Bremsleistung von Strahlflugzeugen

Hallo und Guten Abend!

Ich werde einfach eine Frage nicht mehr los:

Mit welchen Werten kann ein Flugzeug - sagen wir mal eine 747 -
im Flug - sagen wir mal bei ca. 900 km/h - eigentlich bremsen,
ohne dabei die Flughöhe zu verändern?

Wie macht man das überhaupt?
Triebwerksleistung kurz auf Minimum, bis die geringstmögliche
Geschwindigkeit (fast) erreicht ist - und dann wieder anpassen?
Die Turbinen sind träge, klar, das muss man berücksichtigen und
im Gefühl haben. Oder rechnet das die Elektronik selbst ständig mit
und warnt frühzeitig?

Wie werden dabei die Leitwerke und Klappen eingestellt?
Welche Verwögerungswerte sind möglich?

Natürlich ist so ein Manöver masseabhängig (also Beladung,
Tankfüllung, Ausrüstung usw.), das ist mir klar.
Sicher ist es auch flughöhenabhängig: Oben bremst’s sich
schlechter, oder?

Ich habe nicht die geringste Vorstellung, wie lange es von
z.B. 900 km/h auf z.B. 400 km/h dauern würde.
Welchen „Bremsweg“ braucht man dafür?
Mit 400 km/h kann eine 747 doch noch stabil fliegen, oder?

Könnte man - theoretisch, sofern die Steuerlogik des Flugzeugs das
zulassen würde - (so ein ganz klein wenig…;=)) die Schubumkehr
verwenden?

Alles bei optimalen Wetterbedingungen!

Dank für die Antworten schon mal!

Beste Grüße aus dem Emsland: Eugen Pawlowski.

Bremsen: Triebwerke drosseln und Tragflächen vergrößern, um den Auftrieb zu erhöhen.
Ökonomischer ist drosseln und Sinkflug einleiten.
Mindestgeschwindigkeit bei Landeanflug ist ca 270km/h.
Ich bin zwar nur Passagier, aber Schubumkehr in der Luft erscheint mir abenteuerlich.
Udo Becker

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Mit welchen Werten kann ein Flugzeug - sagen wir mal
eine 747

im Flug - sagen wir mal bei ca. 900 km/h - eigentlich
bremsen,
ohne dabei die Flughöhe zu verändern?

eine 747 hat meistens passagiere an board und wird deshalb soetwas nicht tun. wird sie naemlich zu langsam, faellt sie runter wie ein stein.

Hallo,

im Flug - sagen wir mal bei ca. 900 km/h - eigentlich bremsen,
ohne dabei die Flughöhe zu verändern?

Geschwindigkeitsangaben sind in der Fliegerei nicht so einfach wie auf dem Boden zu machen weil man zwischen der Geschwindigkeit gegenüber dem Boden und der im Verhältnis zur Umgebungsluft unterscheiden muß. Je nach den Wetter- (Wind-)Verhältnissen weichen beide mehr oder weniger voneinander ab.
Aerodynamisch interessiert nur die Airspeed, den Passagier interessiert eher die Groundspeed, die definiert wie schnell er von Stadt A in Stadt B kommt.
Des weiteren ändern sich die Luftdruckverhältnisse mit steigender Höhe, sodaß auch die Airspeed in unterschiedlicher Luftdichte unterschiedliche Werte zustande bringt…

Wie macht man das überhaupt?
Triebwerksleistung kurz auf Minimum, bis die geringstmögliche
Geschwindigkeit (fast) erreicht ist - und dann wieder
anpassen?

Nicht unbedingt auf Minimum, aber zumindest reduziert man die Leistung vorrübergehend.

Die Turbinen sind träge, klar, das muss man berücksichtigen
und im Gefühl haben. Oder rechnet das die Elektronik selbst
ständig mit
und warnt frühzeitig?

Die Elektronik ist das FMS (Flight Management System), das normalerweise ein komplexes laterales und vertikales Profil für den Flug abfliegt. Dieses Profil ist für regelmäßig bediente Strecken in den FMC’s (Flight Management Computer) hinterlegt und wird dann ggf. im Detail angepaßt wenn Veränderungen (Wetter etc.) für den aktuellen Flug nötig sind.
Ist die Route nicht hinterlegt programmiert man sie neu ein oder kann sie in der neuesten Flugzeuggeneration vom Dispatch abrufen - d. h. man bekommt die in der Flugplanung berechneten aktuellen Daten gleich in die FMC’s (Flight Management Computer) geschickt und muß nix mehr von Hand eintippen (gleichwohl sicherheitshalber überprüfen!).

