Bremsen in der Kurve

Ich bereite mich gerade für meine Physik-Prüfungen vor, und löse einige Aufgaben zur Dynamik.

Bei einer Aufgabe zum Bremsen in der Kurve habe ich einige Mühe:
„Ein Auto fährt mit 80 km/h durch eine Kurve mit 60 m Radius. Wegen eines
unverhofft auftauchenden Hindernisses muss der Fahrer plötzlich bremsen. Mit
welcher maximalen Verzögerung kann er bremsen, ohne ins Schleudern zu geraten,
wenn der Haftreibungskoeffizient zwischen Reifen und Strasse 0.9 beträgt?“

Was ich bisher habe:
v = 22.22 m/s (Geschwindigkeit 80 km/h in SI-Einheit)
μ = 0.9 (Haftreibungskoeffizient)
r = 60 m (Radius)

Fn = m * g (Normalkraft)
Fr_max = μ * Fn (Maximale Haftreibungskraft)
Fz = m * ar = m * v^2/r (Zentripetalkraft)

Um nicht ins Schleudern zu geraten muss die Haftreibungskraft mind. so gross sein wie die Zentripetalkraft. Richtig?

Wenn ich das alles richtig verstanden habe, kann man auch ausrechnen wie schnell man maximal in einer Kurve mit gegebenem Radius und Haftreibungskoeffizient fahren kann ohne ins Schleudern zu geraten:

μ * m * g = m * (v^2/r) (m kürzt sich weg)
v = sqrt(μ * g * r)

Macht in meinem Beispiel v = 23.01 m/s (also 82.86 km/h).

Da nun 80 km/h ja unter diesem Wert liegt, kann ich schliessen, dass das Auto zu Beginn nicht schleudert. Wie kriege ich nun aber heraus wieviel Verzögerung (d.h. negative Beschleunigung) maximal angewendet werden darf?

Wäre froh um jegliche Hinweise.

Hallo!

Es treten auf: Bremsbeschleunigung und senkrecht dazu Zentrifugalbeschleunigung; daraus die Resultierende und die mit der maximalen Bremsb. vergleichen. mfG

Hossa :smile:

Wenn ein Fahrzeug beim Bremsen in einer Kurve ins Schleudern kommt, liegt das daran, dass sich beim Bremsvorgang das Gewicht des Fahrzeugs auf die Vorderräder verlagert, wodurch die Hinterräder mit weniger Gewicht auf die Straße drücken. Die Zentrifugalkraft kann dann dazu führen, dass das Heck seitlich ausschlägt.

Würde das Gewicht beim Bremsen nicht nach vorne verlagert, würde das Fahrzeug auch nicht aus der Kurve fliegen, weil die Zentrifugalkraft ja geringer wird, das Auto aber vor der Bremsung noch in der Spur war.

Mit anderen Worten, die Aufgabe macht mit den gegebenen Größen überhaupt keinen Sinn. Du müsstest ausrechnen, um wie viel die Haftreibung der Hinterräder auf Grund der Gewichtsverlagerung nach vorne reduziert wird. Dazu fehlen dir aber Angaben.

Viele Grüße

Hasenfuß

Hi,

Wenn ein Fahrzeug beim Bremsen in einer Kurve ins Schleudern
kommt, liegt das daran, dass sich beim Bremsvorgang das
Gewicht des Fahrzeugs auf die Vorderräder verlagert, wodurch
die Hinterräder mit weniger Gewicht auf die Straße drücken.
Die Zentrifugalkraft kann dann dazu führen, dass das Heck
seitlich ausschlägt.

richtig, sowas gibt es und nennt sich Übersteuern. Je nach Auslegung des Fahrzeug kommt aber auch das Gegenteil vor, also Untersteuern.

Würde das Gewicht beim Bremsen nicht nach vorne verlagert,
würde das Fahrzeug auch nicht aus der Kurve fliegen, weil die
Zentrifugalkraft ja geringer wird, das Auto aber vor der
Bremsung noch in der Spur war.

Da gibt es doch genau 3 Möglichkeiten:
Mit dem Heek voran ins Gebüsch bei Übersteuern
Mit dem Bug voran bei Untersteuern
Mit der Seite streifend bei neutralem Fahverhalten

Mit anderen Worten, die Aufgabe macht mit den gegebenen Größen
überhaupt keinen Sinn. Du müsstest ausrechnen, um wie viel die
Haftreibung der Hinterräder auf Grund der Gewichtsverlagerung
nach vorne reduziert wird. Dazu fehlen dir aber Angaben.

