Bürde

liebe www.ler,
immer wieder kommt in den Predigten unseres Pastors folgender Satz vor:

„Gott bürdet niemandem mehr auf, als er ertragen kann“

Ich empfinde diesen Satz immer sehr hart, zumal das „Warum“ „Warum gerade ich“ „Warum ich schon wieder“ ja Zweifelsfragen des Glaubens, des Lebens sind.

Zu diesem Thema interessieren mich mal eure Meinungen -zumal ich feststellte, dass es leichter ist diesen Satz jemandem zu geben - als selbst daran zu glauben.
Gruß Chris

Hai, Chris,

also meine Meinung :

Ich empfinde diesen Satz immer sehr hart, zumal das „Warum“
„Warum gerade ich“ „Warum ich schon wieder“ ja Zweifelsfragen
des Glaubens, des Lebens sind.

Das Leben als solches kennt sowas wie Gerechtigkeit nicht. Es gibt nur Fressen oder Gefressenwerden. Ob und wen es erwischt ist eigentlich purer Zufall…
Das menschliche Denken ist aber auf Muster und Ursache-Wirkung ausgelegt - reiner Zufall ist für uns schwer fassbar, manchmal nicht mal erkennbar (z.B. kannst Du diesen Effekt an Dir selbst feststellen, indem Du auf eine Fläche blickst, die gleichmäßig gepunktet ist - Du wirst dauernd irgendwelche Grüppchen und Linien sehen).

Nun gibt es eine Religion (welche, ist da eigentlich beliebig), die behauptet, daß hinter allem die Absicht eines (oder mehrerer) höheren Wesens steht und somit alles seinen Grund hat und nichts einfach zufällig geschieht.
Ärgerlicherweise ist das Leben an sich aber nicht ausreichend an Religion interessiert, daß es sich an die jeweiligen Regeln halten würde - es verteilt Freude und Leid immernoch völlig willkürlich, unabhängig davon, ob der Betroffene nun ein „Guter“ oder ein „Böser“ ist.
Und damit sind die Vertreter der Religion in Schwierigkeiten, schließlich wollen sie ja, daß der Gläubige sich an die Regeln hält, also wird behauptet

„Gott bürdet niemandem mehr auf, als er ertragen kann“

In die gleiche Kerbe haut auch das allseits beliebte „Gottes Mühlen mahlen langsam“ und was den diversen Leuten da noch so eingefallen ist. Es wird immer eine künstliche Gerechtigkeit über die Realität gestülpt.
Grund hinter derartigen Sprüchen ist immer der selbe: die für jeden erlebbare Ungerechtigkeit des Lebens soll irgendwie in den jeweiligen Glaubenskontext gequetscht und damit verständlicher werden. Du sollst ja gar nicht an die Zufälligkeit, sondern eben an den alles beherrschenden Plan des Allmächtigen glauben.

Im Übrigen bin ich der Meinung, daß es sich um eine der blödsinnigsten Aussagen überhaupt handelt; warum sonst gibt es so viele, denen ihre Bürde so schwer wird, daß sie lieber das Leben drangeben, als sich noch weiter zu plagen?

Zu diesem Thema interessieren mich mal eure Meinungen -zumal
ich feststellte, dass es leichter ist diesen Satz jemandem zu
geben - als selbst daran zu glauben.

Das ist nun wieder eine einfache Sache: es fällt immer leichter, gute Ratschläge zu geben, wenn man nicht selber emotionell mittendrin steckt…

Gruß
Sibylle

Das Leben als solches kennt sowas wie Gerechtigkeit nicht.

Ärgerlicherweise ist das Leben an sich aber nicht ausreichend
an Religion interessiert, daß es sich an die jeweiligen Regeln
halten würde - es verteilt Freude und Leid immernoch völlig
willkürlich, unabhängig davon, ob der Betroffene nun ein
„Guter“ oder ein „Böser“ ist.

Hi Sybille.

Wer oder was ist „das Leben“ das es „kennen“ oder sogar „verteilen“ könnte?

