Coronavirus: Wann könnte der Lockdown zu Ende sein?

Aber das ist doch genau das, was die meisten Leute wollen. Anders ist doch nicht zu erklären, daß die einzige Partei, die für einen zurückhaltenden Staat wirbt, für Eigenverantwortung und mehr Markt wird, nur ausnahmsweise über 10% der Stimmen erhält und ansonsten für jeden Ansatz, mal mehr Markt als weniger zuzulassen, verspottet und beschimpft wird. Wer stellt sich denn heute hin und verlangt, daß sich der Staat weniger einmischen soll, was ja zu aller erst weniger Regeln, mehr Markt und damit weniger Umverteilung von oben nach unten bedeutet? Weniger Regel heißt doch für die meisten „weniger Regeln für mich, aber mindestens genauso viel Geld wie vorher“. Das funktioniert aber nicht und deswegen ist es auch nur konsequent, daß der Staat immer mehr Regeln einführt.

Oder anders formuliert: Regeln sind Vorschriften, die die Menschen davon abhalten sollen, das zu tun, was sie ohne diese Vorschriften machen würden. Der schwachsinnige Ansatz, sich als menschliche Gesellschaft mit immer mehr Regeln vom normalen menschlichen Verhalten abhalten zu wollen, funktioniert nur, weil die meisten Menschen glauben, hoffen oder irrtümlich annehmen, daß die meisten Regeln andere Menschen stärker betreffen als sie selbst.

Hallo,
ja, genauso ist es - und sie (ich natürlich auch) wollen keinen Statt, in dem die AFD regiert.
Auch in einer Demokratie geht es nicht ohne Regeln, so einfach ist das, und solche Meinungen, wie sie hier teilweise dargelegt werden, können nur aus einer demokratischen Erfahrung her abgeleitet werden, weil es in der Natur des Menschen liegt, mit dem momentanen nicht zufrieden zu sein, sondern immer mehr zu verlangen. Das ist in allen Gebieten so, warum nicht auch in dem Ausdruck nach Freiheit und vollständigen Umsetzung des eigenen Willens.
Wären wir hier alle Chinesen oder Nordvietnamesen, hätten wir eine andere Denke und auch andere Probleme, meine ich.
Gruss
Czauderna

1 Like

Ja, sicher, das stimmt.

Wobei diese unmittelbar politische Ebene ja nur ein Oberflächenphänomen der menschlichen Willensbildung ist.
Wir haben ja in der Stärkung der Rolle des „Konsumenten“ (für „grüne“ und regionale Produkte, fair trade usw.) beispielsweise ja durchaus auch eine Betonung des aufklärerischen autonomen Subjekts, das (die Nebenfolgen) sein(es) Tun(s) einsieht und sich selbst Regeln gibt.
Ich sehe da also den politischen Liberalismus nicht als dessen letzte Bastion.

Was für mich aber unübersehrbar ist, ist eine grandiose Infantilisierung der Menschen seit vielen Jahrzehnten.
Das ist z.B. ersichtlich an der starken Pädagogisierung der Politik.

Da passt die gegenwärtige Situation, dass wir (aus noch so gutem Grund) nun quasi von Papa Staat unter Hausarrest gesetzt werden, als Sinnbild einfach genial.
So wirds ja in den Social Media oder auch in manchen Politikerreden selbst kommuniziert:
Bleibt brav daheim, sonst müssen wir euren Hausarrest verschärfen
Gruß
F.

Das sind doch allenfalls Fragmente der Gesellschaft, während der Rest Hähnchenschenkel im 20er-Pack beim Discounter für 4,99 kauft oder Schokolade für 29 Cent die Tafel, bei der allenfalls ein Teil des Verpackungspapiers so etwas ähnliches wie nachhaltig oder fair trade ist.

Ja, aber woher kommt es? Warum muß man den Leuten sagen und vorschreiben, daß sie im Internet nicht beleidigen, Mord und Totschlag gegen Andersdenkende fordern oder erfundenen Unsinn verbreiten dürfen? Warum muß man den Leuten sagen und vorschreiben, daß sie weder volltrunken noch unter Drogen am Straßenverkehr teilnehmen dürfen? Und daß das auch für Elektroroller gilt?

