Chemische Gleichgewichte

Hallo

Ich habe zwei Fragen bezüglich chemischer Gleichgewichte:

i) Die erste Frage betrifft heterogene Gleichgewichte:

Die Autoren meines Lehrbuches behaupten, dass - aufgrund der konstanten Konzentrationen innerhalb reiner fester oder flüssiger Phase - bei einem heterogenen Gleichgewicht die Konzentrationen von Feststoffen und Flüssigkeiten in die Konstante K miteinbezogen werden können und nicht explizit im Massenwirkungsgesetz aufzuführen sind.

Ich sehe ja ein, dass wenn sich die Konzentrationsangaben auf das durch die jeweilige Phase ausgefüllte Volumen beziehen, die Konzentration in einem reinen Feststoff oder in einer reinen Flüssigkeit konstant sind (natürlich unter der Voraussetzung dass sich Druck und Temperatur nicht verändern). Aber:
Die Konzentrationsangaben vereinfachen im Geschwindigkeitsgesetz ja eigentlich die Angabe der total vorhandenen Stoffmengen und sind deshalb doch immer auf das Volumen des gesamten Reaktionssystems zu beziehen. Man denke beispielsweise an einen Festkörper, der sich in einem mit Gas gefüllten Behälter befindet: Je nach Grösse dieses Festkörpers (also je nachdem wie gross seine Stoffmenge ist) wird sich wohl ein anderes Gleichgewicht einstellen, oder nicht?

ii) Die zweite Frage betrifft das Prinzip des kleinsten Zwanges:

Es geht um die Auswirkung einer Konzentrationsänderung eines beliebigen Edukts oder Produkts. Oft wird behauptet, dass wenn man zum Beispiel die Konzentration eines Produkts erhöht, sich das Gleichgewicht nach links zu den Edukten hin bewege. Ich sehe ja ein, dass kurzzeitig eine verstärkte Rückreaktion einsetzt, aber ich verstehe nicht, wieso sich das Gleichgewicht verändern soll. Wenn wieder ein Gleichgewichtszustand erreicht ist, ist die Gleichgewichtskonstante K ja noch die genaue gleiche wie zuvor! (lässt sich rechnerisch beweisen)

Erst dachte ich, dass hier mit dem „Gleichgewicht“ vielleicht das Verhältnis zwischen der Stoffmengensumme der Edukte und der Stoffmengensumme der Produkte gemeint sein könnte. Aber auch das würde keinen Sinn ergeben. Eine Erhöhung einer Produktkonzentration führt grundsätzlich in jedem Fall (nach erneutem Erreichen des Gleichgewichtszustandes) zu einer Zunahme der Edukt- und der Produktkonzentrationen. Je nach Reaktion kann die Erhöhung der Produktkonzentrationssumme sogar stärker ausfallen, als die der Edukte.

Ich versteh diese Aussagen einfach nicht. Das eine Temperatur- oder Druckänderung zu einer Verschiebung des Gleichgewichtes führt, gibt ja Sinn, nicht aber die Änderung einer Konzentration. Bald würde wieder das genau gleiche Gleichgewicht vorliegen.

Entweder bin ich gerade einfach zu müde, oder solche Aussagen sind einfach unpraktisch formuliert und man will eigentlich nur zum Ausdruck bringen, dass eine kurzzeitige Intensivierung der Reaktion, welche der von aussen beigeführten Konzentrationsänderung entgegenwirkt, stattfindet.

Kann mir jemand weiterhelfen? Bedanke mich schon im VOraus für Antworten.

mfg phychem

Hallo phychem,

zu Punkt 2: Genau das ist doch der Trick. Die Konstante bleibt eben konstant. Änderst Du nur die Konzentration der Produkte, würde sich die KOnstante verändern. Das ist aber nicht der Fall, sie bleibt konstant. Ergo geht eine Reaktion in Richtung Edukte, bis das Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Die Aussage „sich
das Gleichgewicht nach links zu den Edukten hin bewege“ ist also falsch; das Gleichgewicht ändert sich nicht.

Ralph

Ja, dass seh ich eigentlich auch so. Ich war nur verwirrt, weil so vielle Autoren das Ändern der Konzentration in einem Satz mit der Änderung der Temperatur und des Druckes erwähnen. Letztere führen aber klar zu einer Verschiebung des Gleichgewichts, während die Konzentrationsänderung keinen Änderung des Gleichgewichts bewirken sollte. Ich finde es eher schwach, dass beispielsweise ein Buch, wie das von Mortimer und Müller, mit dem heute viele Studienanfänger arbeiten, Sätze enthählt wie:

„Wird die Konzentration einer Substanz erhöht, so wird sich das Gleichgewicht so verlagern, dass die betreffende Substanz verbraucht wird und sich deren Konzentration wieder erniedrigt.“

„Wenn sich das Gleichgewicht wieder eingestellt hat, so wird die Konzentration von X grösser sein als zu beginn; man sagt das Gleichgewicht habe sich nach rechts verlagert oder verschoben.“

„Zusatz von Y verschiebt das Gleichgewicht nach links…“

„Auch die Entfernung einer Substanz aus dem Gleichgewichtssystem verlagert das Gleichgewicht.“

Dank dir für die Antwort

Naja, die Leute sind halt Chemiker und keine Germanisten.