Ich hab mr die Gleichungen nicht genau angesehen, Mathe ist so lange her, aber ich denke mal gem. der Aufgabenstellung geht man davon aus, dass sich alle Räder gleich weit vom Limit entfernt sind.

Und das ist doch wohl was mit Vektoren. Wenn die Seitenführung 80% der Grenze erreicht, darf die Bremsung nochmal 60% betragen. Die Kräfte stehen ja senkrecht zueinander und 80² + 60² = 100² lt. Pythagoras.

Gruß, Zoelomat

Also erstmal Danke für all die Antworten!

Bezüglich der Aufgabe habe ich noch eine Angabe „unterschlagen“. Am Schluss heisst es noch: „Zur Vereinfachung werde angenommen, dass sich die Brems- und
Seitenführungskräfte auf alle vier Räder gleichmässig verteilen.“

Und das ist doch wohl was mit Vektoren. Wenn die Seitenführung
80% der Grenze erreicht, darf die Bremsung nochmal 60%
betragen. Die Kräfte stehen ja senkrecht zueinander und 80² +
60² = 100² lt. Pythagoras.

Okay, das hab ich jetzt nicht verstanden. Wie kommst du auf 80% und 60%? Die Kräfte sind senkrecht, soweit so klar, aber weshalb kommt da der Pythagoras ins Spiel? Sind wahrscheinlich alles Basic-Physik Sachen, aber ich steh glaub echt grad aufm Schlauch.

Hallo odi86,
die Zentrifugal- und die Tangentialkraft ( durch die Beschleunigung/Abbremsung ) stehen senkrecht aufeinander und ergeben zusammen -als Resultierende- die Horizontalkraft. --> Pythagoras
Die Horizontalkraft darf wiederum nicht größer sein als Reibungskoeffizient*Normalkraft ( Gewicht ).
Freundliche Grüße
Thomas

Lösung
Hossa :smile:

Ok, das ist die Angabe, die mir fehlte. Dann zielt die Aufgabe darauf ab, dass die Beschleunigung ein Vektor ist und sich vektoriell addiert.

Die Zentrifugalkraft bzw. die Zentrifugalbeschleunigung az drückt den Wagen nach außen. Für sie gilt:

a_z=\frac{v^2}{r}=\frac{\left(80,\mbox{km/h}\right)^2}{60,\mbox{m}}=\frac{\left(\frac{80}{3.6},\mbox{m/s}\right)^2}{60,\mbox{m}}=8.2305,\frac{\mbox{m}}{\mbox{s}^2}

Die maximal mögliche Bremsverzögerung sei ab. Sie ist zu ermitteln. Sie wirkt senkrecht zur Zentrifugalbeschleunigung az. Daher addieren sich beide Beschleunigungen vektoriell mit Hilfe des Pythagoras:

 | / Wurzel( (a\_z)²+(a\_b)²
a\_z | / 
 | / 
 | / 
 | / 
 |/ 
 |------ a\_b

Die Gesamtbeschleunigung, die bei der Bremsung auf das Fahrzeug nach der Zeit t wirkt, ist daher:

a_{ges}=\sqrt{a^2_b+a^2_z}=\sqrt{a^2_b+\left(\frac{(v-a_bt)^2}{r}\right)^2}

Da die Zentrifugalbeschleunigung mit der Zeit t abnimmt, ist ages zu Beginn der Bremsung am größten und wir können t=0 einsetzen:

a_{max}=\sqrt{a^2_b+\left(\frac{v^2}{r}\right)^2}=\sqrt{a^2_b+(8.2305,\mbox{m/s}^2)^2}

Der Wagen kommt ins Schleudern, wenn diese Maximalbeschleunigung größer oder gleich der Haftreibung der Räder ist. Für ab gilt daher:

a_{max}=\mu g

\sqrt{a^2_b+(8.2305,\mbox{m/s}^2)^2}=\mu g\quad\left|(\cdots)^2\right.

a^2_b+(8.2305,\mbox{m/s}^2)^2=(\mu g)^2\quad\left|-(8.2305,\mbox{m/s}^2)^2\right.

a^2_b=(\mu g)^2-(8.2305,\mbox{m/s}^2)^2\quad\left|\sqrt{\cdots}\right.

a_b=\sqrt{(0.9\cdot9.81,\mbox{m/s}^2 )^2-(8.2305,\mbox{m/s}^2)^2}

a_b\approx3.2,\frac{\mbox{m}}{\mbox{s}^2}

Viele Grüße

Hasenfuß

1 Like

Vielen herzlichen Dank, das war genau was ich gesucht habe :smile:

Hat mich etwas verwirrt mit den Beschleunigungen, da ich dachte ich müsste immer mit den Kräften arbeiten (also jeweils noch mit der Masse multiplizieren, würde aber natürlich in der Gleichung sofort wegfallen).

