Briefgeheimnis - mal wieder

Hallo Experten!

Schon oft wurde hier von verschiedenen Blickwinkeln nach dem Briefgeheimnis gefragt. Und genauso oft gab es widersprüchliche Meinungen.

Mein Problem: Häufig hört/liest man, dass Post, die an einen Mitarbeiter in einer Firma adressiert ist, unterschiedlich zu handhaben ist, je nachdem, ob Firma oder Empfänger zuerst genannt wird.

Also:

Herrn XY
ABC AG -> Empfänger muss den Brief ungeöffnet erhalten.

ABC AG
Herrn XY -> Poststelle kann den Brief öffnen und weiterleiten.

So weit, so gut.
Wo aber gibt es die entsprechende gesetzliche Vorschrift oder ein Urteil dazu?

Immer wieder berufen sich User und Autoren darauf, dass diese Regelung gesetzlich festgeschrieben sei. Ich konnte bisher nichts dazu finden - im Gegenteil:
Mir ist nur das Urteil des LAG Hamm vom 19.02.03 begegnet (AZ 14 Sa 1972/02), in dem ausdrücklich gesagt wird, dass nur ein Vermerk „persönlich“ bzw. „vertraulich“ sicherstellen kann, den Brief ungeöffnet zu erhalten …

Ich überarbeite gerade ein Lehrheft zur Geschäftskorrespondenz und möchte da natürlich keine unrichtigen Angaben drin stehen haben :wink:

Weiß jemand von Euch weiter??? Oder kann mir einen Link nennen?
Vielen Dank für Eure Antworten!

Frank

Diese Schreibweise ist in der DIN 5008 (Norm für Geschäftsbriefe) geregelt. In den Entsprechenden Ausbilungsberufen wird in der Berufsschule auch gelehrt, das die Briefe mit dem Namen über der Firma nicht geöffnet werden dürfen.

Diese Quelle hier sagt jedoch das Gegenteil:
http://www.din-5008-richtlinien.de/vertraulich.php

Es scheint also keine Gesetzliche Regelung zu geben, die vorschreibt, das die Briefe mit dem Namen über der Firma vertraulich sind. Über die DIN wird sich auch nach meinen Erfahrungen in vielen Betrieben Hinweggesetzt, in anderen wird sie streng befolgt. Wer sicher gehen will das Sein Brief nur vom Empfänger gelesen wird sollte „Persönlich“ oder "Vertraulich " darübersetzen

Das Urteil des LAG Hamm im Volltext
Einstweilige Verfügung gegen Öffnung und Kenntnisnahme von Eingangspost
StGB § 202; BGB § 823

Eingangspost, die neben der Adresse des Arbeitgebers auch den Namen des Arbeitnehmers aufweist, jedoch den Vermerk „persönlich“ oder „vertraulich“ vermissen lässt, darf ohne Verletzung gegen das Briefgeheimnis und das allgemeine Persönlichkeitsrecht vom Sekretariat des Geschäftsführers geöffnet werden. Ein Unterlassungsanspruch hiergegen besteht nicht. (Leitsatz der Redaktion)

LAG Hamm, Urteil vom 19. 2. 2003 - 14 Sa 1972/02 (ArbG Siegen, Urteil vom 19. 11. 2002 - 1 Ga 25/02)

