Briefmarke - Aktie des kleinen Mannes

Hallo Fans,

vor Jahren gab es mal einen entsprechenden Spiegel-Artikel, in dem das Briefmarkensammeln als diskrete, vor dem Finanzamt sichere Geldanlage hochgelobt wurde.

Wenn ich bedenke, wie gläsern wir doch heute alle dank moderner Datenvernetzungen sind und welches „Bankgeheimnis“ wir ab 2005 noch haben, müsste doch die Briefmarke regen Zulauf haben.

Andererseits sammelt die Spaßgesellschaft lieber Kitsch und Käse, statt sich mit Geschichte und Besonderheiten von Raritäten bei Briefmarken zu befassen, die ja erst den echten Wert vom Markensammeln ausmachen.

Meine Frage: Wohin geht der Genosse Trend? Weiter zu Teddys und Pockemon (hoffentlich richtig geschrieben) oder doch eher zur diskreten Marke, der kein FA-Hai den Wert ansieht (im Gegensatz zum Wandteppich).

Möchte auch einen sozialkritischen Aspekt angeschnitten haben :smile:

Gruß
Richard

Hallo Fans,

vor Jahren gab es mal einen entsprechenden Spiegel-Artikel, in
dem das Briefmarkensammeln als diskrete, vor dem Finanzamt
sichere Geldanlage hochgelobt wurde.

Nun, das möchte ich stark anzweifeln. Wie auch bei einer Aktie, bildet sich der Wert aus dem Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage.
Wie du schon selbst schreibst, nimmt das Interesse an Briefmarken ab, so dass viele vererbte Sammlungen da sind, für die sich nur wenige interessieren (meistens Händler) und die auf Auktionen zerlegt werden und wohl kaum die fiktiven Wertangaben aus den Katalogen erreichen.

Wenn ich bedenke, wie gläsern wir doch heute alle dank
moderner Datenvernetzungen sind und welches „Bankgeheimnis“
wir ab 2005 noch haben, müsste doch die Briefmarke regen
Zulauf haben.

Andererseits sammelt die Spaßgesellschaft lieber Kitsch und
Käse, statt sich mit Geschichte und Besonderheiten von
Raritäten bei Briefmarken zu befassen, die ja erst den echten
Wert vom Markensammeln ausmachen.

Meine Frage: Wohin geht der Genosse Trend? Weiter zu Teddys
und Pockemon (hoffentlich richtig geschrieben) oder doch eher
zur diskreten Marke, der kein FA-Hai den Wert ansieht (im
Gegensatz zum Wandteppich).

Möchte auch einen sozialkritischen Aspekt angeschnitten haben

-)

Gruß
Richard

Meiner Meinung nach sammeln die meisten Briefmarkensammler auch mehr aus Spass an der Freude als nur wegen der Wertansammlung!
Bei dem Freizeitangebot heutzutage erscheint Briefmarkensammeln doch eher nicht so interessant.

Gruß
armstein

Hallo Armstein,

Briefmarken werden freilich nicht an einer Börse gehandelt, das Wort Aktie war wohl etwas übertrieben:

Nun, das möchte ich stark anzweifeln. Wie auch bei einer
Aktie, bildet sich der Wert aus dem Verhältnis zwischen
Angebot und Nachfrage.

Schon klar, nur sind diese Altherrenriegen bei den Philatelieverbänden wohl kaum in der Lage, das Image von Briefmarken zu verbessern.

Wie du schon selbst schreibst, nimmt das Interesse an
Briefmarken ab, so dass viele vererbte Sammlungen da sind, für
die sich nur wenige interessieren (meistens Händler) und die
auf Auktionen zerlegt werden und wohl kaum die fiktiven
Wertangaben aus den Katalogen erreichen.

Die Kathalogpreise waren schon immer zu hoch. Man begründet das so, dass je nach Erhaltung und Nachfrage es schon mal zu solchen Höchstpreisen kommen kann. Und das stimmt sogar: In USA zum Beispiel werden Hitlermarken mit den bekannten Hakenkreuzen zu Höchstpreisen abgenommen (offenbar verboten, selbst ich kann bei Ebay.com mir keine „Nazi“-Marken anschauen, irgenwie haben ja die Amis nicht Alle an der Waffel), selbst ein Zwischenhändler bezahlte mir Preise über dem Kathalogwert.

Meiner Meinung nach sammeln die meisten Briefmarkensammler
auch mehr aus Spass an der Freude als nur wegen der
Wertansammlung!

