Hallo,
unten stehen ja schon viele, teil verwirrende, teils widersprüchliche Antworten. Darum will ich versuchen, die Sache nochmal auf den Punkt zu bringen:
Der Begriff Chromosom stammt aus den frühen Tagen der Mikroskopie, wo man in sich teilenden Zellen kleine Körperchen (so Dinger eben) gefunden hat, die sich mit verschiedenen Farbstoffen recht gut färben ließen. Daher hat man sie „färbbare Körperchen“ genannt, auf griechisch-schlau nach χρῶμα = chroma = die Farbe und σῶμα = soma = Körper -> chromo-soma -> Chromosom.
Dieser Begriff stammt aus einer Zeit, als noch nicht klar war, dass das irgendwas mit Vererbung und Genetik zu tun hatte. Auch kannte man natürlich den stofflichen Träger der Erbinformation (die DNA) noch nicht.
Die DNA hingegen fand man später erst als eigenartige, hochmolekulare saure Verbindung, und zwar vor allem im Zellkern. Da fand man auch Proteine, aber die kannte man von anderen Gelegenheiten schon. Somit stand im Raum, dass DNA wahrscheinlich wenigstens ein Bestandteil dieser ominösen Chromosomen sein könnte. Tatsächlich konnte man DNA neben Proteinen als Bestandteil von Chromosomen nachweisen. Inzwischen hat man auch zeigen können, dass nicht etwa die Proteine im Zellkern, sondern offensichtlich diese DNA der stoffliche Träger der genetischen Information ist.
Watson und Crick haben schließlich die Struktur der DNA aufgeklärt. Seither ist klar, dass DNA-Moleküle riesig lange, zu einer Doppelhelix verdrillte Stränge sind. Diese irrsinnig langen dünnen Doppelhelix-Stränge werden auch als DNA-Fäden bezeichnet. Man konnte auch zeigen, dass sich in jedem Chromosom genau zwei solche Moleküle befinden. Interessanterweise werden diese Chromosomen währen der Zellteilung in ihrer Mitte auseinander gerissen, so dass jede Tochterzelle die Hälfte eines jeden Chromosoms erhält. Diese „halben Chromosomen“, die auf die Tochterzellen verteilt werden, sind ihrer Art nach aber auch nichts anderes als „färbbare Körperchen“, also Chromosomen. Begrifflich ist klar, dass es keine „halben Körperchen“ gibt. Ein Körperchen ist ein Körperchen. Die Hälfte davon ist halb so groß, aber immer noch ein Körperchen. Um mit den „ganzen“ und den „halben“ Chromosomen nicht durcheinander zu kommen, hatt man die Chromosomen-Hälften als Chromatiden bezeichnet und spricht ganz genau von den Zwei-Chromatid-Chromosomen, die bei der Zellteilung in je zwei Ein-Chromatid-Chromosomen getrennt werden.
Nun ist klar: Die Anzahl der DNA-Moleküle in einem Chromatid ist immer eins. Die DNA in einem Chromatid ist immer mit Proteinen „verbunden“. Sie liegt niemals „nackt“ im Zellkern herum. Normalerweise ist dieser recht große Komplex aus DNA und Protein locker verknäuelt und wird im Mikroskop nicht als körperliches, abgrenzbares Ding gesehen (sondern eher als höchstens griselige Masse). Wenn die Zelle sich teilt, muss sie dieses Chaos jedoch entwirren und gesittet auf zwei Tochterzellen verteilen. Das schafft sie, indem sie zuerst mal diese riesigen Moleküle ganz stark aufwickelt, sie sozusagen in eine Transportform bringt. In dieser Form ist die Packung so dicht und die Strukturen so groß, dass man sie im Mikroskop sehen kann (genau: als Chromosomen).
Weil (Ein-Chromatid-Chromosomen) immer genau ein DNA-Molekül enthalten, wurde „Chromosom“ zu einem Synonym für „ein individuelles DNA-Molekül“. Somit spricht man heute einfach von „Chromosomen“, nicht nur wenn man mit den färbbaren Körperchen zu tun hat, sondern auch wenn man die DNA-Moleküle meint, welche während der Zellteilung zu diesen färbbaren Körperchen kompaktiert (kondensiert ist hierfür der Fachausdruck) werden können.
So findet man während der Zellteilung einer normalen menschlichen Zelle zB. 46 Chromosomen, die aus je 2 Chromatiden bestehen. Wie oben schon gesagt, besteht jedes Chromatid aus vielen Proteinen und genau einem DNA-Molekül. Diese DNA-Moleküle waren schon im Zellkern, bevor die Chromosomen im Mikroskop sichtbar werden. Der Zellkern enthält also normalerweise 92 DNA-Moleküle. Heute wissen wir, dass es sich dabei um zwei Sätze von DNA-Molekülen mit identischen Sequenzen handelt: Zu jedem DNA-Molekül gibt es eine (recht) genaue Kopie. Diese beiden Kopien finden sich in den Zwei-Chromatid-Chromosomen zusammen. Diese beiden DNA-Moleküle nenne ich mal Zwillings-Moleküle.
