Bundesgebiet vs. Reichsgebiet.Bismarck,Preußen

Hallo liebe Gemeinde. Ich hoffe, dass es mein Thema noch nicht gibt, habe hier gesucht und leider nichts gefunden.

Ich sitze gerade an meiner ersten Hausarbeit (Geschichte 1. Semester) und habe 1,2 Fragen.

Meine Quelle ist eine stenographische Mitschrift aus einer Debatte im Berliner Reichstag von 1871.
Ein Abgeordneter beantragt, das Wort „Bundesgebiet“ in der neuen Verfassung überall durch „Reichsgebiet“ zu ersetzen.

Bismarck argumentiert dann dagegen, ist also für „Bundesgebiet“. Unser Dozent hat uns schon gesagt, dass das etwas mit der Vormachtstellung Preußens bspweise im Bundesrat zu tun hat. Damit Preußen also nicht an Bedeutung verliert.

Nun meine Fragen:

  • Stimmt das überhaupt? Gibt es irgendwelche Quellen, die ihr zufällig empfehlen könnt, in denen ihr etwas in die Richtung mal gelesen habt? Also dass und warum Bismarck pro „Bundesgebiet“ war?

  • Was wäre denn für die Vormachtsstellung Preußens so schlimm daran gewesen, das Wort „Bundesgebiet“ in der Verfassung durch „Reichsgebiet“ zu ersetzen? Rein rechtlich hätte es doch immer noch überall die Vormachtsstellung, oder irre ich mich da? Wäre das ganze dann nur ein Prestigeding?

  • Gibt es noch weitere Gründe, die Bismarck dazu gebracht haben könnten, pro Bundes- und contra Reichsgebiet zu sein?

Und bitte nicht falsch verstehen mit der Frage nach guter Literatur da oben. Ich habe mich schon selbst auf die Suche gemacht und werde am Wochenende 2 Bibliothekstage einlegen. Aber ich dachte, es kann ja nicht schaden, wenn jemand nun zufällig zu dem Thema schon gute Literatur kennt. Eichenrode, Pflanze, Binder, Kotulla, Weichlein, das sind so Autoren, zu denen ich schon etwas rausgesucht habe.

Würde mich sehr freuen, wenn sich jemand mit der obigen Auseinandersetzung etwas genauer auskennt oder mir bei meinen Fragen mit der ein oder anderen Idee ein bisschen weiterhelfen kann!

Lieben Gruß,
Uludag :smile:

Hallo,

der Hauptgrund für die Verwendung des Begriffes
Deutsches Reich

dürfte die Proklamation von König Wilhelm I.von Preußen – zum Deutschen Kaiser – am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles gewesen sein.

Mit der Bezeichnung Bundesgebiet hätte man nämlich auch Östereich-Ungarn "aufnehmen " müssen.
Schließlich war diese Doppel-Monarchie von 1815 bis 1866 ein Teil des
Deutschen Bundes.

Hallo,

der Hauptgrund für die Verwendung des Begriffes
Deutsches Reich

e die Proklamation von König Wilhelm I.von Preußen – zum

Deutschen Kaiser – am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von
Versailles gewesen sein.
Mit der Bezeichnung Bundesgebiet hätte man nämlich auch
Östereich-Ungarn "aufnehmen " müssen.

Nein, in der Verfassung steht tatsächlich „Bundesgebiet“. Direkter Vorgänger des Reiches war der Norddeutsche Bund. Da war Ö-U auch nicht drin, oder, obwohl der Norddeutsche Bund auch ein „Bundesgebiet“ hatte, oder?
Gruß
mitzisch

Hallo,

Meine Quelle ist eine stenographische Mitschrift aus einer
Debatte im Berliner Reichstag von 1871.

Welche Sitzung,

Ein Abgeordneter beantragt, das Wort „Bundesgebiet“ in der
neuen Verfassung überall durch „Reichsgebiet“ zu ersetzen.

Man könnte den politischen Hintergrund dieses Mannes überprüfen, um Anhaltspunkte für deine Frage zu finden.
Jetzt meine Gedanken:
Ich kann jetzt nur mutmaßen, und zwar im Hinblick auf die (rechtlichen) Konnotationen der Begriffe. M.E. könnte es sein, dass beim Begriff „Bundesgebiet“ die Einzelstaaten mehr als separate Einheiten mitgemeint sind, die ihre Identität / Eigenständigkeit in diesem engen Staatenbund behalten, während bei „Reichsgebiet“ die Betonung mehr auf dem Ganzen läge, auf der Verschmelzung der Staaten zu einem deutschen Ganzen (mehr in Richtung Zentral-/Einheitsstaat), so dass auch Preußen als einzelner Staat nicht mehr die Rolle spielen dürfte, im Reichsganzen aufgehen müsste.
Auch die anderen deutschen Fürsten, deren Zustimmung Bismarck ja brauchte, hätten sich einem „Reich“ unterordnen müssen, statt Herrscher über Staaten zu bleiben. Herrscher über Bundestaaten zu sein, war ja nichts Neues (Norddeutscher Bund und Deutscher Bund); dazu gab man eher sein Einverständnis.
Wie gesagt, es geht wohl um die Begrifflichkeiten und Empfindlichkeiten. Die eigentlichen Vertragsbestimmungen und der Name des „Bundes“ wären ja gleich geblieben.

Ich wünsche dir noch Rechercheerfolge und viele konkrete Belege.
Grüße
mitzisch

Hallo,

mitzisch hat es ja schon angedeutet: Bismarck war mit Leib und Seele Preuße. Die Reichsgründung und die Kaiserproklamation war ihm notwendiges Übel, die süddeutschen Staaten und das als Puffer gemeinsam zurückeroberte Elsass-Lothringen angesichts der Gefahr eines französischen Revanchekrieges dauerhaft an Preußen und dessen König zu binden. Die Gefahr, dass Preußen im Kaiserreich aufgeht und dabei seine königlich-preußische Identität verliert, war ihm sehr ernst, denn Preußen war als Staat ja ein sehr künstliches, willkürlich zusammengezimmertes Gebilde, das in den Augen seiner Bewohner gegen den Glanz des Reiches nicht bestehen konnte.

Und so kam es ja letztlich auch, der Identitätsverlust war weit stärker als im Süden. Schon längst vor der Auflösung Preußens 1947 sprach kein Preuße mehr von Preußen als Alternative zum Reich. Von Hessen, Bayern, der Pfalz, Baden und Württemberg sprachen und sprechen ihre Bewohner hingegen auch heute noch und sie fühlen sich auch primär sort und nicht „irgendwo im Reich oder Bund“ verwurzelt. Und das nicht nur deshalb, weil es diese Staaten als Rechtssubjekte noch gibt.

„Hässlich ist das Mädel, aber geheiratet werden muss es doch“ ist Bismarcks überlieferter Kommentar zur Reichsgründung.

Gruß
smalbop