Carmina Burana

Die Texte zu Carmina Burana (Orff) sind ja teilweise in Latein und teilweise im Deutsch des 11./ 12. Jahrhunderts geschrieben. Hat jemand in der www-Gemeinschaft Ahnung, worauf der Text in der Nummer 16 („Dies, Nox et omnia“, Tag, Nacht und Alles) zurückgehen? „…virginum colloquia me fay planszer, oy suvenz suspirer, plu me fay temer“ hört sich so an, wie wenn da das Latein schon auf dem Weg zu französich oder italienisch (friaulisch?) wäre („Küchenlatein“?). „me fay planszer“ wird mit „macht mich weinen“ übersetzt, das wäre in französisch „me fait pleurer“. Den Übersetzungstext habe ich mir bei „www.akkordeon-orchester-baltmannsweiler.de“ heruntergeladen, Vielen Dank an die Verantwortlichen für die Zur Verfügung Stellung im Netz.

Hallo Georg,

die Carmina Burana enthalten auch einige altfranzösische Texte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich hier um einen lateinischen Text mit altfranzösischen Einsprengseln handelt.

„me fay planszer“ wird mit „macht mich weinen“ übersetzt, das wäre in
französisch „me fait pleurer“.

Laut meinem altfranzösischen Wörterbuch geht „plaindre“ (beklagen) auf dieses Wort zurück, und vom Klagen zum Weinen ist es ja kein großer Schritt.

Grüße
Pit

P.S.: Der direkte Link zu Text und Übersetzung
http://www.akkordeon-orchester-baltmannsweiler.de/No…

hallo georg strasser,
die liedersammlung carmina burana aus dem 13.jh. befand sich bis 1803 im kloster benediktbeuern.daher der name.
der anfang der sammlung ging verloren,die abfolge durch neubindungen gestört.die sammlung umfasst lateinische,altfranzösische und mittelhochdeute lieder,deren sprache zum teil durch die vortragenden verderbt wurde.
so stammen de lieder aus dem ersten teil überwiegend aus dem westen von HUGO VON ORLEANS:stuck_out_tongue_winking_eye:ETRUS VON BLOIS und PHILIPP DEM KANZLER.
die im zweiten teil aus dem deutschen sprachgebiet von REINMAR DEM ALTEN (REINMAR VON HAGENAU);und WALTHER VON DER VOGELWEIDE.

nr.16

dies nox et omnia tag u.nacht u.alles
mihi sunt contraria ist mir zuwider.
virginum colloquia plaudern d.mädchen macht mich weinen.
me fay plaszer, und vielmals seufzen
oy suvenzsuspirer
plu me faytemer und fürchten noch mehr.
o sodales ludite freunde ihr scherzt
vos qui scitisdicite ihr sprecht wie ihr´s wißt
mihi mesto parcite schont mich betrübten.
grand ey dolur, groß ist de schmerz.
attamen consulite ratet mir doch
per voster honur. bei eurer ehr
tua pulchra facies, dein schönes antlitz
me fey planser milies macht mich weinen viel tausendmal.
pectus habens glacies. dein herz ist von eis.
a remender mach´s wieder gut
statim vivus fierem ich würde lebendig sogleich
per un baser. durch einen kuss.

eine parallele wäre die manessische liederhandschrift.
so gehörte der anfang dieser lyrik noch ganz in die zeit der gesprochenen und gesungenen dichtung.
so behauptete WOLFRAM VON ESCHENBACH von sich,dass er weder lesen noch schreiben konnte.
und ULRICH VON LICHTENSTEIN mußte einen liebesbrief seiner herrin
zehn tage ungelesen auf seinem herzen tragen,bis sein lesekundiger
schreiber zurückkehrte,und ihn von seiner qual befreite.
zur damaligen zeit mußte man wortgewandt sein bei den damen,beim gegner und im politischen leben.
erst im 13.jh. drang die schriftkultur in den höheren kreisen ein.

aber das wäre ein neues kapitel.
gruß peter

Hallo,

der Text stammt aus CB 118 (http://www.hs-augsburg.de/~harsch/Chronologia/Lspost…). Orff vertonte die 5., 6. und 2. Strophe.

Ich zitiere dazu mal den Kommentar der dtv-Ausgabe (ISBN 3-423-02063-6 Buch anschauen):

„E[nstehung]: CB 116-121 wohl unter dem Enfluß des Abälardschülers Hilarius um 1150 in Paris (Lipphardt 130ff.). […] CB 118: Liebesklage; rhythmisches Strophenlied, lateinisch-romanisches Mischgedicht.“

Und ausführlicher im Textkommentar von Ulrich Müller zur Ausgabe von Clemencic/Korth (ISBN 3-7765-0274-6 Buch anschauen):

„Einen kleinen Einblick in die Welt dieser mittelalterlichen Lieder gibt eine Nachricht aus der berühmten Autobiographie des Abaelard. Der große Theologe, Lehrer und Schriftsteller Petrus Abaelard (1079-1142) hatte in seiner Jugend, in die die Entführung seiner Schülerin Heloisa, die heimliche Heirat und anschließende Kastration durch deren rachsüchtigen Onkel fallen, auch Liebeslieder gedichtet und komponiert. Von diesen Liedern erzählt Abaelard selbst, daß sie in ganz Paris bekannt gewesen seien, und daß diejenigen, die die lateinischen Texte nicht verstehen konnten, doch wenigstens die Melodien sangen. Aus dem Umkreis von Abaelards Schüler Hilarius (um 1150) stammen vielleicht einige Liebeslieder der CARMINA BURANA (z. B. Nr. 116 und 119).“

Bist du mal auf die Idee gekommen, in eine Bibliothek zu gehen und in eine der wissenschaftlichen Buchausgaben der Carmina Burana zu sehen? Insbesondere die Ausgabe des Deutschen Klassiker-Verlags (ISBN 3-618-66140-1 Buch anschauen) hat vielleicht noch ausführlichere und aktuellere Kommentare.

Weiterführende Literaturhinweise findest du hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Carmina_Burana

Grüße
Wolfgang

Hallo Pit,

die Carmina Burana enthalten auch einige altfranzösische
Texte.

Das ist missverständlich ausgedrückt. Die Carmina Burana enthalten keinen einzigen Text, der vollständig Altfranzösisch wäre.
Soweit ich sehe, ist CB 118 der einzige Text mit altfranzösischen Einschüben.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es sich hier um einen
lateinischen Text mit altfranzösischen Einsprengseln handelt.

Ja, genau so ist es.

Grüße
Wolfgang

Hallo gargas,

vielen Dank für den Tip mit Plaindre. Klar. Das ist halt bei der Übersetzung ins deutsche einfach mit „weinen“ übersetzt worden, dabei könnte man auch „klagen“ sagen. Ist schon eine interessante Sache, wenn man über den Weg mehrerer Übersetzungen sich bis zur Quelle durchgräbt.