Ich glaube nicht, daß das eine gesellschaftliche Entwicklung an sich ist. Vielmehr bin ich der Ansicht, daß es zu lange keine Phase mehr gab, die gesellschaftlichen Zusammenhalt erforderte. Daß nun eine Generation volljährig ist, die kaum noch eine Gelegenheit hatte, mit Menschen zu sprechen, die den zweiten Weltkrieg noch erlebten. Eine Generation, die nur offene Grenzen, den Euro, das Internet, praktisch unbegrenzt möglichen privaten Konsum und eben keine existentiellen Sorgen mehr kennt. Eine Generation also, die überhaupt nicht mehr wissen kann, daß ein gesellschaftlicher Zusammenhalt wichtig ist und daß es eben nicht nur um den eigenen persönlichen Vorteil geht. Eine Generation, die letztes Jahr massiv gesellschaftliches, ja globales Handeln forderte, um ihre eigene Zukunft zu sichern, aber nicht verstanden hat, daß ihr eigener Konsum ein wesentlicher Teil des Problems ist. Daß sie nun die Früchte der Errungenschaften derjenigen erntet, die sie im gleichen Atemzug bezichtigt, ihnen die Zukunft gestohlen zu haben.

Kurz und knapp: es geht um Egoismus, um den eigenen Vorteil und um das eigene Vorankommen. Das sind völlig normal-menschliche Verhaltensweisen bzw. Ziele (*), die nur immer dann unterdrückt werden (müssen), wenn es einen gesamtgesellschaftlichen Notstand gibt, den es aber eben - zumindest im Westen - schon seit 70 Jahren nicht mehr gab.

Vielleicht kommt es daher, daß man immer mehr Regeln braucht und vielleicht auch daher, daß immer mehr Menschen der Ansicht sind, daß es nicht reicht, die gleichen Möglichkeiten zu haben, sondern auch gleich viel wie alle anderen zu haben - oder besser sogar mehr.

(*) Ich habe hier eine Neunjährige sitzen, die jetzt allmählich begreift, daß es nicht immer nur um den eigenen Vorteil geht, um die eigenen Bedürfnisse und um die eigenen Probleme. Insofern ist das nicht nur normal-menschliches Verhalten, sondern vor allem kindliches Verhalten. Insofern ist der Begriff „Infantilisierung“ vor Dir gut gewählt. Ich habe hier übrigens auch eine Vierjährige, die mich schon vor zwei Jahren fragte, wie mein Tag war. Die mich letztes Jahr fragte, ob es mir im Restaurant geschmeckt hat und ob es im Hotel gut war. Die meiner Frau sagt, daß sie beim nächsten mal daran denken soll, mir auch ein Eis zu kaufen, nachdem die drei von der Eisdiele nach Hause kamen. Vielleicht gibt es von der Sorte noch ein paar junge Menschen.

3 Like

Hallo FBH,
das ist alles nicht von der Hand zu weisen.
Das sind vermutlich leider zu diffrenzierte und subtile Bedenken, um in der gegenwärtigen Krise auch nur den Hauch von Gehör zu finde.
Ich lese Deine Bedenken seit einiger Zeit, manchmal verstehe ich sie, manchmal nicht.
Aber ich vertraue darauf, dass das überlegt ist.
Das mal als Basis.

Also, darüber scheinen wir schon mal agreement zu haben:

Gibt es dazu:

momentan eine Alternative?
Diese Mittel kamen sehr schnell auf den Tisch, als die Börsen abzuschmieren drohten, ich meine abschmieren, nicht fallen.
Erste Hilfe sozusagen.
Und für viele existentiell wichtig.
Nun bräuchten wir eine Meinung eines guten Finanzexperten, das sind wir beide nicht.
@C_Punkt

Warum sollte das hinterher nicht wieder ein Ende finden?
Dafür müssen „wir“ im Zweifel sorgen.

Ich ahne, was DU meinst, aber es ist zu unkonkret um handelbar zu sein für mich.
Vielleicht ist gerade das die Gefahr.Dann aber: Gibt es jetzt Alternativen?

Das absolut: Ja! Spooky.

Ob das am System selber liegt, das auch ohne Corona krank ist? Seit der Wirtschaftskrise 2008 wurde nichts geheilt…nur Symptome gedoktort.

Da bin dann wieder ich mit: „Das System“ ist auf so vielen Ebenen in der Sackgasse und krank.Du wirst es aus der Praxis kennen:
Krise heisst „Höhe. oder Wendepunkt“ einer gefährlichen Situation.
Wo entwickeln wir uns denn überhaupt aus dem Pathologischen heraus, wenn nicht durch eine Krise? Freiwillig die wenigsten, also ohne Leidensdruck eher nicht.
Je verschleppter, destso höher der Leidensdruck.
Auch ein Zusammenbruch ist möglich, bevor es wieder lebendiger, konstruktiver werden kann. (Mir kommt da in den Sinn, ich glaube, es war Karen Horney und ihre Theorien zur Neurose als alternativem Entwicklungsweg.)
So gesehen hangelt sich die Menschheit doch irgendwie schon immer von Krise zu Krise und nach jedem Breakdown kamen Veränderungen, die gut und Entwicklung waren. (Kollateralschäden verschieden hoch, aber scheint nicht ohne zu gehen. Der Preis für Entwicklung?)
Die großen Veränderungen kamen immer irgendwie über uns, Gesellschaften konnte sich denen nicht wirklich je entziehen, sie geschehen.