Zum Sachverhalt:
Die Kl. verlangt im Wege der einstweiligen Verfügung, dass dem Bekl. die Öffnung und Kenntnisnahme bestimmter an sie gerichteter Postsendungen untersagt wird. Der Bekl. leitet als Geschäftsführer die Abteilung Aus- und Weiterbildung bei der I in S. Seit dem 1. 10. 2002 arbeitet die Kl. in dieser Abteilung als Referentin für Weiterbildung. Diese Funktion hat sie schon länger inne, sie war jedoch vorher einige Jahre der Abteilung Außenwirtschaft zugeordnet, deren Leiter der jetzt in Ruhestand befindliche Geschäftsführer D war. Bevor die Kl. der Abteilung Außenwirtschaft zugeordnet wurde, war sie schon einmal in der vom Bekl. geleiteten Abteilung tätig. Dort war es jedoch, wie jetzt wieder, zu Reibungen zwischen den Parteien gekommen. Anlass des vorliegenden Konflikts ist der Umstand, dass im Sekretariat des Bekl. die für die Kl. bestimmte Post auch dann geöffnet wird, wenn in der Anschrift der Name der Kl. erscheint, jedoch ein Vermerk „persönlich“ oder „vertraulich“ fehlt. Die Kl. beanstandet diese Vorgehensweise und will das Öffnen solcher Post untersagt wissen. Bei der I existiert eine Dienst- und Büroordnung, in deren Nr. 50 das Öffnen und Verteilen der Eingangspost geregelt ist. Hierin heißt es, dass „Postsendungen, die nur mit persönlicher Anschrift versehen sind, den Empfängern ungeöffnet sofort zugestellt werden“. Die Kl. sieht eingehende Post, die mit ihrem Namen adressiert ist, zugleich aber die I als Adresse angibt, als ihre Privatpost an, deren Öffnung ihr allein vorbehalten bleibe. Nachdem sie am 30. 10. und 4. 11. 2002 derartig an sie adressierte Briefe an ihrem Arbeitsplatz erhalten hatte, die jedoch geöffnet waren, und nachdem der Bekl. sich darauf berufen hatte, dass er ein Recht zur Öffnung solcher Post habe, hat die Kl. am 8. 11. 2002 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei dem ArbG Siegen gestellt.

Das ArbG hat dem Antrag stattgegeben. Die Berufung des Bekl. hatte Erfolg.

Aus den Gründen:

  1. Die einstweilige Verfügung war aufzuheben, allerdings nicht schon deswegen, weil die Kl. infolge der Kündigung nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz ist. Denn selbst, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wäre, wäre der Bekl. nicht berechtigt, an die Kl. adressierte Privatpost zu öffnen oder öffnen zu lassen.

Der Verfügungsanspruch der Kl. hat sich aber schon deshalb erledigt, weil jetzt eine Anordnung des Hauptgeschäftsführers vom 20. 11. 2002 existiert, wonach Post, welche namentlich an die Kl. gerichtet ist, nunmehr ungeöffnet an den Verwaltungsdirektor F übergeben wird. Dieser entscheidet nach der Dienstanordnung vom 20. 11. 2002 „über die weitere Vorgehensweise“. Das Öffnen oder Öffnenlassen von Post mit der streitbefangenen Adressierung liegt somit also jetzt nicht mehr im Zuständigkeitsbereich des Bekl. Der Streit hat sich somit in der Hauptsache erledigt.

  1. Darüber hinaus war aber auch der Verfügungsantrag der Kl. von vornherein nicht begründet. Die beantragte Unterlassung konnte sie nicht verlangen. Soweit die Kl. ihren Unterlassungsantrag damit begründet hat, der Bekl. verstoße durch das Öffnen der an sie adressierten Briefe gegen das Briefgeheimnis und verletze das Persönlichkeitsrecht, so dass gem. § 823 BGB die Unterlassungsanordnung geboten sei, kann dem nicht gefolgt werden.

  2. Eine Verletzung des Briefgeheimnisses i.S. des § 202 StGB liegt nur vor, wenn der Täter einen verschlossenen Brief öffnet (oder öffnen lässt), der nicht zu seiner Kenntnis bestimmt ist. Die Bestimmung trifft regelmäßig der Absender (vgl. Schönke/Schröder/Lenckner, StGB, 26.Aufl., § 202 Rdnr. 8). Bei einer Adressierung, wie sie im Streitfall vorliegt, geht der Absender regelmäßig davon aus, dass sein an die Dienststelle gerichteter Brief nach den dortigen Postgepflogenheiten behandelt wird, um dann an den Erstadressaten weitergeleitet zu werden. Zu den üblichen Gepflogenheiten von Behörden und Betrieben gehört es aber, dass die dort eingehende Post auf der zuständigen Poststelle geöffnet und mit einem Eingangsstempel versehen wird. Es sei denn, das betreffende Poststück enthält ausdrücklich eine persönliche Adressierung oder aus den sonstigen Umständen ist ersichtlich, dass der namentlich genannten Adressat privat oder persönlich gemeint ist. Dies kann durch den Zusatzvermerk „persönlich“ oder „vertraulich“ geschehen. Um solche Briefe geht es aber im vorliegenden Fall nicht. Die fraglichen Briefe an die Kl. waren weder als Privatpost gekennzeichnet noch konnte aus dem Absender oder durch spezielle Vermerke ersehen werden, dass die I als Mitadressat vertreten durch die hierfür bevollmächtigten Mitarbeiter keine Kenntnis vom Inhalt dieser Briefe haben sollte.

