Hallo,
Aber mal im Ernst: Ich finde es gibt keine dümmere Erfindung
als eine „Gesamtschule“. Warum sollen sich diejenigen, die
auch das Gymnasium besuchen könnten, die ganze Zeit hindurch
langweilen? Ich würde ganz sicher kein Kind auf eine
Gesamtschule stecken.
Nichts für Ungut aber für sowas gibts schließlich
Wahlfächer/Vertiefungsfächer/Leistungskurse…
grau, mein Freund, ist jede Theorie. Ich hatte das Glück, ein wirklich gutes (mathematisch-naturwissenschaftliches) Gymnasium besucht zu haben. Eine solch motivierende und leistungsfreundliche Atmosphäre hätten die Lehrer an einer Gesamtschule nicht schaffen können. Es ist nun mal fruchtbarer, wenn sich Schüler miteinander austauschen, die alle eine wissenschaftliche Karriere anstreben, als wenn sich Schüler mit absolut verschiedenen Leistungsstufen und Berufszielen in einer Klasse befinden.
Bei uns an der Schule war es gang und gäbe, dass auch in der Freizeit über mathematische Fragestellungen (Beweise) diskutiert wurde. Es war gang und gäbe, dass Schüler an Wettbewerben (Mathematik, Chemie, Bio, Jugend forscht usw.) teilnahmen. Diese Wettbewerbe sind aber von ihrem Wesen aus an - und jetzt schlagt mich ruhig für diese politisch völlig inkorrekten Worte - die intellektuelle Elite unter den Schülern gerichtet. Es können nun mal nur vier Schüler pro Jahr Deutschland bei der Internationalen Biologie-Olympiade vertreten und das werden mit ziemlicher Sicherheit Gymnasiasten sein, die ein Studium in diesem Bereich anstreben. Wenn diese Leute in einer Schule zusammengebracht werden, motivieren sie sich gegenseitig. Ich hätte wohl niemals am Jugend-forscht-Wettbewerb teilgenommen, wenn sich nicht spontan zwei weitere Leute in meinem Umkreis gefunden hätten, die an dem Projekt Interesse hatten. Und wir hätten wahrscheinlich kein so großes Interesse gehabt, wenn wir nicht von lauter Mitschülern umgeben wären, die ebenfalls an diesem Wettbewerb teilnahmen usw. Im Nachhinein muss ich sagen, haben mir die Wettbewerbe viel gebracht, auch wenn ich nicht sehr weit damit gekommen bin.
Deutschland mangelt es jetzt schon an hochqualifizierten Fachkräften. Der bloße Übergang zur Gesamtschule wird die Bildungselite nicht gerade fördern. Um die Bildungssituation für alle zu verbessern, sind Maßnahmen notwendig, die das System nach oben durchlässiger machen, die das Lernen unabhängig vom Geldbeutel der Eltern machen (z.B. kostenlose Nachhilfe nachmittags durch Lehrer), die überhaupt die Lernbedingungen verbessern (bessere Lehrerausbildung, Schulen sollten sich ihre Lehrer wie normale Arbeitgeber selbst aussuchen können, kleinere Klassen, Einstellung von Sozialarbeitern und Psychologen, praxisnaher Unterricht etc.). Diese Maßnahmen kosten viel Geld und sind bei weitem nicht so spektakulär wie die Abschaffung des dreigliedrigen Systems, deshalb sind sie bei Politikern weniger beliebt. Doch der Umkehrschluss, der häufig aus der Pisa-Studie gezogen wird, dass ein Gesamtschul-System ein Allheilmittel sei, ist schlicht und ergreifend falsch. Schwedens Schüler sind nicht deshalb so gut, weil sie alle zusammen unterrichtet werden, sondern weil dort jedes Kind, das Schulprobleme hat, individuelle Lernhilfe bekommt. Als ich mal einen ausführlichen Artikel über das dortige Schulsystem las, kam ich aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Wenn solche paradiesischen Bedingungen hier in Deutschland herrschen würden, hätten wir nicht schlechter, wenn nicht sogar besser, abgeschnitten als die Schweden. Aber für eine solche individuelle Betreuung hat der deutsche Staat kein Geld (oder will es jedenfalls nicht lockermachen).
Glaubst du denn wirklich, in einem Gymnasium gibts nicht auch
in jedem Fach Leute die sich langweilen und andere denen es
viel zu schnell geht. Da hilft das dreigliedrige Schulsystem
nicht wirklich.
Diejenigen, die sich am Gymnasium langweilen, können dort aber besser gefördert werden als auf einer Gesamtschule, denn dort finden sie eher Mitschüler, die sich auf dem gleichen Leistungsniveau befinden und mit denen sie sich austauschen können. Diejenigen, die überfordert sind, gehören dann eben auf die Realschule. Wobei ich aber der Meinung bin, dass man vielen helfen könnte, wenn an deutschen Schulen individuelle Nachhilfe durch Lehrer stattfinden würde. Denn manche Schüler brauchen nur einen Anschub, um dann so richtig aufzublühen. Nur, diesen Anschub werden sie erst recht nicht auf der Gesamtschule bekommen.
Und wie mein Vorredner schon sagte, würdest du dein Kind mit
ruhigem Gewissen auf eine Hauptschule schicken, bloss weil es
in ein paar Fächern leistungsschwächer ist?
Es müssen schon so einige Fächer sein. Ich kenne mich mit den Versetzungsbedingungen nicht so gut aus, aber wenn ich mich recht erinnere, braucht man schon so 2 Fünfen oder Sechsen auf dem Zeugnis ohne Ausgleich, um sitzenzubleiben. Wer das auf einer Realschule hinkriegt, ist entweder tatsächlich überfordert oder, was ich eher vermute, braucht individuelle Hilfe. Ich hätte nichts dagegen, wenn man in Hauptschulen wesentlich mehr Geld als derzeit investieren würde, um diese Schulen zu einer Art „Übergangslehranstalt“ nach oben hin zu machen, wo man quasi individuellen Förderunterricht bekommt, um lerntechnisch „wieder auf die Beine zu kommen“. Wenn mein Kind Noten hätte, die eine Hauptschulempfehlung rechtfertigen würden, würde ich mir ernsthaft Gedanken machen, woran das liegt, denn so schwer ist es nun auch wieder nicht, in allen Fächern in der Realschule mind. eine 4 zu kriegen.
Gruß,
Anja,
die heute lauter Postings schreibt, mit denen sie sich wohl für immer und ewig in diesem Forum unbeliebt macht 