Darum frage ich Dich, bei aller möglichen Trefflichkeit Deiner Analysen, was sollen wir tun?
Ich denke, wir sollten tun, was wir können.
Und nicht meinen, wir könnten mehr tun.

Ich habe, wie Du auch möglicherweise, den tiefen Wunsch, Erkenntnis und Bewusstein zu erlangen. Das hat eine ganz eigene Gestaltungskraft, nur bin es nicht mehr ich, die dann gesttaltet, sondern, etwas, das größer ist als ich. Letztendlich vertraue ich einzig und allein auf genau das.

Damit spricht er etwas ganz Wichtiges an, finde ich! (Auch , wenn ich die anschliessend angedeutete Partei nicht für die Lösung halte, aus ganz anderen Gründen.)
Amerika kriegt gerade das, was es gewählt hat und wird es danach wieder wählen, ich fürchte das.
Ich nehme aber Deutschland für mich ungewöhnlicherweise- und auch Österreich- gerade deutlich anders wahr.
Ich finde, der Söder und der Kurz machen das ganz prima in dieser Phase. Ich empfinde sie auch als authentisch, habe gerade heute morgen Söders Rede gehört. Die war „echt“.

Das Problem sind auch meiner Ansicht nach die Menschen, die „Masse“. Die sind aber immer so gewesen, wie sie eben sind.
Die Frage ist für mich ganz am Ende also die: Wie soll ich damit umgehen, dass so viele Menschen unbewusst leben?
Hm.
Hast da ne Antwort drauf?
:wink:
Viele Grüße!
farout

1 Like

Das ist richtig, aber ist auch gar nicht mein Anspruch.
Allein, wenn problematische Begriffe wie „Ausnahmezustand“ kritischer betrachtet werden, reicht mir das völlig.
Oder wenn schneller wieder ein kleines Gespür dafür ensteht, dass staatliches Handeln auch in einer Pandemie-Situation noch immer politisch zu beurteilen ist und nicht ausschließlich virologisch.
Dieses Gespür entsteht ganz sicher wieder, auch wenn zur Zeit Drosten der nächste Kanzlerkandidat werden könnte, überspitzt gesagt.

Nein, es gibt jetzt keine wirklichen Alternativen.
Das zeigt sich schon daran, dass mittlerweile fast alle Staaten die gleichen Maßnahmen treffen, auch die, die sich zuerst dagegen wehrten (GB etwa oder die USA)
Diese Alternativlosigkeit zeigt aber m.E. auch, wie sehr das in die „normale“ Entwicklungslogik des Staatensystems passt.
Diese Pandemie ist die erste wirklich (z.T. sogar vermutlich/hoffentlich recht erfolgreich) „staatlich gemanagte“ Pandemie. Das ist einerseits super, andererseits offenbart es z.B. ein Staat-Staatsbürger-Verhältnis, das ich schrecklich finde.
Und zwar, das ist der springende Punkt, nicht weil es in dieser Krise schrecklich wäre, sondern weil es außerhalb der Krise schrecklich ist.

„Geheilt“ wird seit Generationen nichts mehr.
Seit 1989 ist sogar der Anspruch darauf weg, auch wenn der schon ganz lange vorher nur noch eine vollkommen leere Hülle war.

Absolut!

Kurz und schmerzlos: Nö.

Gruß
F.