Gruß

Hallo Chris,

natürlich ist dieser Satz nicht ganz einfach - besonders wenn man in so einer Situation steckt, die von Schwierigkeiten strotzt. Aber trotzdem ist es richtig. So würde jeder Vater bei seinen Kindern handeln. Dreh doch mal den Satz um: Gott würde dir nie mehr aufbürden, so dass du zusammenbrechen würdest. Und wie uns der Alltag lehrt: Was uns nicht umbringt macht uns stark. Genauso ist das auch bei Gott (dem Gott der Bibel). Auch hier werden wir immer stärker; egal ob es um Charaktere oder irgendwelchen anderen Dinge geht. Logischerweise (und das ist ja leider das etwas gemeine) sehen wir erst hinterher, dass es doch gut war. Und - wollen wir Gott vertrauen, dass er uns schon kennt? Denn wenn nicht, dann ist es verständlich, dass er uns auch mal falsch einschätzt. Aber das tut er nicht. Er kennt seine Kinder.

PS an Sybille: Natürlich gilt das nur für die Leute, die den Gott der Bibel als ihren Herrscher und König und Vater anerkennen. Das alle anderen unter ihren Lasten (die ihnen nicht von dem Gott der Bibel auferlegt wurden) vielleicht zusammenbrechen ist eine andere Geschichte. Und warum Gott dafür verantwortlich machen?

Hallo Christel!

„Gott bürdet niemandem mehr auf, als er ertragen kann“

Ich empfinde diesen Satz immer sehr hart, zumal das „Warum“
„Warum gerade ich“ „Warum ich schon wieder“ ja Zweifelsfragen
des Glaubens, des Lebens sind.

Das „Warum“, „Warum gerade ich“ und „Warum ich schon wieder“ werden wir nicht klären können. Es ist ein Akt des Vertrauens, die Schicksalsschläge aus Gottes Hand zu nehmen.

Ich hab Dir doch im Plauderbrett erzählt, dass für mich ein Termin, auf den ich mich seit Monaten riesig gefreut habe, ins Wasser fällt, weil ich just zu diesem Zeitpunkt operiert werden muss.
Jemand, dem ich das gemailt habe, hat mir sehr treffend geantwortet: „Das mit Deiner OP ist natürlich bitter und es tut mir sehr leid für Dich, aber vielleicht hat es auch einen Grund, den man heute noch nicht weiß, dass es ausgerechnet an diesem Termin sein muss.“
Schon vorher habe ich mir kein Hadern mit dem Schicksal erlaubt, doch das war dann zusätzlich ein Trost für mich.

Chris, wenn es Dir schlecht geht, mach doch Folgendes:
Hast Du das Lied „Von guten Mächten“ auf CD? Dann leg es Dir mal ein und horch es Dir immer und immer wieder an. Dietrich Bonhoeffer hat es im KZ geschrieben, wenn ich das recht in Erinnerung habe; und wenn jemand Grund zum Zweifeln an einem liebenden Gott hatte, dann er.

Und noch etwas habe ich für Dich:
Aber jetzt, so spricht der HERR, der dich geschaffen, Jakob, und der dich gebildet hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst! Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Wenn du durchs Wasser gehst, ich bin bei dir, und durch Ströme, sie werden dich nicht überfluten. Wenn du durchs Feuer gehst, wirst du nicht versengt werden, und die Flamme wird dich nicht verbrennen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, ich, der Heilige Israels, dein Retter. Jesaja 43, 1-3

Lieben Gruß

Hanna

Auf der Suche nach dem Liedertext für BelRia bin ich gerade über das hier gestolpert:

„Das Geheimnis des Glücks liegt oft einfach darin, dass ich annehme , was nicht zu ändern ist - dass ich mich nicht nur damit abfinde. Habe ich schon erlebt, dass mit meinem Ja-Sagen zu einem Geschehen dieses sich in einem anderen Licht zeigte?“

Hanna

Hallo Christel,

ich bin Krankenhausseelsorger und weiß aus Einfühlung und aus eigener Erfahrung, dass es „Bürden“ gibt, die untragbar sind und zum physischen und psychischen Zusammenbruch führen können.

