Buchreligion

Hallo,
war das Christentum eigentlich schon immer eine Buchreligion?
Wie war das, als die meisten Leute die Bibel nicht lesen konnten? Wie wurden Glaubensinhalte da vermittelt?
Gruß
Manfred

Hallo Manfred,

war das Christentum eigentlich schon immer eine Buchreligion?
Wie war das, als die meisten Leute die Bibel nicht lesen
konnten? Wie wurden Glaubensinhalte da vermittelt?

der Ausdruck „Buchreligion“ kommt daher, dass die Religionsinhalte in einem Buch festgeschrieben sind.

Der Ursprung des Christentums wurzelt im Judentum, das als erste Buchreligion gilt. Die Thora ist das „Buch“, auch wenn sie ursprünglich aus verschiedenen Schriftrollen bestand.

Darauf aufbauend entwickelte sich das Christentum, das hauptsächlich auf den vier Evangelien (Schriften der Evangelisten) und den Briefen des Paulus basiert.

Als dritte Buchreligion gilt noch der Islam (Koran).

Natürlich gab es immer Leute, die nicht lesen konnten.
Denen wurde eben der Inhalt vorgelesen.

Gruss Harald

Noch eine kurze Anmerkung zur Zuordnung des Christentums zu den „Buchreligionen“:

Im Gegensatz zum Islam und zum Judentum, welche ihre Heiligen Bücher (Koran und Tora) als direkt von Gott gegeben bzw. unhinterfragbar betrachten, ist die Bibel im Christentum eher ein Buch, welches zwar von den Erfahrungen von Menschen mit Gott berichtet, jedoch nicht genauso von Gott gegeben ist.
Es ist von Menschenhand geschrieben, und deshalb ist es auch erlaubt, Fragen nach Entstehung, Echtheit und Zuverlässigkeit der Überlieferung zu stellen, sogar innerhalb der christlichen Theologie.
Anders gesagt: Die Bibel ist nicht verbalinspiriert (wie z.B. der Koran, der nach muslimischer Auffassung in seinem genauen Wortlaut vom Engel Gabriel Mohammed diktiert wurde), sondern realinspiriert.

Das Verhältnis der einzelnen monotheistischen Religionen wird meiner Meinung nach am besten durch einen Satz des frz. Philosophen und Religionswissenschaftlers Prof. Dr. Rémi Brague (Sorbonne) dargestellt:

„Die Religion Israels ist eine Geschichte, die zu einem Buch führt, das Christentum ist eine Geschichte, die in einem Buch wiedergegeben wird, und der Islam ist ein Buch, das in eine Geschichte mündet.“
(Communio 2/2007)

Brague will also damit sagen, dass die Geschichten in der christlichen Bibel nur wiedergegeben werden, sie sind nicht direkter Bericht verschiedener Begebenheit (Judentum), und steht erst recht nicht am Anfang der Religion.

Deshalb wäre ich bei der Zuordnung zumindest einmal vorsichtig, weil das Verhältnis zum Buch im Christentum eben anders ist als bei den anderen monotheistischen Religionen.

Gruß
Nathan

Hallo Harald

Darauf aufbauend entwickelte sich das Christentum, das
hauptsächlich auf den vier Evangelien (Schriften der
Evangelisten) und den Briefen des Paulus basiert.

das Christentum war ursprünglich keine Buchreligion und ist es
genaugenommen heute auch nicht.
Wie definierst Du Buchreligion ?
Ist dies nicht eine Religion welche ihre Heilsverheißung
an die Erfüllung der „Schriftgebote“ (weitgehend)koppelt ?
Ist nicht die Botschaft von Jesus gerade dadurch gekennzeichnet,
daß das Heil eben durch die „Erlösungsgnade“ und ihre Annahme(Glaube?)
sowie die Erfüllung des „einen Gebotes“ verheißen wird ?
Die „Schrift“ braucht es dazu nicht.
Daß die Botschaft irgendwann mal aufgezeichnet wurde und auch
als Bücher Eingang in die Religion fand tut dem keinen Abruch.
Die kath.Kirche hat deshalb immer auch die Überlieferung als
Grundlage ihrer Lehre hingestellt.
Da diese Überlieferung den protestantischen Kirchen und ihren vielen
Aufsplitterungen fehlt wird dort meist die Schrift als alleinige
Quelle der Lehre hochgehalten doch auch dort das „Heil“ nicht
unbedingt an die starre Erfüllung der Schriftgebote gebunden.
Wenn nur die „Kenntnis“ über die Botschaft (wo soll sie sonst heute
herkommen) heute aus dem NT bezogen wird so macht dies das
Christentum nicht zur Buchreligion.
Das unterscheidet es gravierend vom Judentum und dem Islam.
Gruß VIKTOR

