mir aufgetaucht. Meine Frage nach den Perücken der Frauen wurde hier schon mal sehr gut beantwortet. Nun meine neuen Fragen: Welche Bedeutung haben die Locken bei den Männern - weshalb tragen Männer ihre Beine relativ offen zur Schau (Strümpfe), während Frauen ihre Beine immer verhüllen. Warum gibt es „koschere“ Muffins (ich dachte immer „koscher“ bezieht sich auf Fleisch und die Methode der Schlachtung).

Gibt es eigentlich eine empfehlenswerte Seite, auf der diese und andere Fragen fundiert beantwortet werden.

Vielen Dank für die Antworten
BM

Hallo BitterMoon!
Ich versuch mal wenigstens ein paar Fragen zu klären…

Welche Bedeutung haben die Locken bei den Männern?

Die Bart und Locken-„Pflicht“ der orthodoxen oder strengreligiösen Juden leitet sich für die meisten ab aus 3.Buch Mose 19,27: „Ihr sollt euer Haar am Haupt nicht rundherum abschneiden noch euren Bart stutzen.“
Außerdem wurde das 3.Buch Mose 21,5 („sie sollen keine Glatze auf ihrem Kopf scheren, und den Rand ihres Bartes sollen sie nicht abscheren“) von einigen wichtigen Rabbinen zusätzlich so verstanden, dass man den Bart nicht mit einer Rasierklinge oder einem Messer rasieren darf.

weshalb
tragen Männer ihre Beine relativ offen zur Schau (Strümpfe),
während Frauen ihre Beine immer verhüllen.

Das mit den Beinen der Männer verstehe ich ehrlich gesagt nicht so ganz… Meinst Du, dass Männer kurze Hosen tragen? Hm… In jedem Fall glaube ich kann man grundsätzlich sagen, dass eben über das Verhüllen der männlichen Beine wohl nichts in der Tora steht… (Ich würde das jetzt aber nicht beschwören!)
Zu Frauen allgemein:
Die auffälligsten Insignien der orthodoxen Kleidung (tallit, tefillin, tallit katan,…) tragen Frauen deshalb )unter anderem) nicht, da diese ursprünglich als Männerkleidung galten, und die Bibel (5.Buch Mose 22,5) Frauen verbietet, diese zu tragen.
Zudem sind Frauen nach dem Talmud von der Einhaltung der tagsüber geltenden Vorschriften befreit, da sie sich in dieser Zeit vor allem um Kinder und heim kümmern können sollen. Da z.B. der tallit zu bestimmten Tageszeiten zu tragen ist, oder die tefillin beim Morgengebet, braucht die Frau ihn nicht zu tragen.
Jetzt zu den Beinen:
Der Grundgedanke hierzu ist zeniut, die Bescheidenheit. Eine orthodoxe oder fromme Frau sollte mögöichst immer ganz bedeckt sein, also lange Ärmel und Röcke, da andere Kleidung als „unbescheiden“ gilt.

Warum gibt es
„koschere“ Muffins (ich dachte immer „koscher“ bezieht :sich
auf Fleisch und die Methode der Schlachtung).

„Koscher“ betrifft nicht nur das Fleisch und seine Zubereitung, ursprünglich wurde dieses Wort nämlich gar nicht für Nahrungsmittel verwendet, sondern bedeutete „gut“ oder „angemessen“ (Esther 8,5 und Kohelet/ Prediger 11,6). Danach wurde es hauptsächlich verwendet für Gegenstände, die geeignet „für den rituellen Gebrauch“ waren oder Personen, die geeignet waren, als Zeuge aufzutreten.
Im Bezug auf die Nahrungsmittel ist es mittlerweile (also nicht erst seit gestern…aber eben nicht von Anfang an) so, dass alle „zugelassenen“ Lebensmittel koscher sid, alle anderen werden als „trefe“, „trefa“ oder „taruf“ bezeichnet.
Neben dem Verbot verschiedener Fleischarten, Fische und Schalentiere ist auch der gleichzeitige Genuß von fleischigen und milchigen Speisen verboten. Zwischen beiden sollten im Regelfall mindestens 6 Stunden liegen, und viele religiöse Haushalte führen auch 2 Garnituren Geschirr, einmal für milchiges, einmal für fleischhaltiges Essen (Außer Glasteller, Glas ist nicht betroffen). Außer diesen beiden Kategorien gibt es noch „neutrale“ Lebensmittel, diese nennen sich parwe und sind mit allem kobinierbar.
Zu den Muffins:
Ich weiß es nicht genau, aber mehrere Erklärungen sind möglich:
a) es geht darum, die Verwendung von Gelatine auszuschließen
b) die Herstellung der Muffins wurde von einer der vielen jüdischen Organisationen überwacht, die Lebensmittel durch das sog. kaschrut-Siegel als koscher kennzeichen (kenne ich aber eigentlich nur für Eingepacktes, bei dem man sich eh nie ganz sicher sein kann, was alles drin ist…)
c) es ist ein Verkaufstrick (finde ich am wahrscheinlichsten)
d) ?

Vielen Dank für die Antworten

Bitte!
Ich hoffe, es hat Dir was geholfen!

BM

Gruß,
Norah

Zu den Muffins:
Ich weiß es nicht genau, aber mehrere Erklärungen sind
möglich:
a) es geht darum, die Verwendung von Gelatine auszuschließen
b) die Herstellung der Muffins wurde von einer der vielen
jüdischen Organisationen überwacht, die Lebensmittel durch das
sog. kaschrut-Siegel als koscher kennzeichen (kenne ich aber
eigentlich nur für Eingepacktes, bei dem man sich eh nie ganz
sicher sein kann, was alles drin ist…)
c) es ist ein Verkaufstrick (finde ich am wahrscheinlichsten)
d) ?

