Bundestag: Warum nachts?

Liebe Politik-Experten,

ich kann verstehen, dass eine Sitzung mal länger ungeplant dauern kann. Warum aber werden Tagsordnungen des Bundestages schon so angesetzt, dass sie planmäßig bis 4:20 nachts gehen? Von 9:00 Uhr bis 4:20 Uhr am nächsten morgen kann wohl eh kaum ein Mensch konzentriert teilnehmen.

Und dann werden noch wichtige Gesetze zu solche später (oder besser schon früher) Stunde beraten, wie das Gentechnikgesetz:

http://www.campact.de/gentec/info/5min
http://www.bundestag.de/parlament/plenargeschehen/to…

Alles Gute wünscht
… Michael

Hallo Michael,

natürlich kann niemand einer Tagesordnung von 16 Stunden Länge folgen, schon gar nicht konzentriert.

Die eigentliche Arbeit des Bundestages findet im Vorfeld der Plenumssitzungen in den Ausschüssen und Fraktionen statt. Dort wird i.d.R. alles soweit ausdiskutiert und vorbereitet, daß dann im Plenum nur noch „genickt“ werden muß. Dafür genügen dann auch 30 Minuten für jeden TOP. Kontroverse Debatten vor vollem Haus sind eher selten und für des fernsehende Volk gedacht.

Der Bundestag tagt ja nicht täglich, und so kommt an den Sitzungstagen dann jeweils eine Menge Themen zusammen.
Über die Tagesordnung weiß jeder Abgeordnete, wann der ihn interessierende oder fachlich betreffende Punkt aufgerufen wird. So kann er sich den Tag entsprechend einteilen und zu den ihn weniger interessierenden Zeiten seiner übrigen Arbeit oder Zeitvertreib nachgehen. So erklärt sich die zeitweise dünne Besetzung der Ränge, und trotzdem ist die Beschlußfähigkeit immer gegeben und in der Abstimmung im Plenum kommt immer das heraus, was vorher in den Ausschüssen ausgehandelt und festgezurrt wurde.

Diese Verfahrensweise ist einfach praktisch und kostet den geringsten Aufwand. Auf andere Weise wäre kein Parlament in der Lage, alle seine Aufgaben zu bewältigen.
Aus der TO des Plenums kannst Du deswegen nicht auf die Sorgfalt schließen, mit der Gesetze gemacht werden.

Gruß
Cassius

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Hallo,

ergänzend zu meinem Vorredner:
http://www.polixea-portal.de/index.php/ZahlenFakten/…

Also keine Ausnahme.

Am Rande ein Zitat aus der Tagesordnung: Entgeldumwandlung. Da war wohl noch jemand übernächtigt.

Gruß
Christian

Hallo Cassius,

Die eigentliche Arbeit des Bundestages findet im Vorfeld der
Plenumssitzungen in den Ausschüssen und Fraktionen statt.

das ist schon klar.

Dort
wird i.d.R. alles soweit ausdiskutiert und vorbereitet, daß
dann im Plenum nur noch „genickt“ werden muß.

Dennoch scheint mir die Demokratie etwas auf der Strecke zu bleiben, wenn das gewählte Organ morgens um 4:00h abstimmen muss.

Vor allem wenn „geschickt“ Gesetze, die in ihrer Auswirkung nie wieder rückgängig gemacht werden können (manipulierte Gene, die sich einmal verbreitete haben, kann man mit keinem Gesetz der Welt wieder zurückholen), zu solch taktischer Zeit abgestimmt werden.

Ein klares Zeichen, dass wir nicht mehr wirklich in einer Demokratie leben.

… Michael

Hallo Christian,

http://www.polixea-portal.de/index.php/ZahlenFakten/…

Super-link!

Entgeldumwandlung. Da
war wohl noch jemand übernächtigt.

*schmunzel*

Gruß
Cassius

Hallo Michael,

Dennoch scheint mir die Demokratie etwas auf der Strecke zu
bleiben, wenn das gewählte Organ morgens um 4:00h abstimmen
muss.

Dem Schluß kann ich nicht folgen.
Beschlossen wird über eine Gesetzesvorlage, die allen Parlamentariern als Drucksache vorliegt.
Was darin steht, ist vorher in Ausschüssen und den Fraktionen im Detail besprochen und formuliert worden. Dort findet Demokratie in der Praxis statt. Das Plenum, wie groß oder klein es im Moment der Abstimmung auch sein mag, kann an dieser Vorlage nichts inhaltlich ändern, sondern sie nur durchlassen oder ablehnen.

Vor allem wenn „geschickt“ Gesetze, … zu solch taktischer Zeit
abgestimmt werden.

Bei der beschriebenen Prozedur funktionieren solche taktischen Spielchen nicht!
Von einer Bananenrepublik sind wir glücklicherweise ein gutes Stück entfernt.

Ein klares Zeichen, dass wir nicht mehr wirklich in einer
Demokratie leben.

Wie Du zu dieser Schlußfolgerung kommst, bleibt Dein Geheimnis.

Gruß
Cassius

Ein klares Zeichen, dass wir nicht mehr wirklich in einer
Demokratie leben.