Hallo Viktor,

das Christentum war ursprünglich keine Buchreligion und ist es
genaugenommen heute auch nicht.
Wie definierst Du Buchreligion ?

ich dachte, ich hätte es eben zum Ausdruck gebracht.
Buchreligion deshalb, weil die Inhalte der Religion in einem Buch (Schriftstück) aufgeschrieben sind.

Ist dies nicht eine Religion welche ihre Heilsverheißung
an die Erfüllung der „Schriftgebote“ (weitgehend)koppelt ?

Ich meine, dass das Heil durch die Erfüllung der Schrift gekommen ist.
Von daher ist die Schrift des AT (=Prophetie) Voraussetzung für das Christentum.

Ist nicht die Botschaft von Jesus gerade dadurch gekennzeichnet,
daß das Heil eben durch die „Erlösungsgnade“ und ihre Annahme
(Glaube?) sowie die Erfüllung des „einen Gebotes“ verheißen wird ?
Die „Schrift“ braucht es dazu nicht.

Und warum sagt Paulus:
Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was dir anvertraut ist; du weißt ja, von wem du gelernt hast und dass du von Kind auf die Heilige Schrift kennst, die dich unterweisen kann zur Seligkeit durch den Glauben an Christus Jesus. Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem guten Werk geschickt.“ (2.Tim.3,14-17)?

Daß die Botschaft irgendwann mal aufgezeichnet wurde und auch
als Bücher Eingang in die Religion fand tut dem keinen Abruch.

Ich denke, Du unterschätzt den Wert des geschriebenen Wortes.
Es waren doch die Briefe des Paulus, die die Gemeindestruktur der ersten Christen geprägt haben.

Und wenn der Brief bei euch gelesen ist, so sorgt dafür, dass er auch in der Gemeinde von Laodizea gelesen wird und dass ihr auch den von Laodizea lest.“ (Kol.4,16)

Gruss Harald

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Hallo,

war das Christentum eigentlich schon immer eine Buchreligion?

zumindest wurde sie etwa seit dem 7. Jh. so bezeichnet.
Die Heiligen Schriften gibt es aber schon länger als 2000 Jahre.

Wie war das, als die meisten Leute die Bibel nicht lesen
konnten?

Das spielt für die Bezeichnung als Buchreligion keine Rolle.

Wie wurden Glaubensinhalte da vermittelt?

Durch Prededigten über und Vorlesen aus der Bibel.
http://de.wikipedia.org/wiki/Buchreligion

Gruß
Torsten

Hallo Harald,

das Christentum war ursprünglich keine Buchreligion und ist es
genaugenommen heute auch nicht.
Wie definierst Du Buchreligion ?

ich dachte, ich hätte es eben zum Ausdruck gebracht.
Buchreligion deshalb, weil die Inhalte der Religion in einem
Buch (Schriftstück) aufgeschrieben sind.

die Verwendung dieses Begriffes ist aber so nicht unumstritten.
Im Judentum (bedingt)und im Islam ist die Schrift das Wort Gottes
teilweise auch in seiner verbalen Aufzeichnung. Sie ist deshalb
dort unmittelbar Anweisung zur Erlangung des Heils.

Ist dies nicht eine Religion welche ihre Heilsverheißung
an die Erfüllung der „Schriftgebote“ (weitgehend)koppelt ?

Ich meine, dass das Heil durch die Erfüllung der Schrift
gekommen ist.

