Hallo,
im Flug - sagen wir mal bei ca. 900 km/h - eigentlich bremsen,
ohne dabei die Flughöhe zu verändern?
Geschwindigkeitsangaben sind in der Fliegerei nicht so einfach wie auf dem Boden zu machen weil man zwischen der Geschwindigkeit gegenüber dem Boden und der im Verhältnis zur Umgebungsluft unterscheiden muß. Je nach den Wetter- (Wind-)Verhältnissen weichen beide mehr oder weniger voneinander ab.
Aerodynamisch interessiert nur die Airspeed, den Passagier interessiert eher die Groundspeed, die definiert wie schnell er von Stadt A in Stadt B kommt.
Des weiteren ändern sich die Luftdruckverhältnisse mit steigender Höhe, sodaß auch die Airspeed in unterschiedlicher Luftdichte unterschiedliche Werte zustande bringt…
Wie macht man das überhaupt?
Triebwerksleistung kurz auf Minimum, bis die geringstmögliche
Geschwindigkeit (fast) erreicht ist - und dann wieder
anpassen?
Nicht unbedingt auf Minimum, aber zumindest reduziert man die Leistung vorrübergehend.
Die Turbinen sind träge, klar, das muss man berücksichtigen
und im Gefühl haben. Oder rechnet das die Elektronik selbst
ständig mit
und warnt frühzeitig?
Die Elektronik ist das FMS (Flight Management System), das normalerweise ein komplexes laterales und vertikales Profil für den Flug abfliegt. Dieses Profil ist für regelmäßig bediente Strecken in den FMC’s (Flight Management Computer) hinterlegt und wird dann ggf. im Detail angepaßt wenn Veränderungen (Wetter etc.) für den aktuellen Flug nötig sind.
Ist die Route nicht hinterlegt programmiert man sie neu ein oder kann sie in der neuesten Flugzeuggeneration vom Dispatch abrufen - d. h. man bekommt die in der Flugplanung berechneten aktuellen Daten gleich in die FMC’s (Flight Management Computer) geschickt und muß nix mehr von Hand eintippen (gleichwohl sicherheitshalber überprüfen!).
Die laterale Information besagt dann über welche Strecke von A nach B geflogen werden soll, im vertikalen Profil ist hinterlegt wann wo wie gestiegen und gesunken werden soll. Das ganze ist angepaßt an Leistungsdaten des Flugzeugs beim aktuellen Wetter, dem jeweiligen Gewicht usw.
Weiterhin kann man einen sog. „Cost factor“ definieren - der bestimmt ob besonders ökonomisch oder eher „zügig“ geflogen werden soll - praktisch um z. B. bei Verspätungen Zeit aufzuholen.
Zusätzlich kann man „Geschwindigkeitsbegrenzungen“ definieren, auch das fließt in die Berechnungen ein.
Am Ende steht dann eine komplett berechnetes Flugprofil, das so abgeflogen werden kann und das man unterwegs flexibel verändert wenn seitens ATC (Flugsicherung) abweichende Anweisungen oder Abkürzungen gegeben werden.
Wie werden dabei die Leitwerke und Klappen eingestellt?
Welche Verwögerungswerte sind möglich?
Im normalen Reiseflug braucht man keine Klappen, die wirken nur im unteren Geschwindigkeitsbereich kurz vor/nach Start und Landung mit um dort den Auftrieb zu verbessern.
Natürlich ist so ein Manöver masseabhängig (also Beladung,
Tankfüllung, Ausrüstung usw.), das ist mir klar.
Sicher ist es auch flughöhenabhängig: Oben bremst’s sich
schlechter, oder?
Es spielen mehrere Faktoren mit, nämlich die Triebwerksleistung sowie Änderungen der Flughöhe in Abhängigkeit von Gewicht und Luftwiderstand. Normalerweise bewegt man sich nicht in Extremen, d. h. es reicht den Triebwerksschub auf Idle zu stellen während gleichzeitig ein Sinkflug eingeleitet wird.
Dabei kann man aber entweder eine feste Sinkrate vorgeben oder definieren daß eine bestimmte Geschwindigkeit gehalten werden soll und die Sinkrate dann flexibel ist, so wie es nötig ist um die gesetzte Geschwindigkeit zu halten.
Oft läuft es auch so daß das programmierte Streckenprofil vorgibt mit welchen Geschwindigkeiten und Sinkraten geflogen werden muß um die für bestimmte Punkte vorgegebenen Höhen und Geschwindigkeiten zu treffen - und das sowohl mit guten Passagierkomfort als auch möglichst ökonomisch und materialschonend.
Ich habe nicht die geringste Vorstellung, wie lange es von
z.B. 900 km/h auf z.B. 400 km/h dauern würde.
Welchen „Bremsweg“ braucht man dafür?
Das kann man schlecht so eindeutig sagen weil es eben eine Spannbreite gibt, je nach den aktuellen Werten des konkreten Fluges. Zu viele Faktoren spielen mit und man bremst ja auch nicht mit allen Möglichkeiten, sondern alles geht „smooth“ ineinander über…
Könnte man - theoretisch, sofern die Steuerlogik des Flugzeugs
das
zulassen würde - (so ein ganz klein wenig…;=)) die
Schubumkehr
verwenden?
Nein! Die Schubumkehr ist während des Fluges gesperrt, es wäre katastrophal wenn die unterwegs freigegeben würde. Das ist in den 1990er Jahren bei einer B767 der Lauda Air passiert und führte zum Absturz des Flugzeugs kurz nach dem Start in Bangkok: http://www.rvs.uni-bielefeld.de/publications/Inciden….
Spätere Berechnungen und Versuche im Windkanal und Flugsimulatoren zeigten daß die Aktivierung der Reverser zum Absturz führen mußte und es keine Chance mehr gab das Flugzeug noch zu retten nachdem die Schubumkehr aktiviert worden war.
Gruß,
MecFleih