Wie Du zu dieser Schlußfolgerung kommst, bleibt Dein
Geheimnis.

Ganz einfach. Wer geschmiert ist, hat ein großes Interesse, auch nachts um 4:00h auf der Matte zu stehen. Wer nicht geschmiert ist, verlässt sich vielleicht auf die anderen. Mehrheitsverhältnisse lassen sich so jedenfalls sehr leicht verschieben. Ähnliche Tricks kannte damals schon unser Asta.

Hallo Michael,

Ganz einfach. Wer geschmiert ist, hat ein großes Interesse,
auch nachts um 4:00h auf der Matte zu stehen. Wer nicht
geschmiert ist, verlässt sich vielleicht auf die anderen.
Mehrheitsverhältnisse lassen sich so jedenfalls sehr leicht
verschieben. Ähnliche Tricks kannte damals schon unser Asta.

Diese Tricks kennt jeder Vereinsvorstand. Dann werden kitzlige Anträge unter „Verschiedenes“ aus dem Hut gezaubert, wenn die braven Bürgen schon lange im Bett sind.
Aber Gesetze gehen im Bundestag durch drei Lesungen, und wie Du mit diesem Trick beim selben Gesetzentwurf dreimal hintereinander durchkommen willst, will mir nicht eingehen.

Ich bleibe dabei: Demokratie wird praktiziert im parlamentarischen Alltagsgeschäft, im Plenum werden „nur“ die Ergebnisse dokumentiert.

Gruß
Cassius

Hallo Cassius,

um deinen Glauben beneide ich dich :wink:

LG
sine

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Hallo sine,

um deinen Glauben beneide ich dich :wink:

das hat nichts damit zu tun, ob ich an ein ausschließlich am Volkswohl orientiertes Parlamentariertum glaube. Dann wäre Dein „Neid“ gerechtfertigt. Aber so blau sind meine Augen nun wirklich nicht.

Michael war (oder ist) der Meinung, man könne „sachfremde“ Einflüsse besser um 4Uhr früh als um 12Uhr mittags über Abstimmungen über Gesetzentwürfe realisieren.
Ich habe versucht zu begründen, warum das nicht geht, und warum der kaum versteckte Vorwurf, über die TO der Plenumssitzungen werde manipuliert, nicht trifft.
Natürlich werden im Gesetzgebungsverfahren vielerlei und nicht immer lautere Absichten zur Geltung gebracht, aber eben auf andere Weise und an anderen Stellen in der langwierigen Prozedur.

Kannst Du mir so zustimmen?
Würde mich freuen.

Gruß
und einen schönen Abend noch
Cassius

Ja, Cassius,

ich fürchte auch, dass sich sachfremde Motive bei den Abstimmungen unserer Volksverräter auch nicht besser ausblenden lassen, wenn dieser Tagesordnungspunkt zur „besten Sendezeit“ veranschlagt würde.

Traurig aber wahr!

LG
sine

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Hi sine,

Traurig aber wahr!

Da kommt mir der sarkastisch-weise Spruch in den Sinn (ich weiß nicht, von wem er ursprünglich stammt):
„Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen,
aber ich kenne keine bessere.“

Kein Grund zur Trauer, aber Ansporn, die Kluft zwischen Ideal und Realität möglichst klein zu halten.

Gruß
Cassius

Hallo sine,

um deinen Glauben beneide ich dich :wink:

das hat nichts damit zu tun, ob ich an ein ausschließlich am
Volkswohl orientiertes Parlamentariertum glaube. Dann wäre
Dein „Neid“ gerechtfertigt. Aber so blau sind meine Augen nun
wirklich nicht.

Michael war (oder ist) der Meinung, man könne „sachfremde“
Einflüsse besser um 4Uhr früh als um 12Uhr mittags über
Abstimmungen über Gesetzentwürfe realisieren.
Ich habe versucht zu begründen, warum das nicht geht, und
warum der kaum versteckte Vorwurf, über die TO der
Plenumssitzungen werde manipuliert, nicht trifft.
Natürlich werden im Gesetzgebungsverfahren vielerlei und nicht
immer lautere Absichten zur Geltung gebracht, aber eben auf
andere Weise und an anderen Stellen in der langwierigen
Prozedur.

Kannst Du mir so zustimmen?
Würde mich freuen.

Gruß
und einen schönen Abend noch
Cassius

Hallo,

Dem Schluß kann ich nicht folgen.
Beschlossen wird über eine Gesetzesvorlage, die allen
Parlamentariern als Drucksache vorliegt.

… Die sie mangels Zeit leider nie gelesen haben.

Was darin steht, ist vorher in Ausschüssen und den Fraktionen
im Detail besprochen und formuliert worden. Dort findet
Demokratie in der Praxis statt.

Prima. Demokratie findet hinter verschlossenen Türen statt, für das Wahlvieh gibt es dann noch eine Fernsehshow mit ein paar warmen Worten vor einem leerem Plenarsaal.

Das Plenum, wie groß oder
klein es im Moment der Abstimmung auch sein mag, kann an
dieser Vorlage nichts inhaltlich ändern, sondern sie nur
durchlassen oder ablehnen.