Ich denke Du bist da ein bisschen weit weg von der Botschaft Jesu.
Christ kannst Du sein ohne jede Schrift. Jesus hat uns nie das Heil
zugesagt durch die Erfüllung der Schrift (Gesetz), ganz im Gegenteil.
Und Paulus hat in besonderer Weise festgestellt, daß Christen nicht
unter dem Gesetz (Vorschriften der Schrift) stehen.

Von daher ist die Schrift des AT (=Prophetie) Voraussetzung
für das Christentum.

Darüber (in wie weit und ob) könnte man streiten, doch ist es ohne
AT auch vollkommen. Den „Heiden“ wurde die Botschaft Jesu vermittelt
ohne AT (die hätten auch damit nichts anfangen können) und auch
ohne NT weil es das nicht gab(als Schrift) bzw.die meisten doch nicht
lesen konnten.

Ist nicht die Botschaft von Jesus gerade dadurch gekennzeichnet,
daß das Heil eben durch die „Erlösungsgnade“ und ihre Annahme
(Glaube?) sowie die Erfüllung des „einen Gebotes“ verheißen wird ?
Die „Schrift“ braucht es dazu nicht.

Und warum sagt Paulus:
"Du aber bleibe bei dem, was du gelernt hast und was
dir anvertraut ist; du weißt ja, von wem du gelernt hast und
dass du von Kind auf die Heilige Schrift kennst, die dich
unterweisen kann zur Seligkeit durch den Glauben an Christus
Jesus. Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur
Lehre, zur Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der
Gerechtigkeit, dass der Mensch Gottes vollkommen sei, zu allem
guten Werk geschickt.
" (2.Tim.3,14-17)?

Nun ja,sie ist „nütze“ (war Timotheus nicht jüd.Christ ?)aber nicht
heilsnotwendig.Den Bruch mit der „Buchreligion“ konnte den Christen
jüd.Herkunft wohl nicht so leicht vermittelt werden. Innerhalb
der Apostelgemeinschaft und der ersten Christen und auch später
war wohl ein langer Lernvorgang und teils hartes Ringen notwendig,
um sich vom Gesetz des AT zu lösen. Berichte darüber gibt es auch
in der AG.
Die Botschaft Jesu allein ist jedoch ausreichend.
Und dazu finden wir auch was bei Paulus.

Daß die Botschaft irgendwann mal aufgezeichnet wurde und auch
als Bücher Eingang in die Religion fand tut dem keinen Abruch.

Ich denke, Du unterschätzt den Wert des geschriebenen Wortes.
Es waren doch die Briefe des Paulus, die die Gemeindestruktur
der ersten Christen geprägt haben.

Das ist wohl so nicht richtig.Durch diese Briefe wissen wir viel
über das Wirken (Denken und Lehren und die Konflikte) von Paulus
doch die Gemeinden wurden wohl vor Ort gestaltet nicht durch
Briefe.

"Und wenn der Brief bei euch gelesen ist, so sorgt
dafür, dass er auch in der Gemeinde von Laodizea gelesen wird
und dass ihr auch den von Laodizea lest.
" (Kol.4,16)

Ein schwaches Beispiel zur Stützung Deiner Argumentation.
Unabhängig davon ob da oder dort auf „die Schrift“ verwiesen wurde
geht es nach dem von mir eingebrachten Kriterium darum :
Braucht der Christ die Schrift zum Heil oder nicht oder reicht die
Botschaft Jesu ?
Judentum und Islam brauchen die Schrift,das unmittelbare Wort Gottes.
Ohne diese Schriften ist die Religion ihres Inhaltes, ihrer Weisung
zum Heil beraubt und auch ohne das geübte religiöse Leben.
Diese Religionen brauchen existentiell das Buch.
Für Christen ist es (eventuell) nützlich darum zu wissen,für das
tägliche Handeln und zur Erlangung des Heils (Erlösung,Rechtfertigung)
aber nicht erforderlich.
Im diesem Sinne meine Unterscheidung von „Buchreligion“ oder nicht.
Wenn Du natürlich alle Religionen welche Bücher mit Inhalten ihrer
Lehre besitzen als Buchreligionen bezeichnest - dann gut - brauchen
wir uns nicht weiter auseinander zu setzen.
Gruß VIKTOR