Und danke auch für die schöne Formatierung, sehr übersichtlich und verständlich!

Bei einer Aufgabe zum Bremsen in der Kurve habe ich einige
Mühe:
„Ein Auto fährt mit 80 km/h durch eine Kurve mit 60 m Radius.
Wegen eines
unverhofft auftauchenden Hindernisses muss der Fahrer
plötzlich bremsen. Mit
welcher maximalen Verzögerung kann er bremsen, ohne ins
Schleudern zu geraten,
wenn der Haftreibungskoeffizient zwischen Reifen und Strasse
0.9 beträgt?“

Hier kann nur der Augenblick der ersten Bremsung gemeint sein, da mit langsamer werdendem Fahrzeug die Kraft zur Spurhaltung kleiner wird.

Also rechne doch erstmal aus, wie hoch die Zentrifugalkraft bei 80km/h und 60m Radius ist.
Dann berechne, wie groß die maximale Reibungskraft ist.

Wenn Du nun bedenkst, dass Zentrifugalkraft und Bremskraft senkrecht zueinander stehen, dann holst Du noch den ollen Pythagoras aus der Kiste und kannst die noch zum Bremsen übrig bleibende Kraft errechnen, aus der man dann die mögliche Verzögerung errechnen kann.

Um nicht ins Schleudern zu geraten muss die Haftreibungskraft
mind. so gross sein wie die Zentripetalkraft. Richtig?

Nein, die Summe aus Zentrifugal (auch -petal, von mir aus) und Bremskraft (vektoriell addieren!) muss kleiner sein als die Haftreibung.

… dass die benutzte Gleichung a=v²/r nur für konstante Winkelgeschwindigkeit (bzw. konstante Geschwindigkeit) gilt, natürlich auch für konstanten Kurvenradius.
Um’s richtig zu machen, kommt man um „höhere“ Mechanik/Dynamik nicht herum. Womit sich die Sache als nicht geschlossen lösbar darstellt, sondern in (zeitlichen) Näherungsschritten zu berechnen ist.
Aber daran hat der Aufgabensteller bestimmt nicht gedacht.

Die Aufgabe geht des weiteren zudem von sehr groben Vereinfachungen aus und berücksichtigt überhaupt nicht, dass ein Auto ein elastisches räumliches Gebilde ist, auf Reifen (Kennfeld mit Schräglaufwinkeln) rollt etc.

Hallo Zoelomat,

Wenn die Seitenführung 80% der Grenze erreicht, darf die Bremsung nochmal 60% betragen. Die Kräfte stehen ja senkrecht zueinander und 80² + 60² = 100² lt. Pythagoras.

Das trifft aber nicht die Realität. Genügt aber wohl, wenn man einfach nur rechnen will und mit einer Hausnummer zufrieden ist.
Leute vom Fach lächeln eher über den „Kammschen Kreis“ von anno dunnemal. Die maximale Übertragbarkeit von Brems- über Seitenführungskräften wird vielmehr durch eine Ellipse abgebildet.

Gruß
Karl

und noch viel mehr, aber erfolgreich!
Hossa Grußloser :smile:

Dass die Realität komplexer ist als in der Aufgabe angenommen, haben bereits einige bemerkt. Wenn man sich jedoch die komplette Aufgabenstellung ansieht, erkennt man, dass es hier um die Addition von Vektoren geht und nicht um die Lösung des exakten Problems.

„Um es richtig zu machen“, wie du schreibst, muss man noch viel mehr beachten als du angemerkt hast. Der Haftreibungskoeffizient ist z.B. von Luftdruck und Gummimischung abhängig, in der Formel 1 kann mu sogar Werte um 2 annehmen. Die Rollreibung müsste beachtet werden und die hängt vom Reifenradius ab. Der von mir beschriebene Effekt mit der Gewichtsverlagerung. Die Corioliskraft wird auch nicht beachtet…

Physik ist die Wissenschaft der erfolgreichen Näherungen. Unter der Annahme, dass die Bremswirkung des Autos direkt voll da ist, ist die wirkende Beschleunigung am Anfang der Bremsung am größten. Daher reicht es in guter Näherung aus, den Zeitpunkt des Beginns der Bremsung fest zu halten und damit zu rechnen.

Viele Grüße

Hasenfuß