Budget eines Arztes

Hallo zusammen,

ich habe neulich gehört, daß ein Arzt hier in der Gegend von den Krankenkassen verklagt wurde, weil er zuviele Medis verschrieben hat. Nein, er hat nichts falsch gemacht, er hat lediglich ordentlich viele Patienten die dann auch mal krank sind.

Stimmt es, daß das Budget eines Arztes nicht pro Patient sondern pro Praxis gerechnet wird? Und kann ein Arzt beim Überschreiten des Budgets(sicherlich nicht einmalig, da viele Patienten) von den KK verklagt werden? Oder ist das nur Dorfklatsch?

Für mich als absoluter Laie und unregelmäßiger Arztbesucher hört sich das ganze ziemlich paradox an.

Neugierig bin,
Julia

Hallo Julia,

Antwort von einem, dem täglich dieses Damoklesschwert über dem Haupt hängt:
Jeder niedergelassene Arzt/Ärztin (also eine/r mit eigener Praxis) hat ein Medikamenten-Budget, das richtet sich nach Fachrichtung (Kinderarzt hat ein geringeres als ein Allgemeinarzt) und nach Anzahl der Patienten und weiter differenziert nach dem Alter der Patienten (ein 70jähriger benötigt mehr und teurere Medis als ein Tennager).
Dazu kommt noch das Rabatt-Gebot der Krankenkassen, das von Kasse zu Kasse unterschiedlich ist.
Der Arzt (natürlich auch die Ärtzin) fährt also gewissermaßen ohne Tachometer auf der Autobahn und muss eine Geschwindigkeitsbegrenzung einhalten, von der er nicht weiss, wie hoch sie ist.
Der Arzt wird aber bei Überschreitung des Budget nicht von der Kasse verklagt, sondern die Kasse stellt einen „Regress-Antrag“, sprich: sie verlangt das Geld vom Arzt zurück, das die Kasse „zuviel“ für die Medikamente bezahlen musste, die der Arzt verschrieben hat. Der Arzt zahlt aus seinem „Privatvermögen“, also von seinem Nettoeinkommen.
Deshalb auch die Diskussionen in Arztpraxen, wenn der Patient nicht sein gewohntes Medikament verschrieben bekommt, sondern ein preisgünstigeres Nachahmer-Medi.
Dass diese Bestimmung den Arzt nicht froh stimmt, versteht sich wohl.
(Beispiel: Aspirin 20 Tbl 4€, ASS ratiopharm 2€,der Vergleich hinkt, aber nur so als Erläuterung)
Diese Regresse können in die zig Tausende gehen, da sie erst nach 1-2 Jahren ausgesprochen werden und der Arzt bis dahin nichts von seinem „Glück“ weiss. Abhilfe gibt es manchmal vor dem Sozialgericht nach 4-6 Jahren… Das Gleiche gilt übrigens für die Verordnung von Massagen etc.
Alles klar?
Gruß synapse

Moin,

hey, das ist ja mal eine prima Antwort! *chen dafür!

Sinn und Unsinn unseres Gesundheitssystems…

Julia

Servus Synapse,

wetten, dass höchstens 20% jener Abgeordneten, die alle die Reformgesetze beschlossen haben, in der Lage gewesen wären, diese Tatsachen so zu beschreiben, wie Du es hier tust!

Hallo Ihr www-Nutzer: vergesst nicht, wer uns diese Gesetze eingebrockt hat. Nächstes Jahr ist Wahl!

Kai

off topic an Kai wg Wahl
Hallo Kai,

eingebrockt hat. Nächstes Jahr ist Wahl!

Ja, aber was soll man denn noch wählen.
Die Kombi, die da oben sitzt, habe ich nicht gewählt/gewollt,
was wäre denn besser? Haben wir überhaupt noch wirklich eine Wahl?
Mein Eindruck sagt mir oft das wir kaum Auswahl haben…

Gruß
Kathy

Hallo,

sicher ist der Arzt/die Ärztin an das Budget gebunden. Der Arzt/die Ärztin kann aber auch Regressforderungen widersprechen, wenn ein guter Grund vorliegt.

Das kann z.B. sein, wenn ein billigeres Präparat versucht wurde und der Patient/die Patientin es nicht vertragen hat. Das muss der Arzt natürlich gut dokumentieren - aber das gehört sowieso dazu.

Oder wenn nachweislich im Einzugsgebiet viele Patienten mit einer bestimmten Krankheit leben. Ich arbeite z.B. als angestellte Ärztin eines Berufsbildungswerkes (keine Kassenzulassung) in Kooperation mit einem niedergelassenen Allgemeinarzt. Fast alle meiner 150 Patienten mit Epilepsie bekommen von diesem Allgemeinarzt ihre Dauermedikamente (= z.T. sehr teure Antiepileptika) verordnet. So viele Patienten mit Epilepsie hat kaum ein Neurologe. Dass es dem Kollegen immer wieder gelingt, die KV zu überzeugen, hat auch etwas mit Ideologie zu tun - er macht sich eben die Arbeit mit den entsprechenden Begründungen gegenüber der KV, damit alle Patienten die Behandlung bekommen, die sie brauchen…