Schriftreligionen
Hi Manfred,

der heute leider noch recht gebräuchliche Ausdruck „Buchreligion“ hat historisch zwei Quellen:

Die eine ist die islamische Theologie. Hier geht er auf Stellen im Quran zurück, an denen von „Leuten der Schrift“, bzw „Leuten des Buches“ die Rede ist. Z.B. in Sure 4.123 „Weder nach euren Wünschen geht es, noch nach den Wünschen der Leute des Buches.“

Wer damit gemeint war, ist im Zusammenhang anderer Schriftstellen eindeutig: Primär laut Sure 2.62: „Diejenigen, die glauben [= die Anhänger Mohammeds], und diejenigen, die Juden sind, und die Christen und die Sabier, all die, die an Gott [= Allah] und den jüngsten Tag glauben und Gutes tun, erhalten ihren Lohn bei ihrem Herrn, sie haben nichts zu befürchten“ [transl. A. Th. Khoury]

Von den „Sabiern“, die im Raum Südost-Türkei - Nordwest-Iraq lebten, weiß man heute so gut wie nichts mehr, aber aus anderen Quran-Stellen geht hervor, daß auch die Anhänger Zarathustras unter die „Leute der Schrift“ gefaßt sind, mit entsprechenden Konsequenzen des Umgangs mit ihnen in der islamischen Welt.

Es sind also diejenigen Gläubigen damit gemeint, die eine von ihnen so aufgefaßte „Heilige Schrift“ besitzen, wobei nichts darüber ausgesagt ist, wie sie jeweils zu dieser Heiligen Schrift stehen, d.h. egal ob sie diese Schrift als unmittelbare oder vermittelte „Offenbarung“ des obengenannten Gottes auffassen.

Der zweite (und eigentliche) Ursprung des Ausdrucks „Buchreligion“ ist der „Vater“ der Vergleichenden Religionswissenschaft Friedrich Max Müller (1823-1900). In „Einleitung in die vergleichende Religionswissenschaft“ (1873/1876) und in den „Vorlesungen über den Ursprung und die Entwicklung der Religion“ (1878/1880) bezeichnet er folgende als „Buchreligionen“: Judaismus, Christentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Zoroastrismus, Konfuzianismus und Daoismus.

Das sind alle, bei denen über einige ihrer fundamentalen Texte zu dieser Zeit bereits Übersetzungen in Englisch, Französich oder Deutsch vorlagen.

Müller meinte mit diesem Begriff aber nicht allein die Tatsache, daß es sich um Religionen handelte, die sich an kanonisierten Texten orientierten, oder diese als „heilige“ Schriften auffaßten. Er meinte damit vielmehr eine überhebliche Absetzung gegenüber solchen Religionen, die keine fundierenden Schriften hinterlassen hatten, und die man daher - ebenfalls seit seiner Zeit - im Unterschied zu den Ersteren als „primitive Religionen“ und „Naturreligionen“ bezeichnete.

Der Ausdruck „Buchreligionen“ hat sich in den Religionswissenschaften aber nicht durchgesetzt (eben wegen seiner abwertenden Konnotation). Man spricht heute dagegen von „Schriftreligionen“, und meint damit schlicht solche, die eben schriftliche Zeugnisse hinterlassen haben. Auch die Bezeichnung „primitive Religionen“ ist aus demselben Grund nicht mehr gebräuchlich.

Die älteste Schriftreligion ist btw. keineswegs die israelitische Religion bzw. das Judentum (wie sie nach der Zeit des Exils im 5. Jhdt. v.u.Z. genannt wird). Viel älter sind der Rgveda (der vedischen Religion) und das Awesta (der zoroastrischen Religion) - beide zumindest in ihren ältesten Teilen.

Und, ja, selbstverständlich ist auch das Christentum eine Schriftreligion, und zwar - je nach historischem Standpunkt - seit der Abfassung der Evangelien oder seit der Kanonisierung der Sammlung des „Neuen Testamentes“

Gruß
Metapher