Immerhin könnte man Gesetzesvorlagen ablehnen.

Bei der beschriebenen Prozedur funktionieren solche taktischen
Spielchen nicht! Von einer Bananenrepublik sind wir glücklicherweise
ein gutes Stück entfernt.

Nein. Wir sind mittendrin. Genau so funktioniert das Spiel. Die zur Zeit der Abstimmung anwesende Mehrheit kann das Gesetz zu Fall bringen oder abnicken. Egal, was vorher in den Gremien beraten wurde.

Noch schlimmer ist es in der EU. Da werden dann Gesetzesvorschläge zum Thema „Softwarepatente“ an den äußersten Rand der Tagesordnung des Fischereiausschusses gesetzt. Klar, da sitzen die Experten. Die nicken das dann in der Regel ab, weil sie eigentlich nur noch nach Hause wollen. Ausgerechnet den in EU Angelegenheiten noch nicht so bewanderten Polen haben wir es zu verdanken, dass dieser Kelch an uns vorüber ging.

Ein klares Zeichen, dass wir nicht mehr wirklich in einer
Demokratie leben.

Wie Du zu dieser Schlußfolgerung kommst, bleibt Dein
Geheimnis.

Da de facto ohnehin lediglich die Fraktionsvorsitzenden abstimmen dürfen, könnte man den Rest des Parlamentes einfach durh dressierte Affen oder noch besser durch Pappfiguren ersetzen. Das wäre billiger und würde am Ergebnis nichts ändern.

Gruß

Fritze

Winston Churchill owT

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Danke, ist jetzt gespeichert owT
.

Hallo Fritze,

… Die sie mangels Zeit leider nie gelesen haben.

Das findes Du in jedem Beruf.

Prima. Demokratie findet hinter verschlossenen Türen statt,
für das Wahlvieh gibt es dann noch eine Fernsehshow mit ein
paar warmen Worten vor einem leerem Plenarsaal.

Wie hättest Du es denn gerne? Möchtest Du Dich dazusetzen und mitpalavern? Dann tritt in eine Partei ein und versuche dort Deine Meinung so zu vertrete, daß andere Dir folgen und Du zu einer Mehrheit kommst. Aus der Schmollecke motzen zählt nicht.
Wir haben aus gutem Grund eine repräsentative Demokratie, eine direkte funktioniert nicht einmal in einem größeren Verein geschweige denn bei eim Volk von 80 Million Individuen.

Immerhin könnte man Gesetzesvorlagen ablehnen.

… aber nicht inhaltlich ändern, z.B. über eine früh um 4Uhr „zufällig“ ausgeschlafene Mehrheit etwas durchdrücken, was die abwesende Mehrheit nicht gewollt hat.

Bei der beschriebenen Prozedur funktionieren solche taktischen
Spielchen nicht! Von einer Bananenrepublik sind wir glücklicherweise
ein gutes Stück entfernt.

Dabei bleibe ich!

Die zur Zeit der Abstimmung anwesende Mehrheit kann das Gesetz
zu Fall bringen oder abnicken. Egal, was vorher in den Gremien
beraten wurde.

s.o.

Noch schlimmer ist es in der EU. Da werden dann
Gesetzesvorschläge zum Thema „Softwarepatente“ an den
äußersten Rand der Tagesordnung des Fischereiausschusses
gesetzt. Klar, da sitzen die Experten. Die nicken das dann in
der Regel ab, weil sie eigentlich nur noch nach Hause wollen.
Ausgerechnet den in EU Angelegenheiten noch nicht so
bewanderten Polen haben wir es zu verdanken, dass dieser Kelch
an uns vorüber ging.

Wie die Regularien im EU-Parlament sind, weiß ich nicht. Ich will nicht ausschließen, daß da noch mancher Schwachpunkt beseitigt werden kann.

Da de facto ohnehin lediglich die Fraktionsvorsitzenden
abstimmen dürfen, könnte man den Rest des Parlamentes einfach
durh dressierte Affen oder noch besser durch Pappfiguren
ersetzen. Das wäre billiger und würde am Ergebnis nichts
ändern.

Die Parteien und natürlich auch die Fraktionen achten darauf, nach außen ein geschlossenes Meinungsbild zu zeigen. Das bedeutet, daß jeweils mehrheitlich eine Meinung gebildet und diese dann auch von der Minderheit mitgetragen wird, u.U. gegen deren ursprüngliche Überzeugung, aber mit dem Willen zum für alle tragbaren Kompromiß. Aber das gehört zum Wesen der Demokratie, daß die Mehrheit bestimmt, wo es langgeht.
Es gibt eine Menge heiße Themen wie z.B. den Afganistan-Einsatz oder das Thema Forschung an Stammzellen, über den die Meinungen quer durch die Parteien und Fraktionen geteilt sind. Da nimmt sich der Abgeordnete dann schon das Recht, seine Meinung in der Abstimmung auszudrücken, weil die Kröte eines Kompromisses für ihn persönlich unverdaulich ist.

Gruß
Cassius