Buchsatz mit Helvetica: Wie findet Ihr diese Druckseite (m.Foto)?

Hallo, dies unten stammt aus einem zweisprachigen Poesie-Büchlein eines großen Verlags (den ich ggf. später nenne). Lt. Impressum wurde der Text in der Schrift Helvetica gesetzt (ohne weitere Details zu „Helvetica“).

Mir kommt diese Schrift oben (vergrößerbar per Klick/Tipp) so dünn, blutleer und unangemessen vor wie ein billiger Laser-Ausdruck ca. 1995 oder wie ein billiges DTP-Projekt ohne Liebe + Verstand (wie bei manchen billig produzierten Papierzeitschriften). Ich fand es unpassend für einen Verlag, von dem ich viele andere Bücher sah, bei denen man über den Textsatz nicht weiter nachdachte, weil alles passte (der Textsatz soll ja keinesfalls auffallen, sondern nur unauffällig stimmen).

M. Fragen:
• Stört Euch auch etwas an diesem Buchsatz? Wie drückt Ihr das Störende präzise aus?
• Ist Helvetica eine geeignete Schriftart für Buch-Massentext, wurde aber hier schlecht gedruckt/gesetzt oder in der falschen Variante?
• Oder nimmt man besser gleich eine andere Schriftart?
• Oder sollte mich gar nichts stören?

Danke!

PS. Es geht mir nicht um eine Schrift, die man im privaten Bereich einsetzen könnte, sondern um ordentlichen Massen-Buchdruck.
Das Schwarz im Foto wirkt kräftiger als im Buch selbst. Im Buch selbst wirkt es blasser und schwachbrüstiger.

Zu Schriften gibt es schon viele Untersuchungen.
Es wurde festgestellt, dass am Bildschirm serifenlose Schriftarten besser lesbar sind und auf Papier Schriftarten mit Serifen.
Helvetica ist eine serifenlose Schriftart, daher ist hier Dein Eindruck, dass irgendwas nicht stimmt, nachvollziehbar…

Beatrix

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Dazun müsste man das ganze Buch sehen (und anfassen) und nicht nur ein Foto der obere Hälfte zweier Seiten.

Um zu beurteilen, ob der Gedamteindruck stimmig ist, braucht man genau das - einen Gesamteindruck.

Wer etwas anderes behauptet (und die werden hier noch aufschlagen), disqualifiziert sich damit selbst.

Ist Helvetica eine geeignete Schriftart für Buch-Massentext

Auf dem Foto ist mE kein Massentext erkennbar. Grundsätzlich gilt: Helventica kann auch für Bücher geeignet sein.

Gruß,
Max

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Nun gibt s die Helvetica allerdings schon seit 1957. Das man viele Jahre später festgestellt hat, dass serifenlose Schriften am Bildschirm besser lesbar sind, ändert nichts daran, dass die Helvetica mitnichten für den Bildschirm geschaffen wurde.

Gruß,
max

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Beabel und Denker, Danke für Eure Kommentare!

Hallo Hendrik,

als die Helvetica 1957 auf den Markt kam – Max Miedinger entwarf sie für die Haas´sche Schriftgießerei – war ich noch ein Kind. Damals beeindruckte mich die Schrift sehr. Erik Spiekermann nannte sie Jahrzehnte später eine „Schrift ohne Eigenschaften.“

Nach einer sehr überzeugenden Erfolgsphase gind die Begeisterung gegen Ende der 70er Jahre zurück. Die im Grunde schlichte, anpassungsfähige Schrift überschritt ihren Zenit schneller als gedacht. Nun war es unter Grafikdesignern verpönt, sie zu verwenden.

Als im Buchdruck verwendete Schrift – ich komme auf Deine Frage zurück – hat sie sich nie hervorgetan. Das zeigt auch das von Dir eingestellte Beispiel. Buchgestaltung und Buchproduktion sind künstlerisches Handwerk. Die Wahl der Schrift für den Mengentext beantwortet eine von mehr als hundert Fragen, die es vor der Produktion zu klären gilt.