Ich denke mal, dass wir beide ungefähr ein Alter haben :wink: Ich habe, für mich, vor längerer Zeit beschlossen, dass es eine Menge Leute gibt, mit denen es nicht lohnt zu diskutieren. Sie habe ihre eingefahrene Meinung, um die sie sich keinen Millimeter abbringen lassen. Früher habe ich immer wieder versucht zu argumentieren, zu beschwören oder auch nur den gesunden Menschenverstand ins Spiel zu bringen. Und habe damit eine Menge wertvoller Lebenszeit vertan. Mittlerweile ist es so, dass ich diesen wirklich nicht fruchtbaren Diskussionen aus dem Weg gehe. Ich bin jemand, der seine Fehler eingestehen kann und auch zugeben kann, dass er etwas nicht weiß (@warsteiner :wink:), was mich z.B. bei meinen damaligen Schülern sehr beliebt machte. Wenn mir jemand erklären will, wie Steuern funktionieren und in den ersten drei Sätzen 24 Fehler hat, dann gehe ich einen Schritt zurück und lasse ihn lamentieren. Wenn wieder mal auf die da oben geschimpft wird, versuche ich herauszufinden, wie die Befindlichkeiten sind. Merke ich, dass Hopfen und Malz verloren sind, gehe ich einen Schritt zurück. Usw.
Man könnte jetzt natürlich behaupten, dass ich feige bin. Damit kann ich leben. Ich kann mich aber immer morgens im Spiegel anschauen. Wenn mich Leute um Hilfe bitten, gern helfe ich (das soll natürlich nicht heißen, dass ich nur darauf warte, dass mich jemand um Hilfe bittet) Gerade im Moment, wo viele Leute das erste Mal in ihrem Leben Kurzarbeit bekommen oder auch abrechnen müssen, ich bin Tag und Nacht für sie da.
Aber ich habe mir abgewöhnt, andere Menschen von irgendetwas zu überzeugen.

Soon

3 Like

Ich teile deine Ansicht nicht komplett, dass wir es heute mit einer besonders unsolidarischen Gesellschaft zu tun hätten.
Die Klimadiskussion genauso wie akuelle Dinge zeigen doch, dass es sehr viel um Solidarität geht oder zumindest um den Wunsch danach.

Der Punkt des Infantilen ist m.E. daher nicht vorrangig, dass der Wunsch nach Solidarität fehlt, sondern dass er so eine kategorische statt hypothetische Ausprägung hat: „Ich will“ oder „Wir wollen“ (alles erneuerbar und zwar sofort, flatten the curve whatever the cost usw.) statt „Wenn ich will / wenn wir wollen, dass … dann muss ich jenes tut … dann müssen wir jenes in Kauf nehmen“.

Zum „nicht vorrangig“: Ja, zum Infantilen gehört auch die Unfähigkeit, Gesamtgesellschaftliches in den Blick nehmen zu können, echten Dialog zu führen mit dem Risiko, dass die Argumente des anderen auch nicht schlechter sind als meine usw. Insgesamt: Alterität zu ertragen. Das hat in der Tat mit einer schlechten Art von Egoismus zu tun,
(Egoismus an sich halte ich nicht für grundsätzlich schlecht).

Gruß
F.

Verstehe. Ja!

Kleiner Exkurs…der Drosten war am Anfang wahnsinnig hilfreich in der Öffentlichkeit und ist ein Meister der Epidemeologie, aber ich finde ihn seit einiger Zeit zu aufgeregt und zu gehetzt, mag ihn nicht mehr hören. Das Zwischen den Zeilen, nicht was er sagt, sondern wie. Nur ein feeling. Er mag den Rummel ja selber nicht. Kekulé und vor allem Wieler finde ich viel viel besser zu hören, die sind unaufgeregt. Das aber wirklich am Rande.

Ja.Aber nachrangig. Im besten Falle sollten die sich hinsetzen, und zwar auch mit ein paar best of-Finazexperten und den vielschichtigen Weg aushandeln.
Da werden die Virologen momentan immer noch genug Platz haben, wenn nicht den meisten. Es ist zunächst eine biologische Krise, die Primärkrise.
Und nun müssen andere Bereiche mitreden, damit es nicht gleich noch andere Sekundärsuperkrisen gibt. Und dann muss abgewogen werden.
Und das unter Zeitdruck. (Bin froh, dass ich nur Blumen in überschaubaren Biotopen retten muss…)

Ja, hier hat zunächst die Epidemiologie Vorrang.
Im nächsten Schritt, da stimme ich Dir sowas von zu, müssen „wir“ nun darauf achten, dass wir die genannten Sekundärthemen ganz klar im Auge behalten und dies vermutlich auch multipel signalisieren.

Hätte man die Leute gelassen, wie sie wollen, dann wäre es noch viel schlimmer gekommen, als es sowieso schon kommt. So einfach ist das. Istzustand.
Es gejt doch auch ums Maß, und nicht ums Absolute.
Jetzt braucht es offenkundig einen starken Staat.Von mir aus dürfte der noch viel mehr reinreden.Jetzt.
Dann, später überhaupt nicht mehr.
Angemessenheit?

Interessant. Ich geb Dir mal als Vorschuss einfach Recht, mich würde das im Detail an anderer Stelle noch interessieren, wo Du angefangen hast, Deine Bedenken zu entwickeln.
Ich hab erst 2008 angefangen, wirklich zu merken, wie daneben das alles sich entwickelt und dass nichts wirklch geheilt wird.Und dachte, dass sei wohl einfach immer schon so gewesen. Fing für mich eigentlich schon nach dem Krieg an, wahrscheinlich sogar noch davor.