  3. Was die geltend gemachte Verletzung des Persönlichkeitsrechts angeht, so gilt hier auch das vorstehend Gesagte. Maßgebend wäre hier im Übrigen, ob die fraglichen Briefe von ihrem Inhalt her dargestellt waren, dass durch die Kenntnisnahme Dritter, insbesondere des Bekl., eine Beeinträchtigung der Individual-, Privat- oder Intimsphäre der Kl. drohte oder eintrat. In dieser Beziehung ist jedoch von der Kl. außer dem schlagwortartigen Begriff der Verletzung des Persönlichkeitsrechts nichts vorgetragen worden.

  4. Soweit die Kl. sich zur Begründung ihres Unterlassungsanspruchs auf die bei der I geltende Dienst- und Büroordnung beruft und deren Verletzung durch den Bekl. geltend macht, ist schon fraglich, ob Letzterer der für eine Unterlassungsverfügung richtige Adressat ist. Der Bekl. tritt in diesem Fall nicht als Privatperson auf, sondern nimmt Aufgaben seiner Arbeitgeberin wahr, so dass im Zweifelsfall diese die richtige Adressatin für eine Klage wäre mit dem Ziel, das nicht dienstgerechte Verhalten des Bekl. zu unterbinden.

Indessen bedarf es keiner vertieften Erörterung der Frage, ob für eine auf die Verletzung der Dienst- und Büroordnung gestützte Klage der Bekl. passivlegitimiert ist. Denn auch wenn diese Frage zu bejahen wäre, lag nach Meinung der Berufungskammer im Öffnen der Briefe vom 30. 10. 2002 und vom 4. 11. 2002 kein Zuwiderhandeln gegen Nr. 50 der Dienst- und Büroordnung. Nach dieser Regelung werden Postsendungen, die nur mit persönlicher Anschrift versehen sind, den Empfängern ungeöffnet sofort zugestellt. Die fraglichen Briefe trugen aber keine persönliche Anschrift, vielmehr war die I als zusätzlicher Adressat benannt. Bei einer solchen Adressierung geht, wie schon erwähnt, der Absender davon aus, dass die Post zunächst an die Dienststelle gelangt und dort behördenmäßig behandelt an die jeweils genannte Person weitergeleitet wird. Eine persönliche Adressierung im Sinne der genannten Vorschrift läge nur vor, wenn der Brief einen Persönlichkeits- oder Vertraulichkeitsvermerk enthalten hätte oder allein die Kl. als Empfängerin unter der Anschrift K in S. genannt wäre. Eine Adressierung wie im vorliegenden Fall besagt aber, dass die Kl. gerade als Mitarbeiterin der I und nicht als Privatperson gemeint war.

  1. Besteht schon nach alldem kein Verfügungsanspruch der Kl., so braucht auf die Frage des Verfügungsgrundes nicht näher eingegangen zu werden. Immerhin überrascht in diesem Zusammenhang, dass aus dem Vortrag der Kl. nicht erkenntlich ist, ob sie sich überhaupt behördenintern, also gegenüber dem Hauptgeschäftsführer oder mit Hilfe der Personalvertretung um eine Postbehandlung in ihrem Sinne bemüht hat. Immerhin gehört es zu den Aufgaben des Personalrats „Anregungen und Beschwerden von Beschäftigten entgegenzunehmen und, falls sie berechtigt erscheinen, durch Verhandlungen mit dem Leiter der Dienststelle auf ihre Erledigung hinzuwirken“ (§ 64 Nr. 5 NWPersVG).
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