Die laterale Information besagt dann über welche Strecke von A nach B geflogen werden soll, im vertikalen Profil ist hinterlegt wann wo wie gestiegen und gesunken werden soll. Das ganze ist angepaßt an Leistungsdaten des Flugzeugs beim aktuellen Wetter, dem jeweiligen Gewicht usw.
Weiterhin kann man einen sog. „Cost factor“ definieren - der bestimmt ob besonders ökonomisch oder eher „zügig“ geflogen werden soll - praktisch um z. B. bei Verspätungen Zeit aufzuholen.

Zusätzlich kann man „Geschwindigkeitsbegrenzungen“ definieren, auch das fließt in die Berechnungen ein.

Am Ende steht dann eine komplett berechnetes Flugprofil, das so abgeflogen werden kann und das man unterwegs flexibel verändert wenn seitens ATC (Flugsicherung) abweichende Anweisungen oder Abkürzungen gegeben werden.

Wie werden dabei die Leitwerke und Klappen eingestellt?
Welche Verwögerungswerte sind möglich?

Im normalen Reiseflug braucht man keine Klappen, die wirken nur im unteren Geschwindigkeitsbereich kurz vor/nach Start und Landung mit um dort den Auftrieb zu verbessern.

Natürlich ist so ein Manöver masseabhängig (also Beladung,
Tankfüllung, Ausrüstung usw.), das ist mir klar.
Sicher ist es auch flughöhenabhängig: Oben bremst’s sich
schlechter, oder?

Es spielen mehrere Faktoren mit, nämlich die Triebwerksleistung sowie Änderungen der Flughöhe in Abhängigkeit von Gewicht und Luftwiderstand. Normalerweise bewegt man sich nicht in Extremen, d. h. es reicht den Triebwerksschub auf Idle zu stellen während gleichzeitig ein Sinkflug eingeleitet wird.
Dabei kann man aber entweder eine feste Sinkrate vorgeben oder definieren daß eine bestimmte Geschwindigkeit gehalten werden soll und die Sinkrate dann flexibel ist, so wie es nötig ist um die gesetzte Geschwindigkeit zu halten.
Oft läuft es auch so daß das programmierte Streckenprofil vorgibt mit welchen Geschwindigkeiten und Sinkraten geflogen werden muß um die für bestimmte Punkte vorgegebenen Höhen und Geschwindigkeiten zu treffen - und das sowohl mit guten Passagierkomfort als auch möglichst ökonomisch und materialschonend.

Ich habe nicht die geringste Vorstellung, wie lange es von
z.B. 900 km/h auf z.B. 400 km/h dauern würde.
Welchen „Bremsweg“ braucht man dafür?

Das kann man schlecht so eindeutig sagen weil es eben eine Spannbreite gibt, je nach den aktuellen Werten des konkreten Fluges. Zu viele Faktoren spielen mit und man bremst ja auch nicht mit allen Möglichkeiten, sondern alles geht „smooth“ ineinander über…

Könnte man - theoretisch, sofern die Steuerlogik des Flugzeugs
das
zulassen würde - (so ein ganz klein wenig…;=)) die
Schubumkehr
verwenden?

Nein! Die Schubumkehr ist während des Fluges gesperrt, es wäre katastrophal wenn die unterwegs freigegeben würde. Das ist in den 1990er Jahren bei einer B767 der Lauda Air passiert und führte zum Absturz des Flugzeugs kurz nach dem Start in Bangkok: http://www.rvs.uni-bielefeld.de/publications/Inciden….
Spätere Berechnungen und Versuche im Windkanal und Flugsimulatoren zeigten daß die Aktivierung der Reverser zum Absturz führen mußte und es keine Chance mehr gab das Flugzeug noch zu retten nachdem die Schubumkehr aktiviert worden war.

Gruß,

MecFleih

Hallo,

Aerodynamisch interessiert nur die Airspeed, den Passagier
interessiert eher die Groundspeed, die definiert wie schnell
er von Stadt A in Stadt B kommt.

Mit Airspeed ist die Geschwindigkeit des Flugzeugs gegenüber der umgebenden Atmosphäre gemeint. Sie ist nach unten begrenzt durch die Geschwindigkeit, bei der die Strömung an den Tragflächen abreißt und diese somit keinen Auftrieb mehr liefern. Und nach oben durch die zugelassene Höchstgeschwindigkeit.

Das Flugzeug fliegt bis knapp unter 30.000 Fuß eine Reise-Airspeed von z.B. 290 Knoten, darüber ist das Verhältnis zur Schallgeschwindigkeit der limitierende Faktor (z.B. 82% der Schallgeschwindigkeit).
Ein Flugzeug, das auf 30.000 Fuß Flughöhe eine Airspeed von 290 Knoten fliegt, bewegt sich mit ca. 440 Knoten über den Boden.