Ist nicht schmerzlos, das tut mir schon seit Ewigkeiten weh.

Grüße
farout

Die Börsen waren nicht das auslösende Moment, sondern einfach die Erkenntnis, daß von einer weitgehenden Stillegung des öffentlichen und privaten Lebens praktisch alle Bereiche der Wirtschaft betroffen sind. Und wir reden hier nicht nur von der Gastronomie, den Friseuren, den Sportstudios und Theatern. Es trifft wirklich fast alle. Selbst der Lebensmitteleinzelhandel ist betroffen, weil die Leute das machen, was sie sollen: zu Hause bleiben, Abstand halten. Und im Fall des LEH: selber machen, Reste und Vorräte essen. Auch die Tankstellen sind betroffen, weil weniger fahren. Um mal zwei Branchen zu nennen, die man sonst immer als relativ konjunkturneutral einstuft.

Wenn bei einem Unternehmen die Lohnkosten steigen, dann ist das blöd für den Gewinn. Wenn aber der Umsatz wegbricht, hat das ganz andere Folgen: es kommt schlicht kein Geld mehr rein - für Mitarbeiter (kann man in Kurzarbeit schicken oder kündigen), für Miete und Pacht (da hat man gegengesteuert), für den Kapitaldienst für Darlehen (auch da hat man gegengesteuert; Problem: den Kreditinstituten fehlt dann das Geld), für die gewinnunabhängigen Steuern (auch da hat man gegengesteuert), für die Abschreibung (da fließt aber kein Geld ab, d.h. es reduziert sich nur der Gewinn, was zu verschmerzen ist). Und für den Fall, daß das Gegensteuern nicht reicht, hat der Staat umfangreiche Kredit- und Zuschußprogramme ins Leben gerufen.

Kurz gesagt: man in großem Stil und vor allem durchdacht geholfen. Ohne mich jetzt auf Zahlen festlegen zu wollen, wären wohl die wenigsten Unternehmen nach sechs bis acht Wochen noch überlebensfähig, wenn der Staat nicht eingegriffen hätte. Bleibt in einem zweiten Schritt die Frage, wie lange der Staat tragen kann. In Deutschland sicher länger als in Italien, wo inzwischen den Leuten schon das Geld für Lebensmittel fehlt, weswegen der Staat nun Lebensmittelgutscheine ausgeben will. Wie lange werden die Kapitalmärkte wohl noch einem Land Geld leihen, damit das seine Bürger und seine Unternehmen praktisch komplett durchfüttern kann?

Im übrigen sind es ja nicht nur die Umsatzausfälle, weil die Unternehmen nicht mehr tätig sein können. Es ist zunehmend absehbar, daß Lieferketten aus den verschiedensten Gründen (und sei es nur, weil Arbeitskräfte nicht mehr erscheinen können (krank, Einreiseverbot, in Quarantäne)) zusammenbrechen und am Ende Unternehmen nicht mehr produzieren können, obwohl Nachfrage unverändert oder sogar in gestiegenem Maße besteht.

Hätte man nicht so massiv eingegriffen, wäre ein Massensterben bei den Unternehmen die Folge gewesen (und das ist immer noch nicht vom Tisch, wohlgemerkt; was kommt, ist davon abhängig, wie lange die Situation anhält und wie viel Ausgleich der Staat schaffen kann) und von so etwas erholt sich eine Volkswirtschaft nicht so ohne weiteres, wie wir bis heute in vielen Regionen im Osten sehen können, wo nachwievor der mittelständische Unterbau der Wirtschaft fehlt oder zumindest sehr schwach ausgeprägt ist.

2 Like

Nur eines möchte ich hinzufügen:
Wenn ich gerade die jüngere Generation angucke, sehe ich, dass ein unglaubliches Maß an Kreativität zunimmt und ich kenne einige Fälle, wo Leute sich sehr kurzfristig erfolgreich ganz neue Räume erschaffen haben, um ihr Geld , angepasst an die Umstände nun ganz anders zu verdienen.
Großes Beispiel ist Tesla, die, wenn ich das richtig gehört habe, plötzlich ernsthafte Wege suchen, Beatmungsmaschinen zu bauen. Und, laut Auskunft eines befreundeten deutsch-amerikanischen Ingenieurs auch die Strukturen dafür haben und die Sache erfolgreich werden könnte.
Aber auch ganz ganz kleine Unternehmen.
Ich persönlich lese eigentlich immer wieder nur von dem, was Du beschreibst und glaube das auch, kenne aber im persönlichen Umfeld wirklich niemanden, der auch nur ansatzweise in Not geraten ist, aber einige, die sich schnell angepasst haben.
Ich will jetzt nicht vom Elfenbeinturm aus erzählen, nur hervorheben, dass Kreativität das ganz große skill in dieser Krise ist.