Welches Format soll verwendet werden? / Welcher Satzspiegel? / Welche Schriftenfamilie? / welche Schriftschnitte? / in welchen Schriftgrößen? /Zeilenabstand, Wortabstand, Abstand zwischen den Buchstaben? / Abstand bei Absatz? /

Diese Fragen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aber die Antworten hängen alle voneinander ab.

Dazu kommen noch die „weichen“ Kriterien: Läd der Titel zum Lesen ein? Wie ist die haptische Anmutung, wenn ich das Buch in die Hand nehme?

Noch zwei Schriften zur Verwendung bei Buchprojekten:

Belletristische Titel mit der „Garamond“ setzen, Sachbücher mit der „Gill“.

Gruß, Hans-Jürgen Schneider

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Hans-Jürgen, Danke für die Details!

„Schrift ohne Eigenschaften“ passt gut. Nach Beatrix’ Hinweis auf Serifen habe ich nochmal verglichen und meine auch, dass es mit Serifen leichter ist - und ansprechender (auf Papier jedenfalls).

Dabei fiel mir noch etwas anderes auf: Die Helvetica-Schrift scheint zumindest bei mir an allen Ecken und Enden gleich dick zu sein, während andere Schriftarten dickere und dünnere Stellen haben - auch das scheint mir zur Zufriedenheit mit einer Schrift im Druck beizutragen.

Bei dem hier eingestellten Foto hatte ich noch den Kontrast verstärkt, und nachher wirkten die Buchstaben etwas kräftiger als im Buch selbst. Im Buch selbst sehen sie noch schwindsüchtiger aus als im Foto hier.

Servus,

vor allem aber solltest Du nicht vergessen, dass diese Zufriedenheit von den Kriterien abhängt, die der Leser anlegt.

Bequeme Lesbarkeit ist meines Erachtens bei solch kleinen Textlein wie Aphorismen, Zitate einzelner Sätze wie hier oder Haikus kein geeignetes Kriterium. Im Gegenteil, die Schrift sollte da, wo nur wenige Worte für eine Aussage stehen, den Lesefluss eher bremsen als beschleunigen - unabhängig davon geht es aber bei so einer Ausgabe wie der von Dir gezeigten in erster Linie um die Schönheit der Schrift, und da ist Helvetica sicher ziemlich weit oben anzusiedeln - das verwendete Papier ist ja auch nicht grad „praktisch“, aber eben schön.

Schöne Grüße

MM

Hallo Henrik,

diese Seite wollte ich gestern an meinen Beitrag anfügen, fand sie aber nicht gleich:

Ich gestalte Broschüren von geringem Umfang (20 Seiten) auf DIN A3, wobei ich eigene Fotos und den Text einbringe. In dem Beispiel verwende ich einen Satzspiegel nach Tschichold. Wichtig ist mir dabei, Dich auf den hohen Anteil von Weißraum aufmerksam zu machen. Das ist bei Taschenbüchern und anderen kommerziellen Projekten natürlich nicht oft realisierbar. Aber man sollte schon wissen, dass auch der Weißraum zu den Gestaltungsmerkmalen gehört.

Der Mengentext ist hier in Gill light 10 Punkt gesetzt. Ich schätze einen hellen Grauwert (= die Farbwirkung des Satzes auf größere Entfernung), aber das ist Geschmackssache. Als Headline-Font habe ist Questa Grande verwendet, die Displayschrift der Questa-Familie. Sie passt gut zur Gill. Bei solchen Schriftmischungen sollte man sehr genau auf die Harmonie zwischen den Fonts achten.

Schließlich zeigt die freigestellte gelbe Blüte, dass man sich nicht sklavisch an die Grenzen des Satzspiegels halten muss. Eine solche spielerische Entgrenzung lockert die Lesesituation auf. Doch hier gilt: nicht übertreiben.

Gruß, Hans-Jürgen Schneider

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