BU Versicherung - Gutachten

Hallo zusammen,

ein Versicherungsnehmer (VN) hat eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BUV) abgeschlossen. Der Versicherungsfall ist eingetreten die Versicherung (VS) muss - und tut es auch -, die Leistung erbringen. Die BUV ist ohne abstrakten Verweis. Der VN geht nun einer neuen - zum alten Beruf inkohärenten - Tätigkeit nach. (Der Verdienst ist ca. 25 % unter dem des alten Berufes) Die VS will nun einen Sachverständigen beauftragen ein „berufskundliches Gutachten“ zu erstellen.

  1. Was ist ein solches und
  2. welcher Gutachter (welche Art) fertigt ein solches Gutachten?
  3. Kann die VS ihre Leistungen solange einstellen bis der Gutachter dem VN
    die Rechtmäßigkeit des Erhalts attestiert. Oder
  4. muss sie Ihre Leistung solange erbringen, bis derselbe Gutachter sagt, dass die Leistung zu Unrecht erbracht wird?
    (Unabhängig davon, dass der Gutachter nicht entscheidet; aber ich unterstelle, die VS wird sich bei entsprechendem Ergebnis auf ihn berufen)

Wie sind also die Leistungsmodalitäten? Was sagt das VVG dazu?
Und zum Schluss:
5. wie rechtsverbindlich sind diese Gutachten?

Ich kann mir vorstellen, dass, solange es kein gerichtlich beauftragter Gutachter war, dieses (gefälligkeits-) Gutachten wertlos ist. Vorstellung aber, ist eine Art von Nichtwissen…

Danke und Gruß
rollifern

Ich bin ganz ehrlich - ich habe das nur überflogen und gebe kurz mein Statement dazu.

Der Versicher will prüfen ob er die sogenannte „konkrete Verweisung“ anwenden kann.

Ein Gutachten ist niemals rechtsverbindlich, solange es kein vom Gericht beauftragter Gutachter ist (und selbst dann ist es nur eine Entscheidungshilfe).

Die Versicherung KÖNNTE nun feststellen, dass die bedingungsgemäße (hierzu bitte selbst in den eigenen Versicherungsbedingungen unter dem Punkt Verweisung nachschauen) konkrete Verweisung möglich ist. Dann würde sie die Rentenzahlung einstellen.

Dagegen kann man natürlich auch als letztes Mittel klagen.

Ich würde mir bei vorhandener Rechtsschutzversicherung mal einen Termin beim Anwalt machen.

Viele Grüße vom unabhängigen Versicherungsmakler aus Saarbrücken
Claude Burgard
http://www.versicherung-saarland.de

zur konkreten Verweisung …
Hallo,

wie der Kollege schon richtig schrieb, geht es hier um die Möglichkeit der konkreten Verweisung. Darunter ist zu verstehen, dass der Versicherer - sofern nicht bedingungsgemäß ausgeschlossen - die Leistung einstellen kann, wenn der Versicherte eine andere Berufstätigkeit tatsächlich ausübt , die nach Ausbildung, Erfahrung und Lebensstellung der bisherigen Tätigkeit entspricht.

Bei den Punkten Ausbildung und Erfahrung können, das hängt von den Vertragsbedingungen ab, neu erworbene Qualifikationen (z.B. Umschulung) zum Nachteil des Versicherten berücksichtigt werden.

Beim Kriterium Lebensstellung kommt es sowohl auf den sozialen Status als auch auf das tatsächlich erzielte Einkommen an. Demnach muss ein Arzt nicht als Krankenpfleger arbeiten, nicht einmal zu gleicher Bezahlung. Geht es bei gewahrtem sozialen Status um die zumutbare Einkommensminderung, kommen Vertragsbedingungen und höchstrichterliche Entscheidungen ins Spiel. Bis zu 20% Minderung gelten i.d.R. als zumutbar. Bekannt ist jedoch auch ein Fall eines allein verdienenden Familienvaters, für den 14% Minderung nicht (!) zumutbar waren, so entschied der BGH.

Das berufskundliche Gutachten dient der Feststellung von relevanten Umständen der neuen Berufstätigkeit im Verhältnis zum alten Beruf und der Lebensstellung in gesunden Tagen. Es könnte also zum Gutachter- und Rechtsstreit kommen.

Der Rat, die Rechtsschutzversicherung zu bemühen ist richtig. Man sollte als Anwalt jedoch keinesfalls eine „hoffnungsvolle Nachwuchskraft“ engagieren, sondern einen (auch beim Versicherer) bekannten Spezialisten für BU-Sachen beauftragen.

Eine Rechtsschutzversicherung ist grudnsätzlich eine gute Ergänzung zur BU. Wer erst nach dem Leistungsfall einen Vertrag abschließt, um für Nachprüfungsverfahren gewappnet zu sein, muss darauf achten, dass im Vertrag die sog. „Folgeereignis-Theorie“ vereinbart ist.

Viele Grüße
oscar.

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Muss eine VS Ihre Leistung (monatliche Rentenzahlung) solange erbringen, bis ein - im Falle eines Rechtsstreits u. U. letztinstanzliches - Urteil gefällt ist, oder darf sie schon vorher - weil sie der Meinung ist der Versicherungsfall sei durch die neue Tätigkeit nicht mehr gegeben -, ihre Leistung einstellen?