Das stimmte zumindest nicht in der Nachkriegszeit. Mein Onkel gab fast sein gesamtes Geld für Doubletten aus, immer wieder die gleichen Marken, weil er sicher war, dass sie an Wert steigen würden: er war selbst bei der Post und kannte die Auflagen. Je weniger Auflage, desto mehr Wertsteigerung war zu erwarten.

Bei dem Freizeitangebot heutzutage erscheint
Briefmarkensammeln doch eher nicht so interessant.

Ja, wenn man es unter dem Freizeitaspekt betrachtet, werden wohl heutzutage weniger Jugendliche zu den Marken greifen. In irgendso einem Computerspiel rumballern (und sei es nur das Mohrhuhn), ist ja wohl auch spannender, aber nicht bildender. Deshalb sollte man die Marken eher unter dem Aspekt der Wertanlage neu betrachten, weil es in Zukunft kaum noch Marken geben wird. Es wird gemailt, telefoniert, gefaxt, alle Messenger und Chatformen samt Internettelfonie. Aber wer schreibt schon einen Brief? Die Werbefuzzis verwenden bestenfalls Freistempler. Aber richtige Marken sterben allmählich aus.

Ich bin daher sicher, dass in 10-20 Jahren die alten Briefmarken sauteuer sein werden, weil eben ein natürlicher Schwund durch falsche Lagerung und/oder Handhabung permanent gegeben ist. Das Angebot wird also schrumpfen, und damit der Wert automatisch steigen.

Ganz unabhängig davon haben etwa 10% aller Marken (das sind die Rosinen) schon immer ihren Wert behalten bzw. sind gestiegen, ähnlich seltenen Kunstwerken.

Gruß
Richard

Wie Du in Deiner Überschrift schon richtig zitierst, Richard, sind die (gesammelten) Briefmarken die Aktien des KLEINEN Mannes. Und mit KLEIN ist ja hier nicht der ärmere Mensch, im Sinne von sozial schwach, gemeint, sondern auch der KLEINbürger, vulgo der kleine Spießer. Dem Briefmarkensammler haftet ja nicht ohne Grund dieses Image an. Leicht verklemmt sagte dieser endlich zu der Frau seiner Träume: „Darf ich Dir mal meine Briefmarken-Sammlung zeigen?“
Es ist ein bißchen wie mit dem Mann mit dem kleinen Hut in seinem kleinen Audi. Nun hat Audi allerdings mit der Kraft von vielen Designern, Managern und Werbefuzzis sein Image gewechselt. Audi hats geschafft. Aber so ein Image wechselt sich schwer. Der Zeitgeist pantscht da kräftig mit. Den Briefmarken-Sammlern gebe ich wenig Chancen zum Image-Wechsel.
Gruß, Branden

Auweh, Herr Doktor, da haben Sie aber sämtliche Vorurteile zusammengekramt, die es über die Briefmarkensammler so gibt, und schütten sie uns vor die Füße. Ob das hilfreich ist?

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Auweh, Herr Doktor, da haben Sie aber sämtliche Vorurteile
zusammengekramt, die es über die Briefmarkensammler so gibt,
und schütten sie uns vor die Füße. Ob das hilfreich ist?

Hilfreich oder nicht, Erich, was hilfts :wink: … Augenöffnen ist oft nicht angenehm nach dem Winterschlaf. Ich hab selber mal kurze Zeit Biefmarken gesammelt, so 1959 bis 1962 oder so, das darf man ja dann auch in dem zarten Alter. Aber schau Dich doch mal um unter den „erwachsenen“ Briefmarkensammlern! Wenn Du nicht selbst dazu gehörst, wirst Du meine gesammelten Vorurteile bestätigt finden. Si etwa wie Dr.Murkes gesammeltes Schweigen.
Es grüßt Dich Böll äh Branden

Tja, lieber Dr. Brandes,

da haben Sie einfach zu früh aufgehört und die Chancen nicht genutzt, die im Briefmarkensammeln stecken.

Ich habe auch in „zarten Alter“ angefangen, allerdings nicht nach 3 Jahren aufgehört. Ich habe zuerst natürlich auch gedacht, wenn ich mir immer die neuen Marken bei der Post hole - später habe ich sie einige Zeit abonniert - dann habe ich einmal eine komplette und wertvolle Sammlung. Nach kurzer Zeit aber war mir klar, daß das sicher zu nichts führt: Wenn alle das Gleiche sammeln, hat doch jeder dann schon alles, genau so komplett wie ich. Wer also sollte dann noch Interesse an meiner Sammlung haben?

Also muß der Reiz ganz woanders liegen: Man könnte sich ein interessantes Gebietz aussuchen, das nicht so viele andere auch sammeln, und die Marken vielleicht im Tausch mit einem Partner in diesem Land erwerben.

