Chrysostomos Messwein

Hallo,

ich hatte gestern mal etwas ganz außergewöhnlichen Wein in der Hand, nein, nicht getrunken, sondern nur in der Hand. Ein Theologe hielt mir eine Flasche Wein hin, zu der ich etwas sagen sollte, was ich aber nicht konnte, was auch der Grund dafür ist, dass ich hier nachfrage.

Das Etikett lautete:

C. u. H. Müller-Flape
Insel Samos
Vinos Chrysostomos
Messwein
Griechenland

Die Flasche ist nach Angabe des Besitzer ca. 20 oder sogar 30 Jahre alt.

Google bringt nur drei oder vier merkwürdige Ergebnis-Seiten, auf denen dann der Wein überhaupt nicht auftaucht.

Wer weiß etwas zu Herkunft (Griech. Wein mit deutschem Etikett), Haltbarkeit, Trinkbarkeit, Geldwert etc. zu sagen.

Gruß

Bona

Hallo Bonaventura,

darf ich vorneweg fragen was du hättest groß zu dem Wein sagen sollen bzw. was der Theologe von dir erwartete?

Also, ich versuche mal das Etikett zu interpretieren.
Der Wiki-Eintrag zu Flape bzw. Müller-Flape ( http://de.wikipedia.org/wiki/Flape ) legt eine eher große Firma nahe. Wahrscheinlich ein Großimporteur der Ware aus aller Welt auf den Einzelhandel weiterverteilte und dabei wohl auch dir Kirche belieferte.

Die Angabe „Insel Samos“ kann sich sowohl auf die geographische Herkunft, wie auch für einen assozierten, ähm, „einfachen Landwein“ der zu geschätztem 0,1% wirklich von der Insel kommt. Angesichts des äußeren Umstände würde ich eher auf die Echtheit der Angabe tippen (namhafter Händler&bedeutender Kunde).

Vinos Chrysostomos ist wahrscheinlich der Name des Winzers oder des Weingutes, eine ortsübliche Spezialitätenbezeichnung - vergleichbar mit Vinsanto o.ä. - wäre auch denkbar, mir aber nicht geläufig. Ohne einen Vornamen läßt sich das Weingut nicht ohne weiteres bestimmen.

Das Fehlen der Jahrgangsangabe ist typisch für Messwein. Für diese Weine gelten in der Regel andere Rahmenbedingungen als für andere Weine. Im Vordergrund steht die Trinkbarkeit, ein niedriger Alkoholgehalt und letztenendes auch ein guter Einkaufspreis. Meistens fällt die Wahl auf einen einfachen Wein (Land-, Tafelwein oder in Deutschland QbA) der bestenfalls halbtrocken, eher lieblich bis sehr lieblich ist und zwischen 8% und 10% Alkohol aufweist. Preislich bin ich nicht orientiert.

Zu deinen konkreten Fragen:
-die Herkunft kann ich nicht genauer als bereits erwähnt bestimmen. Da die Firma Müller immer noch besteht würde ich sie kontaktieren und genauere Informationen erbitten.
-die Haltbarkeit ist meines Wissens nach bei solchen Weinen relativ kurz, allenfalls einige Jahre (er handelt sich mehr um ein Verbrauchsgut denn einen „normalen“ Wein)
-die Trinkbarkeit müßte man auf dem üblichen Weg klären, mittels etwas Mut, zweier Gläser und eines Korkenziehers. Theoretische zuverlässige Angaben dazu sind prakatisch ausgeschlossen. Meine Einschätzung: Wunder gibt es immer wieder, diese Flasche hätte eins nötig wenn sie noch mit Freude getrunken werden soll.
-der Geldwert tendiert entweder gegen Null -wenn man an das typische Weinpublikum denkt- oder ist höchst individuell - im Hinblick auf spezialisierte Sammler oder kirchlich besonders interessierte Menschen, jedenfalls schwer zu proknostizieren. Persönlich würde ich euch sehr viel eher zum probieren denn zum verkaufen raten.

Ich hoffe ich konnte dir etwas helfen, viel Spaß mit der Flasche!

Hallo Sebastopol,

darf ich vorneweg fragen was du hättest groß zu dem Wein sagen
sollen bzw. was der Theologe von dir erwartete?

vermutlich genau das, was du jetzt geschrieben hast, auch wenn er sich den Preis vielleicht anders vorgestellt hat. Ich denke auch, dass dieser Wein für ihn eher Erinnerungswert hat. Er hat ihn - wie ich heute von ihm erfahren habe - übrigens 1972 oder 1973 erhalten.

Danke sehr für deine ausführlichen Bemerkungen, ich habe sie gerade eben weitergeleitet.

Gruß

Bona

hat ihn - wie ich heute von ihm erfahren habe - übrigens 1972
oder 1973 erhalten.

Dann gäbe es die theoretische Möglichkeit das der Wein im Jahr 71 gelesen wurde, einem der in Europa sehr guten bis besten Jahrgänge der letzten Jahrzehnte. Wie dieses Jahr speziell in Griechenland bzw. der kleinen Insel Samos ausgefallen ist kann ich leider nicht sagen. Immerhin könnte ein ausgezeichneter Jahrgang sich positiv auf die Erhaltung auch eines einfachen Weins auswirken.
Ich denke ihr solltet keine geschmackliche Offenbarung erwarten, aber eine sehr interessante Probe steckt da schon drin. Vielleicht könnt ihr ja von eurem örtlichen Pfarrer im Tausch gegen einen andern Wein, eine Flasche vom gegenwärtigen Meßwein erbitten. Vielleicht noch die Firma Müller um eine Flasche Samoswein bemühen und schon habt ihr eine kleine Vergleichsstrecke :smile: Prost!

Hallo,

der Empfänger war völlig überrascht und ahnungslos, dass man überhaupt soviel zu seinem Wein sagen kann. Er möchte, dass ich mich in seinem Namen noch einmal ausdrücklich bedanke.

Gleichzeitig gab er an, dass er die Flasche keinesfalls verhökern wolle, sondern dass er in einer ihm bisher noch unbekannten stillen Stunde diesen Wein wohl einmal probieren würde. Der ideelle Wert der Flasche wegen der hier uninteressanten Umstände des Erhalts sei ungleich höher als der pekuniäre.

Vielen Dank also nochmal.

Gruß

Bona

Das finde ich eine sehr schöne Entscheidung und hoffe er läßt dich an diesem Moment teilhaben. Wirklich sehr gern geschehen, viel Freude an der Flasche!