… grundsätzlich kann jeder, der eine vertragliche Zahlungsverpflichtung hat, jederzeit die Zahlung einstellen. Nur wenn der Zahlungsberechtigte einen vollstreckbaren Titel hat, kann er die Zahlung erzwingen.

Im laufenden BU-Leistungsbezug kann der Versicherer zudem ein Nachprüfungsverfahren (NPV) einleiten, so wie im beschriebenen Fall. Entscheidet der Versicherer die Leistung einzustellen, weil nach seiner Ansicht keine BU mehr vorliegt oder weil er konkret verweisen kann, kann der Versicherte dagegen vor Gericht Klage einreichen. Deshalb ist auch zu empfehlen, rechtzeitig eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, vgl. vorheriger Beitrag.

Im NPV liegt - im Gegensatz zur Erstprüfung - die Beweislast beim Versicherer.

Viele Grüße
oscar.

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konkret…
Eine Krankenschwester mit 2 Fachexamina arbeitet in einem Beruf den es offiziell (eigentlich) gar nicht gibt; in der Administration als „medizinische Kodierfachkraft“. Ist ein Verweis gerechtfertigt?

Hi

Eine Krankenschwester mit 2 Fachexamina arbeitet in einem
Beruf den es offiziell (eigentlich) gar nicht gibt; in der
Administration als „medizinische Kodierfachkraft“. Ist ein
Verweis gerechtfertigt?

Wie schaut es denn mit dem Einkommen aus? Verdient Sie dort da gleiche wie in Ihrer alten Tätigkeit?

Grüße

zahao

Hallo,

maßgebend ist nicht nur der Beruf, sondern auch das mtl. Einkommen.

Auszug aus Tarifbedingungen:

Unzumutbar ist dabei in der Regel eine Einkommensminderung von 20 % oder mehr gegenüber dem jährlichen Bruttoeinkommen im zuletzt ausgeübten Beruf, wobei die individuellen Gegebenheiten sowie die höchstrichterliche Rechtsprechung zu berücksichtigen sind. Im begründeten Einzelfall kann auch eine unter 20 % liegende Einkommensminderung unzumutbar sein. Auf eine abstrakte Verweisung
wird verzichtet.

Gruß Merger

Lieber Fragesteller,

Anrede und Gruß werden auch in diesem Forum gern gesehen!

Ob ein Beruf i.S. der BU-Bedingungen existiert, ist nicht davon abhängig, ob es eine gezielte Berufsausbildung dazu gibt. Der Beruf „medizinische Kodierfachkraft“ existiert definitiv.

Leider fehlen uns zur Beantwortung der Frage wesentliche Angaben. Wann ist BU eingetreten, wann erfolgte der Berufswechsel und aus welchem Grund? Danach entscheidet sich zunächst, auf welchen Beruf zu prüfen ist. Wenn (auch oder nur) auf den neuen Beruf zu prüfen ist, stellt sich die Frage der Verweisung erst garnicht.

Grüße
oscar.

Lieber Fragesteller,

Lieber Oscar,

Anrede und Gruß werden auch in diesem Forum gern gesehen!

da bin ich ganz bei dir…schau bitte in mein Ursprungspost! Allerdings bin ich (und nicht nur ich) der Meinung, es nicht in jedem Posting und das den ganzen Thread hindurch, machen zu müssen, erst recht nicht im Dialog mit denselben Leuten.

Der Beruf „medizinische Kodierfachkraft“ existiert definitiv.

Ok, ich will jetzt keine Haarspalterei betreiben; ersetzen wir das Wort Beruf durch Tätigkeit. Es gibt nicht nur keine bestimmte Berufsausbildung, sondern auch keine offizielle Berufsbezeichnung für diese Tätigkeit…

Leider fehlen uns zur Beantwortung der Frage wesentliche
Angaben. Wann ist BU eingetreten…

Seit 2009 berufsgenossenschaftlich anerkannte Berufserkrankung (Haut)

wann erfolgte der Berufswechsel und aus welchem Grund?

2012, siehe oben

Grüße
oscar.

Viele Grüße
rollifern

Lieber Rollifern,

ein Beruf ist ein Bündel von Tätigkeiten, die fachspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern. So lautet die Definition der Bundesagentur für Arbeit.

Der beschriebene Fall sieht sehr nach einem sogenannten leidensbedingten Berufswechsel aus.

Dabei ist zunächst zu untersuchen, auf welchen Beruf bei einem Leistungsantrag geprüft würde. Sofern der leidensbedingt Berufswechsel nicht ausdrücklich positiv in den Bedingungen geregelt ist, wird primär auf den zuletzt ausgeübten Beruf „medizinische Kodierfachkraft“ geprüft. Es kommt dann erst garnicht zur Verweisung.

Besteht eine positive Regelung, wird zunächst auf den Beruf „Krankenpflegerin“ geprüft. Liegt BU vor, kann auf konkrete Verweisung geprüft werden.

Kriterien:

  • Ausbildung und Erfahrung: sehr wahrscheinlich erfüllt

  • Lebensstellung: sehr wahrscheinlich erfüllt

  • Einkommen: i.d.R. 20% Einbuße hinzunehmen, vgl. andere Postings

Viele Grüße
oscar.