Viele Grüße
Martin

Nabend Eugen,

MecFleih ist ja schon darauf eingegangen, daß das Thema so ad hoc in aller Präzision nicht zu beantworten ist.
Um Dir aber trotzdem eine Idee von realitischen Werten zu geben kann ich Dir die Werte für den A300 geben:
Im Geradeausflug brauchen wir ganz grob je 10kt Geschwindigkeitsdifferenz ca. 1NM Strecke (horizontaler Flug, Triebwerke Leerlauf). Um also von 330kts IAS auf 220kts IAS zu kommen brauchen wir ca. 11NM, also knapp 20km. Der Jumbo wird da etwa ähnlich liegen, die modernen Airbusse sind aerodynamisch besser und werden eher mehr Strecke brauchen.

Gruß,

Nabla

Vielen Dank zunächst einmal für die schnellen und guten Antworten!

Sicher, ich weiß, dass man so etwas nicht im normalen Passagierflug macht oder testet. Ich meinte die Frage auch eher in der Richtung:
„Was kann eine 747? Was hält sie aus? Gibt es Piloten, die solche Dinge mit (z.B.) einer 747 machen? Geht das dennoch irgendwie, auch wenn es nicht im Handbuch steht?“ usw.

Ich habe hier in der Gegend einmal eine Flugschau gesehen. Ich weiß nicht mehr welcher Jet es war, mag sein, dass es die MIG29 war: Das Manöver hieß „langsamster Überflug“. Wow! Extrem beeindruckend, muss ich schon sagen! Die Mig29 hat ja so oder so eine kräftige Stimme, die mir gefällt! Sie war wirklich langsam, deutlich langsamer, als sie beim Landeanflug ist. Dabei - schwer zu schätzen - aber ich denke mal so um die 15 Grad angestellt, also Nase nach oben. Triebwerke bei sehr hoher Leistung in ca. 30m Höhe. Die Bahn muss wohl danach trocken gewesen sein, vielleicht sogar warm. Sie klang äußerst angestrengt, aber überzeugend! Dann leichtes, genau kontrolliertes Abkippen der Nase nach unten, hohe Beschleunigung und dann senkrechter Aufstieg bis zum Stillstand, dann „messermäßig“ über die linke Seite abkippend, Übergang in den Außenlooping, Überflug in 30m Höhe auf dem Rücken usw.

Solche Dinge meinte ich. Durch extemes Anstellen bei höchster Leistung, also ein partielles „Reiten auf dem Strahl“ muss ein Flugzeug doch sehr langsam werden können, weil es ja auch nach vorne mit großer Widerstandsfläche „schiebt“. Ob das auch in großer Höhe geht, weiß ich allerdings nicht, vielleicht hilft die Bodennähe ja auch…?

Auch ein MIL-Jet braucht solche Dinge ja nicht für die Zwecke seines Daseins, aber er kann es eben doch - irgendwie. Und manche Piloten können es eben auch - irgendwie. Wenn ihm bei der Flugschau etwas fatal misslingt, dann gefährdet er auch viele-viele Menschen, so wie der 747-Pilot eben auch, klar. Aber darum ging es mir nicht. Mehr darum, ob es Erfahrungen solcher Art gibt, ob ein Groß-Jet das vielleicht doch kann (auf solche Art bremsen, dann wieder in Normallage gehen und mit Minimal-V weiterfliegen), ob es Gelegenheiten in der Luftfahrt gibt (bei der Erprobung?), wo solche Dinge ausnahmsweise einmal versucht werden. (Simulator?)

Klar: Ich möchte auch nicht drin sitzen, wenn jemand das probiert, und es noch nie vorher gemacht hat! Das gilt natürlich für jede ganz normale Landung auch…

Hallo,

„Was kann eine 747? Was hält sie aus? Gibt es Piloten, die
solche Dinge mit (z.B.) einer 747 machen? Geht das dennoch
irgendwie, auch wenn es nicht im Handbuch steht?“ usw.

Auch die jüngste 747-Generation hat schon ein paar Jährchen auf dem Buckel und bei ihrer Konstruktion waren die Möglichkeiten der Computersimulation noch nicht so ausgeprägt wie heute.