Gesagt, getan. Ich gab eine Anzeige auf: „Tauschpartner in der Türkei und Iran gesucht“. Diese Länder hatte ich nämlich mit 19 Jahren das erste Mal auf eigene Faust per Bahn und anderen örtlichen Verkehrsmitteln (Bus, Schiff, Dolmusch und auch Taxi) erkundet (6 Wochen hatten zwei Freunde und ich dafür Zeit, und wir brauchten pro Kopf jeder insgesamt 650 Mark dafür). Das war damals, 1964, noch eine „Expedition“, lange vor der Zeit, als die Türkei ein bevorzugtes Reiseland war, als in Istanbul das "Goldene Horn noch eine stinkende Kloake und Side, Alanya und Kars noch echte „Fischerdörfer“ waren…

Ich fand dann tatsächlich einen Tauschpartner in Istanbul auf meine Anzeige hin, den ich in den folgenden Jahren auch, jeweils am Anfang und Ende weiterer Rundreisen in der Gegend, mehrfach besuchte, und von ihm konnte ich nach und nach nicht nur die jeweils neuesten türkischen Marken, sondern auch die wirklich interessanten Briefmarken aus der Zeit des Osmanischen Reiches erwerben, so daß ich heute, bis auf wenige Ausnahmen, eine weitestgehend vollständige Türkei-Sammlung habe. In Iran hat’s nicht so gut geklappt mit Briefmarken; da habe ich mich dann ein bißchen mit Teppichen befaßt…

Das Wichtigst: Die „Aktie“, also der Wert steckt nicht im Geldwert, den die Sammlung heute hat, sondern darin, was ich durch das Sammeln bis heute alles dazugelernt habe: Freundschaft, Verständnis für Probleme von Leuten in anderen Ländern. Ich weiß zum Beispiel auf Grund eigener Erfahrungen (und natürlich der Lektüre des Koran), daß „der Islam“ nicht das Problem ist, sondern die Fanatiker aller Couleur (haben Sie schon mal mit einem katholischen „Fundi“ diskutiert? Das ist die absolut gleiche Wolle, aus der man da gestrickt ist)! Stellen Sie sich vor, der Papst hätte bei uns die Macht und den Einfluß, den die Ayatollahs in Iran derzeit ausüben! Halbgebildete Ayatollahs sind nicht besser oder schlechter als christliche Fanatiker gleicher Qualität, die am liebsten wieder einen Kreuzzug anzetteln würden (wobei sie dann wegen der Schätze des Vatikans heute vielleicht Rom erobern würden, so wie es die Kreuzritter seinerzeit mit der nachgewiesenermaßen christlichen Stadt Konstantinopel gemacht haben). Seid’s mir nicht böse, aber so war’s halt.

Entschuldigen Sie die Abschweifung. Ich will nur sagen, daß ich durch das Sammeln von Briefmarken einiges gelernt habe, insbesondere, daß Deutschland nicht der Nabel der Welt ist, und daß auf dem Schild, das einer vor sich her trägt, oft was ganz anderes steht als das, was er wirklich im Schilde führt.

Wenn man mit Briefmarken wirklich Geld verdienen will, muß man sich - wie in allen anderen Hobbies und Spotarten auch - erst einmal kundig machen, üben, trainieren, informieren.

Regel Nummer eins: Ich darf nicht das sammeln, was alle sammeln; wenn ich nur die Neuheiten von der Post schicken lasse oder am Postamt kaufe und die ins Album stecke, kann ich gar nicht so alt werden, daß ich eine Preissteigerung erlebe.

Regel Nummer zwei: Ich muß mich auf ein Gebiet beschränken und mir darüber ein fundiertes Wissen aneignen. Das kann ein Land sein, besser ein begrenzter Abschnitt (z.B. 1860 bis 1920, oder, um bei Deutschland zu bleiben, Inflationszeit, oder etwas „Exotisches“ wie
„Ostrumelien“ oder von mir aus „Indische Vertragsstaaten“. Deutsche Sammelgebiete eignen sich natürlich auch; DDR-Freimarken, Bund-Automatenmarken, Bund-„Sehenswürdigkeiten“ in allen möglichen Ausgabeformen (Rollenmarken, Selbstkleber, Papierunterschiede). Man muß gar nicht im „höheren“ bis „höchsten Rang“ mitmischen wollen: Erste Ausgaben Mauritius, British Guiana oder so (das ist ja auch längst nicht mehr die „Kleine-Mann-Liga“). Das Wichtigste ist, sich zu informieren: Was ist selten, interessant und außergewöhnlich? Man muß etwas tun, nämlich: sich kundig machen.