Andererseits weiß ich aus denselben Erfahrungen, dass die „Tragbarkeit“ einer „Bürde“ etwas höchst Subjektives ist und von sehr vielen persönlichen und sozialen Faktoren abhängt. Derselbe Schmerz ist unter anderen Umständen nicht derselbe, dieselbe Behinderung nicht dieselbe, und Menschen sind unglaublich erfinderisch, was Lebensmöglichkeiten unter schwierigen Bedingungen betrifft, wenn sie an solche Möglichkeiten und ihre Sinnhaftigkeit glauben.
Das Paradox ist: Nichts kann den Sinnkern deines Lebens zerstören, solange du glaubst, dass ihn nichts zerstören kann.

Dieser Glaube entsteht allerdings in den seltensten Fällen durch fromme Behauptungen Unbeteiligter - oft aber dadurch, dass andere sich am Leid des/der Betroffenen beteiligen lassen.

Gruß,
Peter

Why Good Things Happen to Bad People

Wer oder was ist „das Leben“ das es „kennen“ oder sogar
„verteilen“ könnte?

das war eine metapher. sie meinte, daß gutes und schlechtes normalverteilt sind.

dazu etwas zur allgemeinen erheiterung/erleichterung:

Top 10 Reasons Why Good Things Happen to Bad People

  1. They both incur the same average portions of good things, but bad people live longer.
  2. Good things happen to bad and good people equally, but bad people inhale.
  3. God likes good things so much, he wants to distribute them to the largest possible demographic.
  4. God’s been using the same PR firm since Creation.
  5. Frankly, good things are just wasted on the good.
  6. Good people don’t drink and drive, so they get run over by people who do.
  7. God’s good-thing bad-thing delivery system was implemented with a Pentium.
  8. Bad people are good people with jobs.
  9. Bad people have better lawyers.
  10. They’re not bad, they’re morally challenged!
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Sprachliches Glatteis…
Hai, Tobias,

Wer oder was ist „das Leben“ das es „kennen“ oder sogar
„verteilen“ könnte?

Ich personalisiere nicht das Leben und führe auch keinen Gott mit 'nem anderen Namen durch die Hintertür ein.
Es liest sich einfach nur besser so…

Gruß
Sibylle

Hallo Christian,

immer wieder kommt in den Predigten unseres Pastors folgender
Satz vor:

„Gott bürdet niemandem mehr auf, als er ertragen kann“

Ich empfinde diesen Satz immer sehr hart, zumal das „Warum“
„Warum gerade ich“ „Warum ich schon wieder“ ja Zweifelsfragen
des Glaubens, des Lebens sind.

Ich würde es anders ausdrücken. „Gott verlangt von keinem Menschen mehr, als er tragen kann“.

Es gibt in dieser Welt eine Menge von Grausamkeiten, die alles erträgliche Maß überschreiten. Sie werden nicht von Gott verursacht oder beeinflußt. (Prediger 3:19)
Gläubige Menschen werden nicht vom Leid verschont. Häufig müssen sie aufgrund ihres sogar mehr Leid ertragen als andere Menschen (Lukas 21:12-17).

Wenn du Gott inständig bittest, wiederholt und aus tiefsten Herzen, wird er dir helfen. Er wird nicht alle Probleme beseitigen. Er wird es auf seine Art machen.
Vor allem wird er dich nicht allein lassen.

Gruß
Carlos

Was mit Bürde gemeint ist
Hallo allerseits,

zumal der Koran sich als abschließende Offenbarung nach der vorausgegangenen Offenbarungskette (Torâ, Evangelium, Psalmen…) versteht, gibt es diesen Satz fast wortwörtlich auch in mehr als einer seiner Suren (z.B. Sure 2 letzter Vers). Dort wird er jedoch anders verstanden als die meisten Teilnehmer dieses Threads ihn verstehen. Und zwar so, daß Gott niemanden zur Rechenschaft wegen eines Gesetzes zieht, daß dieser nicht erfüllen konnte.