Die DNA-Moleküle in der Zelle sind nicht alle gleich groß. Natürlich sind die Zwillings-Moleküle immer gleich lang, aber die verschiedenen Zwillingspaare haben unterschiedliche Längen. Je nach Länge der DNA in einem Chromatid ist das Chromosom größer oder kleiner. Die Chromatiden eines Zwei-Chromatid-Chromosoms sind daher schonmal immer gleich groß. Man findet nun aber auch immer Paare von Zwei-Chromatid-Chromosomen, die gleich groß sind. Zudem zeigen sie die gleichen Substrukturen (die man mit besseren Färbetechniken und Mikroskopen erkennen kann). Die Chromosomen dieser Paare sind sich sehr ähnlich, aber nicht identisch. Sie sind die beiden elterlichen Beiträge: von diesen sog. homologen Partnern stammt einer von der Mutter, der andere vom Vater. Somit kommen wir auf 23 Paare homologer (Zwei-Chromatid-)Chromosomen in der Zelle. Auf den homologen DNA-Molekülen sind die selben Gene, allerdings können sie in anderer Ausführung vorhanden sein. Beispiel Blutguppe: Auf dem Chromosom 9 (man hat die 23 Paare ihrer Größe nach durchnummeriert) befindet sich das Gen für die Blutgruppe. Während das (Zwei-Chromatid-)Chromosom von der Mutter zB. zur Ausbildung der Blutgruppe „A“ führen kann, kann das homologe Chromosom vom Vater zur Ausbildung der Blutgruppe „B“ führen (wenn das der Fall ist, hat das Kind die Blutgruppe AB). Das Gen für die Blutgruppe befindet sich immer auf dem „Chromosom Nr. 9“ (wovon es in jeder Zelle zwei homologe Versionen gibt). So hat jedes homologe Chromosomenpaar seinen ganz eigenen, individuellen Satz von Genen.
Nochmal konkret:
Mich verwirrt der Zusammenhang zwischen Chromosomen und DNA.
Ein Chromosom soll die geradlinige, oder sagen wir besser
fadenförmige Form des DNA-Doppelhelix-Moleküls sein, mit noch
zusätzlichen Proteinen.
Chromosomen sind die färbbaren, Lichtmikroskopisch sichtbaren Körperchen. Sie enthalten DNA und Protein.
DNA ist eine Stoffklasse, so wie Protein, Kohlenhydrat und Fett. Hämoglobin-Protein ist ein anderes Protein wie Kollagen-Protein. Sie unterscheiden sich in ihren (Aminosäure-)Sequenz. Eine Lösung von Hämoglobin enthält viele Hämoglobin-Moleküle. Wie bei Protein gibt es auch bei DNA verschiedenartige Typen, deren Moleküle sich in ihrer (Nukleotid- oder Base-)Sequenz unterscheiden. Leider haben diese DNA-Typen keine unterschiedlichen Namen (so wie „Hämoglobin“, „Kollagen“, „Actin“ bei Proteinen oder „Stärke“, „Amylopektin“, „Cellulose“ bei Kohlenhydraten usw).
Begrifflich identifiziert man ganz bestimmte, natürlich vorkommende Typen von DNA-Molekülen als „Chromosom“. So ist klar, dass das DNA-Molekül „Chromosom Nr. 9“ meiner Zellen im Wesentlichen dieselbe Sequenz hat wie das DNA-Molekül „Chromosom Nr. 9“ in deinen Zellen.
Ein Chromosom scheint also einfach ein DNA-Doppelhelix-Molekül
zu sein, welche sich in der molekularischen Form geändert hat
-> eben zu einer Fadenform. Stimmt das? oder bin ich da
falsch?
Entweder man versteht „Chromosom“ als Synonym für ein DNA-Molekül mit einer bestimmten Sequenz, oder als färbbares Körperchen. Im letzteren Falle ist das Gegenteil deiner Vermutung richtig: das Chromosom ist die kondensierte Form der DNA (wobei - beachte! - das darin verpackte, aufgewickelte DNA-Molekül im Grunde immer noch ein langer Faden ist, so wie der Wollfaden ein faden bleibt, auch wenn ich ihn zum Wollknäuel aufwickele).
Und das verwirrt mich auch: Es gibt 23 verschiedene Arten von
Chromosomen beim Menschen. Wo sind diese Chromosomen zu
finden?
Im Zellkern.
Es gibt doch nur EINE DNA für jeden Menschen.
Begriffsverwirrung: „DNA“ bezeichnet eine Stoffklasse, kein spezifisches Molekül. Wenn man von der „DNA des Menschen“ spricht, meint man all die DNA-Moleküle mit Nukleotid-Sequenzen, wie sie für das menschliche Genom typisch sind (das ist molekular übrigens gar nicht so einfach festzumachen!).
Für mich
bedeutet das, dass ein Chromosom einfach eine bestimmte
Sequenz der DNA ist, aber ich hab keine Ahnung ob das stimmt.
Doch, im Wesentlichen stimmt das. Wenn man von „Chromosom Nr. 9“ und vom „Chromosom Nr. 5“ spricht, so meint man zwei Sorten DNA-Moleküle mit unterschiedlichen Sequenzen (und eben unterschiedlichen Sätzen an Genen). Wenn ich von meinen Chromosom Nr. 9 spreche, so habe ich dabei auch im Hinterkopf, dass ich ja zwei homologe Partner dieses Chromosoms habe (eins von der Mutter, eins vom Vater), die zwar die selben Gene beherbergen, aber diese in unterschiedlichen Ausführungen haben können. Und dann weiß ich auch, dass ich sowohl das mütterliche als auch das väterliche DNA-Molekül in je doppelter Ausfertigung vorliegen habe. Somit sehe ich vor meinem geistigen Auge 4 einzelne Moleküle, von denen sich je fast identisch sind und diese beiden Paare sich sehr ähnlich sind. Diese 4 Moleküle fasse ich unter „Chromosom 9“ zusammen. Ich kann es wenn nötig genauer spezifizieren, wenn ich zB. von dem „linken“, väterlichen Ein-Chromatid-Chromosom spreche.
Kann jemand Licht ins dunkel bringen??
Da, wo’s noch dunkel ist, bitte nochmal nachhaken.
LG
Jochen