Ralph

zu Punkt 1)

Im Massewirkungsgesetz müssen nicht unbedingt Konzentrationen stehen. Man kann beispielsweise auch Partialdrücke oder Molenbruchaktivitäten einsetzen. Letztere sind bei reinen Stoffen definitionsgemäß 1 und tragen deshalb nichts zur Gleichgewichtskonstante bei.

Wenn Du Konzentrationen verwendest, dann beteiligen die sich bei reinen Stoffen nur als konstante Faktoren an der Geschwindigkeitskonstante, weil die molaren Volumina konstant sind. Die Konzentration von reinem Wasser beträgt bei 4°C beispielsweise 55,5068 mol/l. Das kann man in der Rechnung berücksichtigen, muss man aber nicht, weil es sich sowieso wieder herauskürzt, wenn Wasser in reiner Phase oder wenigstens in sehr großem Überschuss vorliegt.

Das konstante Faktoren weggelassen werden können, versteh ich ja, aber:

Das Massenwirkungsgesetz lässt sich ja über das Verhältnis zwischen Hin- und Rückreaktionsgeschwindigkeit herleiten. Bei Geschwindigkeitsgesetzes werden anhand von Stoffmengen- oder Konzentrationsänderungen (oder bei Gasgemischen auch die zu den Stoffmengen äquivalenten Partialdrücke) festgelegt. Nun müssen sich doch alle Konzentrationen auf das gleiche Volumen, nämlich das Volumen des Reaktionssystem beziehen. Andernfalls wäre ja das Prinzip, auf dem die Formulierung des Geschwindigkeitsgesetzes mit Konzentrationsangaben gründet und das die Angabe von Konzentrationen anstelle von Stoffmengenangaben erlaubt, nicht erfüllt. Ich will im Geschwindigkeitsgesetz ja wissen, wieviele Atome bzw. Moleküle des Festkörpers bzw. der flüssigen Phase pro Zeiteinheit reagieren. Um das als Konzentrationsänderung zu formulieren muss doch das Volumen ein festes sein und nicht einfach das der jeweiligen Phase, das sich im Verlauf der Reaktion ändert.

Angenommen ein reiner Festkörper vom Volumen 0,5 L befindet sich in einem 1 L Gefäss und reagiert mit einem Gas, dass die restlichen 0,5 L ausfüllt. Wenn im Verlauf der Reaktion mehr Teilchen des Festkörper zu gasförmigen Produkten umgewandelt werden und dadurch in die Gasphase übergehen als umgekehrt, dann nimmt das Volumen des Festkörpers und die Konzentrations der Festkörpersubstanz bzgl. dem Volumen 1L ab; die Konzentration innerhalb des nun kleiner gewordenen Festkörpers bleibt aber gleich. Um nun das Geschwindigkeitsgesetz und das Massenwirkungsgesetz korrekt zu formulieren, darf ich doch nicht einfach die konstant geblieben Konz. der festen Phase verwendet???

mfg

Das konstante Faktoren weggelassen werden können, versteh ich
ja, aber:

Das Massenwirkungsgesetz lässt sich ja über das Verhältnis
zwischen Hin- und Rückreaktionsgeschwindigkeit herleiten.

Bei konstanter Konzentration wird aus einem Zeitgesetz n-ter Ordnung ein Zeitgesetz pseudo-nullter Ordnung. Das Endergebnis ist dasselbe.

Nun
müssen sich doch alle Konzentrationen auf das gleiche Volumen,
nämlich das Volumen des Reaktionssystem beziehen.

Nein, müssen sie nicht. Entscheidend sind die Konzentrationen am Ort der Reaktion. Wenn da irgend eine Komponente als reiner Stoff vorliegt, dann ist seine Konzentration solange konstant, bis er weg ist.

Dank dir für die Antwort

Ich denke ich habs nun verstanden.

Im Beipsiel mit dem Gas und dem Festkörper könnte man also so argumentieren: Da am Ort der Reaktion, d.h. an der Oberfläche des Festkörpers, keine Änderung der Festkörperkonzentration stattfindet und sich nur die Konzentration des Gases ändert, ist auch nur diese im Massenwirkungsgesetz aufzuführen.

Eigentlich absolut einleuchtend. Wundere mich gerade, wieso ich nicht selber auf diese eigentlich absolut banale Antwort gekommen bin.

Danke dir für die Hilfe

lg

  1. ändern sich K bei änderung der konzentrationen?

NEIN
A + B --> C + D
ändere ich die konzentrationsverhältnisse von A und B oder C und D wird die Lage des Gleichgewichtes NICHT beeinflusst. Im mwg werden die konzentrationen zueinander ins verhältnis gesetzt, an diesen verhältnis ändert sich nichts.
leider wird dies in einigen lehrbüchern irreführend behauptet.
bsp. verringe ich die konzentration von D (z.B. ausfällen, entfernen aus dem ggw)wird in der tat die hinreaktion bevorzugt und es bilden sich mehr produkte, ABER in dem augenblick befinde ich mich nicht im ggw, warte ich hingegen bis sich das ggw wieder einstellt hin=rückreaktion), sind die verhältnisse von edukte und produkt wieder das selbe, sprich K hat sich nicht geändert.
empfohlene literatur:
Atkins: Physikalische Chemie;
Wolf: Lehrwerk Chemie/ Chemische Thermodynamik

das prinzip des kleinsten zwanges hat nicht zwingend etwas mit der lage des ggw zu tun.
die lage des ggw kann nur durch temperatur und im geringen maße durch druckänderungen verlagert werden.