Ich kann es mir nicht erklären, aber im Islam gibt es merkwürdigerweise die aus dem christlichen Bereich bekannten Versuche zu erklären, warum Gott etwas Ungerechtes zulasse, gar nicht. Nach dem Koran ist Gott der Schöpfer des Guten und des Bösen, aber Er ist auch der Schöpfer aller moralischen und ethischen Maßstäbe, hocherhaben darüber, über Sein Handeln befragt zu werden. Nichtsdestotrotz besteht der Koran auf die Gewißheit vom Eintreffen des Letzten Tages, an dem Gott alle vergangene, durch Menschen verschuldete Ungerechtigkeit an Opfern und Tätern ausgleicht. Und Seine Barmherzigkeit gegenüber den Opfern (aber auch den „normalen“ Gottesdienern) ist um ein Vielfaches größer als Seine Gerechtigkeit gegen die Täter.

Ich würde gerne mal wissen, aus welcher Stelle der Bibel die Kirchenprediger den Satz „Gott bürdet niemandem…“ haben.

Viele Grüße,

Mohamed.

Hallo Sybille,

deine Erklärung ist sehr interessant! Die Tatsache, dass sich eine „höhere Gerechtigkeit“ in unserem Alltag nicht nachweisen lässt, führt meiner Meinung nach auch zu den verschiedenen Erklärungsversuchen der Religionen. Im Christentum wird die Belohnung bzw. Entschädigung einfach ins Jenseits verlegt und die Buddhisten verschieben sie ins nächste Leben. Das ist sehr bequem, weil natürlich noch nie jemand von dort zurückgekommen ist und daher auch niemand nachweisen kann, dass es „dort“ auch nicht funktioniert.

Viele Grüsse,
Lisa

Hallo Mohamed,

zumal der Koran sich als abschließende Offenbarung nach der
vorausgegangenen Offenbarungskette (Torâ, Evangelium,
Psalmen…) versteht, gibt es diesen Satz fast wortwörtlich
auch in mehr als einer seiner Suren (z.B. Sure 2 letzter
Vers). Dort wird er jedoch anders verstanden als die meisten
Teilnehmer dieses Threads ihn verstehen. Und zwar so, daß Gott
niemanden zur Rechenschaft wegen eines Gesetzes zieht, daß
dieser nicht erfüllen konnte.

ja, das sehe ich auch so.

Ich würde gerne mal wissen, aus welcher Stelle der Bibel die
Kirchenprediger den Satz „Gott bürdet niemandem…“ haben.

Ich vermute, dass der Ursprung in Psalm 68,20 zu finden ist.
„Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch.“ (Luther)
Das dürfte aber ein Übersetzungsfehler sein.
Nach anderer Übersetzung heißt es hier:
„Tagtäglich lädt er sichs für uns auf“ (Martin Buber)
„Gepriesen Tag für Tag der Herr, der für uns trägt“ (Naftali Herz Tur-Sinai)

Gruss Harald

nachdenklich…und danke
ich danke allen, die sich die Mühe gemacht haben, mir zu antworten,bzw. ihre Gedanken zu diesem Thema offenzulegen.

Da ich erst heute abend wieder ins Netz kann, werde ich mir dann die einzelnen Gedanken in Ruhe durchlesen, wollte aber erst einmal meinen Dank sagen
Chris

Lutherübersetzung
Hallo Harald,

Ich vermute, dass der Ursprung in Psalm 68,20 zu finden ist.
„Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch.“
(Luther)
Das dürfte aber ein Übersetzungsfehler sein.
Nach anderer Übersetzung heißt es hier:
„Tagtäglich lädt er sichs für uns auf“ (Martin Buber)

Ja, davon bin ich überzeugt, dass Luther falsch übersetzt hat.
Erinnerst Du und Hanna euch, dass es vor Jahren schonmal genau
um diese Stelle hier ging?

Viele Grüße mit viel Erinnerung
Stefan

Hallo Stefan,

Erinnerst Du und Hanna euch, dass es vor Jahren schonmal genau
um diese Stelle hier ging?

ja, garade daran habe ich gedacht.

Und auch daran, dass ich lange nichts von Dir gelesen habe.
Schön, dass Du wieder mal vorbeischaust hier im Forum.

Gruss Harald