Das ist in etwa das gleiche, wie die Zahl der Toten von heute zu nehmen und das ganze dann als nicht problematisch zu beurteilen. Wir wissen beide, daß das bzgl. der Toten nicht funktioniert, weil eben die Todesfälle der exponentiell steigenden Zahl der Infektionen folgt. Natürlich gibt es Unternehmen, die ihre Produktion im Sinne der Gesellschaft bzw. der Krankheit umstellen können. Aber es gibt eben viel mehr, die das nicht oder nicht so schnell können. Einige positive Beispiele zu nehmen bzw. herauszustellen, ist der gesamtgesellschaftlichen Stimmung sicher zuträglich, aber am Ende ist es unrealistisch zu glauben, daß ein Fensterhersteller auf einmal Schutzanzüge und ein Friseursalon FFP2-Masken herstellen kann.

Und das habe ich auch nicht gemacht! Das wäre naiv.
Was mir aber bei allen Sorgen, die berechtigter- oder realistischerweise da sind, dennoch wichtig war, auch zu erwähnen, ist dass die Krise auch ein erhebliches Erneuerungspotential hat.
Das aus verschiedenen Gründen (Umstände, Ausbildung, Persönlichkeit und vieles mehr) sicherlich nicht jeder gleich gut zu nutzen im Stande ist, das aber da ist. Auch.
Jede Krise birgt das Potential zur Erneuerung!
Und ein bisschen liegt es an uns selber, wie wir damit umgehen.
Jetzt komm mir bitte nicht mit Gegenbeispielen, natürlich gibt es die zu Hauf.
Es geht auch hier nicht um schwarz oder weiss, sondern um ein absichtsloses Wahrnehmen vieler Facetten und sich nicht vorzeitig gedanklich festzulegen.
Wir sollten alle nicht vergessen, dass wir in der Regel mehr Potential haben, als wir gelernt haben zu glauben.

Noch tue ich mich schwer damit, Dir zu folgen.
Du beschreibst Deine Strategie mit Menschen umzugehen, mit denen sich Diskussionen für Dich nicht lohnen, und , dass Du dennoch eine lange Zeit offen bleibst, zu verstehen und darüber hinaus generell immer zu helfen bereit bist.
Und hebst hervor, dass es Dir wichtig ist, authentisch zu bleiben. (So verstehe ich das:

)

Ich glaube, dass wir , auch wenn wir nicht mehr als 10 Jahre auseinander liegen :wink: :slight_smile: , dennoch sehr unterschiedlich denken und ticken, und darum verstehe ich jetzt (noch) nicht, warum das Deine Antwort ist auf die zitierte Frage, die ich gestellt hatte.
Ich verstehe Dich oft nicht, schätze Dich aber und sehe, dass 2 Leute hier, die ich auch alle beide sehr schätze, Dich zu verstehen scheinen.

Vorerst fällt mir als Antwort nur ein -und das auf dünnem Boden, denn ich habe Dich ja noch nicht ganz verstanden-, dass Wissen und Bewusstsein auf keinen Fall das dasselbe sind, sich dessen bewusst zu sein halte ich für unverzichtbar. Nicht ohne Grund habe ich diese zitierten Gedanken einem psychoanalytisch denkenden Menschen gegenüber geäussert.

Kommunikation ist nicht immer einfach, wenn zwei von ganz verschiedenen Mentalitäten her kommen, Fehlinterpretationen sind dann leider lästiger Alltag.
In diesem Sinne: Behutsamkeit ist dann unerlässlich und kann sich lohnen. (Verlässliches Angebot!)

Grüße,
farout

Ich fasse noch ein bisschen was ziemlich pointiert zusammen.
Übrigens nicht weil ich dich, oder sonstwen, von meiner Sichtweise überzeugen will, einfach nur, weil ich Lust daran habe, mit solchen Artikel auch meine eigenen, sehr ambivalenten, Gedanken zu ordnen.

Bei Kekulé sehr wohltuend finde ich, dass er (auch ausbildungsbedingt) über einen breiten Horizont verfügt.
Aber das ist natürlich nur persönliche Geschmackssache.