Trotzdem kann man auch heute viele Werte nicht allein theoretisch berechnen, sondern muß sie tatsächlich erfliegen. Das läuft ja schon seit Monaten mit verschiedenen Exemplaren des Airbus A380, Airbus hat momentan mehrere Flugzeuge in der Erprobung um zum einen Rechenwerte zu verifizieren oder andere Daten auszukundschaften, die sich nur real ermitteln lassen. Natürlich fliessen im Laufe der Zeit auch noch Daten ein, die die Airlines im praktischen Betrieb erfliegen, wobei das dann eher keine Extremwerte sind, denn im Normalbetrieb geht man ja freiwillig nicht an Grenzwerte heran.
Am Ende stehen dann die offiziellen Limits, die maximal möglich sind.

Bei verschiedenen Abstürzen und Unfällen zeigte sich daß Flugzeuge auch noch weit oberhalb der Grenzwerte funktionierten, aber da weiß irgendwann niemand mehr wann wo wirklich „Schluß“ ist - abgesehen eben von diesen Werten, die bei irgendwelchen Vorfällen unfreiwillig ermittelt wurden.
Triebwerksaufhängungen sind beispielsweise so konstruiert daß die Bolzen im absoluten Extremfall nachgeben bevor der Flügel bricht, ein verlorenes Triebwerk läßt immerhin noch eine leicht bessere Überlebenschance als wenn mit dem Triebwerk auch gleich der Flügel wegfliegt, falls solch eine Situation mal eintreten sollte.

Nichtsdestotrotz - wenn es so weit kommt schwimmt man auf dünnem Eis weil die Gewichtsbilanz völlig aus den Fugen gerät, das Flugzeug keinen Vortrieb mehr erzeugt, der Flügel wahrscheinlich trotzdem beschädigt werden wird und allein auch die auf den menschlichen Körper einwirkende biodynamische Belastung oft nicht überlebbar sein wird.

Das andere Problem ist aber daß unabhängig von rein strukturellen Problemen bei Kabinettstückchen wie dem, was Du ansprichst, z. B. ein Engine Stall droht. Das bedeutet daß das Triebwerk bei senkrechten Hochziehen des Fliegers mit abnehmender Geschwindigkeit irgendwann nicht mehr ausreichend mit Luft angeströmt wird und aussetzt.

Bei modernen Airbussen verhindert auch die Flight Envelope Protection daß extreme Manöver ausgeführt werden. Selbst wenn der Pilot den Stick maximal nach hinten ziehen würde, würde der Computer die max. Steigrate - je nach Klappenstellung und Geschwindigkeit - auf max. 30° beschränken. Ebenso jedes andere Manöver - alles, was dem System „nicht plausibel“ erscheint wird normalerweise abgeblockt (es gibt Ausnahmen, je nach „Law“, aber das würde jetzt zu weit führen…).

Gruß,

MecFleih

Hallo!

Danke für die ausführlichen Darstellungen!

Stimmt, an den Effekt, dass das Triebwerk immer weniger Atemluft
bekommt und dadurch die Leistung sinkt, hatte ich noch nicht gedacht!
Das war vielleicht auch der Grund für den „angestrengten“ Klang
damals. Offensichtlich können militärische Jets so einiges vertragen.
Des öfteren habe ich gesehen, wie sie (scheinbar…) ohne technische
Probleme senkrecht aufsteigen, bis zum Stillstand. Schließlich hat man
beim Anrollen ja auch noch keinen Vordruck am Lufteinlass, also steht
mindestens diese Leistung zur Verfügung - am Boden bei normalem
Luftdruck jedenfalls.

Ich war halt so beeindruckt von der ungeheuren Kraftentfaltung
beim „angestellten Schieben“, dass mir dadurch diese Gedanken kamen,
ob man auf diese Art eben bremsen könnte, ohne die Höhe zu ändern.
Dass solche Manöver nur etwas für geübte und „gehärtete“ Menschen
sind, ist auch klar. Mich als ungeübten würde ein Jet-Pilot
wahrscheinlich in der ersten Kurve in den Stand-by-Modus (heißt hier:
Ohnmacht) zwingen.

Dennoch: Phantastisch, was Menschen und ihre Maschinen so alles
hinkriegen. Völlig unabhängig vom vorgesehen Zweck der jeweiligen Maschinen - das wäre ein ganz anderes Thema - und es spielt für meine
Bewunderung, welche ich den Erbauern und Benutzern entgegen bringe, keine Rolle.

Vielen Dank nochmals!

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Hallo Eugen,

Eine B747 wird wenn die Höhe gehalten werden soll eigentlich nur durch Geschwindigkeit ( Triebwerksleistung ) gebremst.

Durch Klappen und Spoiler ( engl.: Luftbremse ) kann man zwar bremsen aber dann verliert man immer Höhe, da diese Geräte Widerstand erzeugen und den Auftrieb zerstören.

gruß