Hallo Ralf,
aus Deinem Posting, aber auch aus den meisten Reden von Politikern und Funktionären ist Unkenntnis elementarer Zusammenhänge der Zinsrechnung erkennbar. Was heißt es überhaupt, stetiges prozentuales Wachstum zu erhoffen? Man könnte jetzt eine Formel bringen, aber Lehrer, Juristen und Sozialpädagogen, die in diesem Land die Entscheidungen treffen, könnten dann mehrheitlich nicht mehr folgen. Deshalb verdeutliche ich die Sache an einem Beispiel:
Nehmen wir an, man erträumt jährlich 10% Wirtschaftswachstum. Das ist natürlich irreal, aber die Zahl ist so schön rund. Im ersten Jahr produziert die Wirtschaft 100 Teile. Bei 10% Wachstum werden im zweiten Jahr 110 Teile produziert. Bis dahin kommt auch noch ein Verwaltungsjurist gerade so mit. Im dritten Jahr muß man aber für konstantes prozentuales Wachstum nicht schon wieder 10 Teile mehr produzieren, denn 10% von 110 Teilen sind 11 Teile. Es müssen also schon 121 Teile produziert werden. Um das Wachstum zu halten, müssen im Jahr darauf 10% von 121 Teilen mehr produziert werden, also schon 133,1 Teile. Man merkt schnell, daß trotz konstanten Wachstums der Zuwachs in absoluten Zahlen immer größer werden muß. Man braucht also ein Wachstum des Wachstums. Der Zuwachs in absoluten Zahlen verläuft exponentiell. Das ist natürlich in der Praxis nicht zu schaffen. Da hat man schon eine grandiose Leistung hingelegt, wenn man jährlich eine konstante Steigerung in absoluten Stückzahlen schafft. Das aber entspricht einem kontinuierlich gegen Null gehenden prozentualen Zuwachs!
Bis hierher sind die Zusammenhänge unbestreitbar. Trotzdem gibt es Leute, die mit dem Hinweis auf die Steigerungsrate eines vergangenen Jahres die gleiche Steigerung noch einmal erwarten. Was früher möglich war, warum soll es plötzlich nicht mehr möglich sein!? Diese Leute haben eben das Wesen der Prozentrechnung nicht kapiert. Tatsächlich folgt der langfristige Verlauf dem theoretisch zu erwartenden Ergebnis, wonach es eine kontinuierliche Abnahme des prozentualen Wachstums gibt.
Bei der Betrachtung des Wirtschaftswachstums schlagen natürlich alle möglichen politischen Ereignisse durch. Wählt man das betrachtete Zeitintervall passend und klein genug, kann man in aufeinander folgenden Intervallen sogar eine Konstanz oder gar Steigerung des prozentualen Wachstums feststellen. An der langfristigen zwangsläufigen Tendenz ändert das aber nichts.
Nun hoffe ich, eingängig gezeigt zu haben, daß die Abnahme des jährlichen prozentualen Wirtschaftswachstums zwangsläufig ist. Dem steht aber sogar ohne jede Neuverschuldung eine Zinslast für Altschulden gegenüber. Der Einfachheit halber nehmen wir konstanten Zinssatz an. Selbst ohne Neuverschuldung läuft die Sache also in die Schuldenfalle. Zinsen und Zinseszinsen bringen den exponentiellen Anstieg der Schuldenlast mit sich. Das wäre schon eine langfristig katastrophale Situation. Aber diesen „Traumzustand“ haben wir nicht. Vielmehr wird jedes Jahr per Neuverschuldung der exponentielle Schuldenanstieg steiler.
Aus den dargelegten Zusammenhängen läßt sich ohne weiteres erkennen, daß die Annahme jährlich auch nur annähernd prozentual konstanten Wirtschaftswachstums abwegig sein muß. Vielmehr tendiert das Wirtschaftswachstum zwangsläufig prozentual gegen Null, was aber in absoluten Zuwächsen immer noch einer enormen Steigerung entspricht. Wenn ich dem aber eine exponentiell steigende Schuldenlast gegenüber stelle, muß die Konstruktion in die Pleite führen.
Gruß
Wolfgang