Das sehe ich schlichtweg anders.
Für mich steht, aus mehreren Gründen, die politische und gesellschaftliche Krise ganz klar im Vordergrund.
Ganze Bevölkerungen lassen sich derzeit freiwillig von ihren Regierungen einsperren bzw. fordern die gegenseitige Einsperrung, um einen Virus einzudämmen, dessen Sterblichkeit a) vergleichsweise gering und b) in Bezug auf die Altersstruktur fast vollkommen mit der „normalen Sterblichkeit“ übereinstimmt°. Das finde ich ein extrem bemerkenswertes Phänomen.

° M.W. liegt das Durchschnittsalter der bisherigen deutschen Corona-Toten bei 82 Jahren, also genau da, wo die Lebenserwartung der Ü50-Bevölkerung liegt.
In Italien nicht groß anders.

Um differenziert genug verstanden zu werden:
a) Damit relativiere ich nicht das Problem der „Überlastung des Gesundheitssystems“, das ist fraglos ein gravierendes und nicht hinnehmbares Problem, aber eben kein „biologisches“, sondern eines aus einer ganzen Vielzahl von Gründen.

b) Wegen dieses gravierenden Problems finde die aktuellen Sperrmaßnahmen richtig und unausweichlich, die lapidare Art und Weise, wie wir sie diskutieren aber schlimm, das ganze Denunzieren unerträglich, und die Sichtweise, dass da „ein guter Staat seine gefährdeten Bürger vor einer großen Gefahr schützt“ extrem naiv, weil das zwar nicht falsch, aber nur eine Teildimension der Gesamtlage ist.
Zur Gesamtlage gehört u.a. auch, dass wir gerade Dinge massenhaft fordern, gegen die eine faschistische Machtübernahme ein Kindergeburtstag ist, und ja, in Nachbarländer in der Corona-Zeit auch tatsächlich faschistische Machtübernahmen veranstaltet werden (Ungarn vor allem, aber nicht nur).

Das lässt sich doch nicht abschalten: jetzt/dann.
Gesetze und Maßnahmen ja, aber doch nicht die Deutungsmuster und Handlungsmuster (sowohl der staatlichen Institutionen wie der Bürger) die dem zu Grunde liegen.
Die überleben die Krise ganz leicht.
Wir sind uns ja einig, wenn ich dich richtig verstanden habe, dass diese „Corona-Krise“ als ein deutlich spürbares „kollektives Trauma“ weiter bestehen wird. Sie wird vieles verändern, und für mein Empfinden wenig zum Guten.

Gruß
F.

Nun, ja.
Das zu Ende zu diskutieren ist hier aber heikel und wird gerne so arg missverstanden, als hätte man nur darauf gewartet.
Zudem: Ich kenne einige schwere Fälle, die nicht dieser Altersstruktur entsprechen. Zugegeben, auch dazu lassen sich relativierende Argumente finden.

Aber ein überlastetes System generiert zunächst einmal recht existentiell eine medizinische, biologische Problematik, die existentieller ist, als die von Dir genannten Punkte.
(Wirklich, bewusst ganz schlicht gedacht: Ohne Körper keine Gedanken.Viel Trauma -> viel großes Folgeleid.)

Ja, OK. Schon.

Ja. Ich sehe dennoch D und A ganz anders, und habe im Moment- anders als Du?- keinen Grund allzu sehr mißrauisch zu sein, dass man nicht wieder zurück rudert.Auch vertraue ich darauf, dass sich entscheidend viele Leute das nicht gefallen lassen würde und dass Politik das weiss.

Kann ich nicht wegwinken, den Gedanken, ist aber nicht mein Gefühl.Mehr Argument hab ich leider nicht. :wink:

Und das seh ich anders.
Ich seh jetzt schon so viel Gutes, auf dem sich aufbauen lässt.
Und weiss, dass es entscheidend von unserer bewussten Verstandortung abhängt, was wir aus einer Krise machen.
Ich sehe so viel Kreativität (mit guten und erstaunlich schnellen Ergebnissen), ich sehe differenzierten Umgang mit der Krise, ich sehe schnelle und pragmatische Lösungen für große Probleme.

Fühlt sich alles ein bisschen an, wie der letzte Kampf mit Mordor, ein uraltes immer mal wieder kehrendes Thema.
Es beginnt im Einzelnen, das ist meine Prämisse.
Wir entscheiden uns.
Wir sind niemals ausgeliefert.
Wenn doch, ist es noch nicht zu Ende.

1 Like

Wir können die unterschiedlichen Sichtweise einfach nebeneinander stehen lassen.
Das ist gerade in diesem Gebiet, in dem selbst den Experten so viel gesichertes Wissen fehlt, sogar das Sinnvollste.