Und ebenso wichtig: Der Gewinn liegt im Einkauf, das weiß jeder Kaufmann. Das heißt aber nicht „billig“. Billig allein ist dämlich und oft auch minderwertig. Das Wesentlichste ist die Qualität, also die fehlerfreie Erhaltung der Marken, auch hier möglichst mit ein paar werterhöhenden Besonderheiten: Eckrandstück, Bogenrand mit Nummer, Farbbalken, Reihenzähler etc… Das darf dann auch im Einkauf etwas mehr kosten. Allerdings, wie gesagt, sollte man darauf achten, wo man kauft und was der verlangt. Da soote man dann ruhig auf günstigere Anbieter zurückgreifen, die dieselbe Qualität zu vorteilhafteren Preisen verkaufen…

Meine besten Erfahrungen habe ich in meiner inzwischen 50jährigen Sammeltätigkeit mit erfahrenen Sammlern im jeweiligen Land gemacht, aber auch mit Tauschpartnern in Vereinen und mit einigen wirklich seriösen Händlern. Das hat allerdings auch meine Reisetätigkeit angefacht: In der Türkei war ich in den vergangenen 40 Jahren wohl schon 20mal, in Iran - mit politisch bedingten Pausen - immerhin auch schon 8mal. Das Allerwichtigst: Ich habe dort inzwischen echte Freunde, mit denen ich auch privat korrespondiere und die mich bei jedem neuen Besuch auch als Freunde begrüßen. In Ürgüp in Kappadokien wurde meine Ankunft schon mal über den Stadtlautsprecher verkündet…
Stubenhocker? Paßt das in Ihr Bild?

Zusammenfassend: Was ich von der Türkei an Briefmarken erworben habe, hat im Schnitt um 200% nicht nur an Katalogwert zugelegt, wobei manche der schon immer etwas teureren Werte noch weitaus stärker angezogen haben. Es gibt ja inzwischen deutlich mehr Türkei-Sammler und dadurch ist die Nachfrage gestiegen - und auf Grund der knappen Angebote im Handel ebenauch der Preis. Als ich angefangen habe, hat man mir die Türkei-Marken auch im Briefmarkenhandel praktisch „nachgeschmissen“: Wer wollte schon sowas sammeln, als der deutsche „Posthornsatz“ in schwindelnde Höhen geklettert war (und danach in den Keller gefallen ist). Wie gesagt: Pure Spekulation ohne Hintergrundwissen führt zu nichts.

Um aber nochmals auf das Thema: „Aktien des kleinen Mannes“ zurückzukommen: Dieses Motto war schon immer Unfug, wie die meisten Wertsteigerungs-Versprechungen (die man inzwischen sogar von der Deutschen Post AG aufgetischt bekommt. Wer keine Ahnung hat und nicht selber aktiv wird und sich schlau macht, sollte die Finger von der Philatelie lassen. Man sollte die Philatelisten - und es gibt inzwischen auch wieder eine achtbare „junge Riege“, nicht bloß so alte Dackel wie Sie und mich, die sich für das Thema interessieren -
mit dem Beispiel „Darf ich dir meine Briefmarkensammlung zeigen?“ in eine Deppenschublade stecken, in die sie beileibe nicht gehören.

Es gibt ja auch durchaus interessante Angebote inzwischen, die beim Aufbau einer „ausgefallenen“ Sammlung helfen können. Ich denke dabei an den MICHEL-Online-Katalog (www.michel.de), wo man für ein paar Euro monatlich in dem gesamten Weltkatalog nach Briefmarken zu jedem beliebigen Thema stöbern kann. Thematik-Sammler haben das inzwischen zu Zig-Tausend aufgegriffen und nutzen es, zum Beispiel zu „Eisenbahn“ oder auch zu irgendeinem beliebigen Begriff wie „Trachten“ oder von mir aus auch „Aids“ oder „Steinpilz“ weltweit alle Marken zum Thema zu finden. Macht doch Spaß, oder? Und ist bestimmt nix ausschließlich für Stubenhocker.

„Aktie des kleinen Mannes“ ist nicht etwas, das man so eng sehen sollte, eher als „Talent“ auch für den Mann mit wenig Geld, der das (selbst wenn man das Sammeln von Briefmarken ausschließlich auf diesen finanziellen Aspekt reduziert, was eigentlich aber Blödsinn ist) mit Hilfe seines intelligenten Umgangs mit Briefmarken durchaus auch vermehren kann. Ohne den Einsatz von Intelligenz sehe ich allerdings auch schwarz. Aber das ist bei „richtigen“ Aktien wohl auch nicht anders…

Erich H. Slaby

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