!

Ich hoffe, es hat Dir was geholfen!

BM

Gruß,
Norah

Hallo !

HARIBO stellt für den Export sogar koshere Gummibärchen her.

Danke für deine Erläuterungen ! Hier in der Nähe hat unlängst ein jüd. Restaurant eröffnet, demnächst geht´s mal hin. Die Karte hab ich schon studiert und jetzt weiß ich, was „parwe“ meint und kann meine Freundlin besser beeindrucken :smiley: .

Gruß

HM

Hallo Norah und BitterMoon!

Zu den Muffins:
Ich weiß es nicht genau, aber mehrere Erklärungen sind
möglich:
a) es geht darum, die Verwendung von Gelatine auszuschließen

Oder tierische Stoffe allgemein, damit er parve bleibt. Ausserdem sind Rosinen (also Trauben)im Gegensatz zu anderem Obst nicht automatisch koscher, sondern müssen speziell angebaut werden.

Auch Getreide ist nicht automatisch ok:
Eine Kollegin hat in Italien mal Felder gesehen, da standen Schilder, dass man keine Schweine in der Nähe weiden lassen soll, kein Schweinemist in der Nähe ausbringen darf und das Feld nicht betreten werden soll, wenn man krank ist und noch ein paar andere Punkte.
Auf ihre Frage wie und warum hiess es, dass sei Getreide für koschere Produkte.

Und dann spielt noch die Verarbeitung eine Rolle, das Stichwort heisst Warenflusstrennung: Koschere Lebensmittel dürfen nicht in Berührung mit nicht-koscheren Lebensmitteln kommen, auch darf keine Verwechslungsgefahr bestehen (deshalb auch meist eingepackt). Diese Warenflusstrennung wird übrigens auch bei Anbau und Verarbeitung von Bio-Produkten angewendet.

Viele Grüsse, Nicola

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Hallo Bitter Moon,

>Welche Bedeutung haben die Locken bei den Männern -

Dazu hat … schon einiges geschrieben. Ergänzend dazu:
Es gibt im 3. Buch Mose Kapitel 19 eine Anweisung, die besagt, daß die
Ecken des Feldes nicht abgeerntet werden und dieses Korn für die Armen
stehen bleibt, die es dann auflesen können.

Es gibt Auslegungen, die darauf hinauslaufen, daß die „Ecken“
(Schläfenlocken), die die ultraorthodoxen Juden stehen lassen eine Art
Erinnerungszeichen sind für ethisches Verhalten Armen gegenüber.

Die Torah selber gibt keine Begründung für das Stehenlassen der Haare.

>weshalb tragen Männer ihre
>Beine relativ offen zur Schau (Strümpfe), während Frauen ihre Beine
immer verhüllen.

Strümpfe sind ja auch eine Form des Bedeckens.

>Warum gibt es „koschere“ Muffins (ich dachte immer „koscher“
>bezieht sich auf Fleisch und die Methode der Schlachtung).

„Koscher“ meint „rituell tauglich“ / „rituell erlaubt“ also nach den
Standards des jüdischen Religionsgesetzes (Halacha).

Von „koscher“ spricht man nicht nur im Hinblick auf Lebensmittel,
sondern auch eine Mikwe (rituelles Tauchbad) oder eine Torahrolle oder
die Gebetsriemen (Tefillin) können koscher sein oder nicht.

Zu den Speisegeboten hast Du ja schon einige Hinweise bekommen (koschere
Tiere und Schlachtung, Trennung von Milchigem und Fleischigem).

Bei den Muffins können folgende Faktoren im Hinblick auf Kaschrut
(Substantiv zu koscher) eine Rolle spielen:

  • Wenn die Bäckerei zugleich mit fleischigen Inhaltsstoffen arbeitet und der milchige Muffinsteig mit fleischigen Bestandteilen (also auch
    Gelatine, die nicht aus Fischknochen gemacht ist) in Berührung kommt

  • Wenn die Muffins Milchprodukte beinhalten, wo die Milch am Schabbat
    bzw. an Feiertagen gemolken wurde bzw. keine Trennung der Milch erfolgt, die am Schabbat und die an Werktagen gemolken wurde.

  • Wenn Gärungsprodukte Zusatzstoffe enthalten, die nicht erlaubt sind
    oder wenn Farbstoffe verwendet werden, die nicht erlaubt sind

  • Wenn die Eier nicht darauf kontrolliert worden sind, ob sie einen
    Blutstropfen enthalten

  • Bei manchen Muffins wird statt Butter/Margarine irgendein Öl
    verwendet. Olivenöl, Sonnenblumenöl und andere Pflanzenöle sind koscher, aber im Judentum ist die Trennung ganz wichtig. Wenn also in der Fabrik, in der Pflanzenöle hergestellt werden zwischen der Gewinnung von zwei unterschiedlichen Pflanzenölen die Gefäße / Röhren nicht gereinigt werden und dann ein Öl noch Spuren des „Vorgänger“-Öls enthält, ist es nicht koscher.

  • Wenn Muffins Wein enthalten, muß dieser koscher sein

>Gibt es eigentlich eine empfehlenswerte Seite, auf der diese und
>andere Fragen
>fundiert beantwortet werden:

zu allem, was mit koscherem Essen zusammenhängt:
http://www.koscher.net

zu Judentum in Deutschland und Mitteleuropa
http://www.hagalil.com (redaktioneller Teil)
und
http://www.hagalil.com/forum/a/index.htm (Diskussionsforum)

Viele Grüße

Iris