Darauf können wir uns völlig einigen.

Die politischen Maßnahmen werden fraglos zurückgenommen werden (das ist der Unterschied von A und D zu Ungarn und anderen Ländern), aber wohin die Führer-Sehnsucht und der Nationalismus, die jetzt massenhaft und in der sprichwörtlichen „Mitte der Gesellschaft“ reaktiviert wurden (in A sehr viel mehr als in D, aber das war ja schon in den letzten Jahren so der Fall) münden, wird man sehen. Für die wirds 2021 keinen Impfstoff geben.

Das mag viel mit mir zu tun haben oder auch nicht, aber a) finde ich den „objektiven Gang der Weltgeschichte“ (um es einmal so Hegelianisch auszudrücken) ziemlich unabhängig von unserem Bewusstsein, und b) bin ich, was die Weltgeschichte anbelangt, für die statistisch noch bleibenden Jahrzehnte meines Lebens recht pessimistisch.

Mich erschüttert die Corona-Krise vor allem deshalb so sehr, weil mir dadurch bewusst gemacht wurde wie nie zuvor, wie naiv es von mir war zu glauben, einigermaßen bequem in den „Lücken“ des Systems überleben zu können.
Nach Griechenland (in dem so vieles schlechter als in D ist, in dem es aber so herrlich viele dieser „Lücken“ gibt) kann ich auf unabsehbare Zeit nicht und danach wohl nie wieder mit dem gleichen Vertrauen wie zuvor, in meinem Wald fährt die Polizei herum, um illegale Spaziergänger aufzuspüren, und in den Medien und Sozialen Medien sagen sie ständig, dass lückenlos ein Jeder sich an die Bestimmungen halten muss, weil „wir“ dann ja „selbst schuld“ wären, wenn die Maßnahmen verschärft würden … blabla.
Es ist zum Verzweifeln.

Gruß
F.

[Beitrag editiert vom www Team]

Vielen Dank an alle Teilnehmer dieses Threads!
Danke an @anon40662036 und @anon56793850 für den fairen, freundschaftlichen Schlagab-/Austausch!

Wer weiter auf das Thema Lockdown eingehen möchte, nutzt bitte den Thread von @FBH.

Wer noch antworten möchte, muss sich sputen, da dieses Thema in 15 Minuten geschlossen wird.

Viele Grüße Dominik vom www Team

Vielleicht liegt die unterschiedliche Wahrnehmung darin begründet, daß wir verschiedene Objekte betrachten. Daß sich Selbständige, kleine Kaufleute oder Gastronomen Dinge einfallen lassen können, die die Folgen der ganzen Sache zumindest etwas abschwächen, will ich gar nicht bestreiten.

Ich sehe aber vor allem Unternehmen mit 20-900 Mio. Umsatz und die können sich nicht mal eben ein neues Geschäftsmodell ausdenken, wenn der Einzelhandel, über den sie verkaufen, geschlossen ist, notwendige Teile für die Produktion nicht mehr eintreffen oder Mitarbeiter nicht mehr zur Arbeit erscheinen können, weil die Grenzen geschlossen sind. Je nach aktuellem Zustand des Unternehmens, der Saisonabhängigkeit usw. kann es sein, daß das Unternehmen dann ein, zwei oder drei Monate durchhält und mit Staatshilfen ggfs. etwas länger. Es kann aber auch sein, daß sich die Sache innerhalb von Wochen erledigt hat und das Unternehmen vom Markt verschwindet. Mal als Beispiel seien Unternehmen genannt, die Gartenmöbel herstellen bzw. damit handeln. Die Lager sind voll, teilweise wurde Ware schon ausgeliefert und liegt nutzlos in Baumärkten herum. Der chinesische Lieferant, den die Probleme in Deutschland etwas weniger interessieren als seine Mitarbeiter bzw. seine Kasse, würde gerne seine Rechnungen bezahlt bekommen, aber es kommt leider kein Geld herein. Dem Unternehmen hilft es da auch nicht viel weiter, wenn es die Aussicht hat, daß die Geschäfte vielleicht in zwei oder drei Monaten wieder öffnen. Oder Warenhäuser. Die sitzen auf der ganzen Saisonware, die irgendwann aus den Lagern muß, um Platz für die nächste Saisonware, die ja schon bestellt ist, zu schaffen. Im einen Fall reden wir davon, daß praktisch ein Jahresumsatz wegbricht, im anderen davon, daß vielleicht ein Viertel des Jahresumsatzes ausfällt.

Das ist die Dramatik, von der ich spreche.