Cuius regio, eius religio

Nach diesem im Frieden von Augsbug festgelegten Rechtssatz konnte der Landesherr seine Untertanen zwingen, die landesherrschaftliche Religion anzunehmen. Fragen:
Waren befristet ansässige Bürger (z.B. Handwerker) ausgenommen oder mußten sie ebenfalls konvertieren, falls sie der falschen Religion angehörten?

Wurde das Gesetz je formal aufgehoben oder wurde es zunehmend nicht mehr beachtet und schließlich durch eine aufgeklärte Verfassung ersetzt?

Danke für alle Antworten!

Wolfgang D.

Hallo Wolfgang,

Nach diesem im Frieden von Augsbug festgelegten Rechtssatz
konnte der Landesherr seine Untertanen zwingen, die
landesherrschaftliche Religion anzunehmen.

das ist nicht ganz richtig. Den Untertanen wurde ausdrücklich das ius emigrandi zugestanden - sie hatten also das Recht (!), auszuwandern, wenn sie nicht die Religion des Landesherren annehmen wollten.

Waren befristet ansässige Bürger (z.B. Handwerker) ausgenommen
oder mußten sie ebenfalls konvertieren, falls sie der falschen
Religion angehörten?

Der Begriff „befristete Ansässigkeit“ ist anachronistisch. Man war als Untertan entweder im Territorium eines Landesherren ansässig oder aber „auf Durchreise“ im Territorium eines anderen Landesherren. Wenn man aus dieser Durchreise eine Ansässigkeit machen wollte, wurde man Untertan des Landesherrn und musste sich dazu bequemen, dessen Religion anzunehmen.

Es gab allerdings als bedeutendes „Schlupfloch“ die Exemption der Reichsstädte, denen in Augsburg prinzipiell Multikonfessionalität zugestanden wurde.

Wurde das Gesetz je formal aufgehoben oder wurde es zunehmend
nicht mehr beachtet und schließlich durch eine aufgeklärte
Verfassung ersetzt?

Es wurde explizit mit in den Westfälischen Frieden aufgenommen und dort präzisiert bzw. modifiziert (Einführung des ‚Normaljahres‘ 1624). In dieser Form galt es formal bis zur Reichsauflösung am 06.08.1806. Es konnte allerdings zunehmend weniger durchgesetzt werden. Bezeichnend waren die Schwierigkeiten der Pfalz-Neuburger Linie der Wittelsbacher bei ihren fehlgeschlagenen Rekatholisierungsversuchen der von ihnen geerbten (reformierten) Kurpfalz ab 1685, die dann zur pfälzischen Religionsdeklaration von 1705 führten, in der Reformierten, Lutheranern und Katholiken Gewissens- und Bekenntnisfreiheit zugestanden werden musste. Als 1771 die (katholische) Markgrafschaft Baden-Baden mit der (lutherischen) Markgrafschaft Baden-Durlach zur Markgrafschaft Baden vereinigt wurde, machte man um die Konfession schon gar kein großes Aufheben mehr.

Spätestens seit dem Reichdeputationshauptschluss 1803 hatte das Rechtsprinzip keine echte Rechtsgrundlage mehr bzw. seine Durchsetzung bei der Durchführung von Säkularisation und Mediatisierung wäre völlig illusorisch gewesen.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo!

Wurde das Gesetz je formal aufgehoben oder wurde es zunehmend
nicht mehr beachtet und schließlich durch eine aufgeklärte
Verfassung ersetzt?

Spätestens seit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 hatte
das Rechtsprinzip keine echte Rechtsgrundlage mehr bzw. seine
Durchsetzung bei der Durchführung von Säkularisation und
Mediatisierung wäre völlig illusorisch gewesen.

Endgültig überholt war der cuius-regio-eius-religio-Satz spätestens durch den Erlass der Verfassungen der deutschen Staaten nach dem Wiener Kongress, in denen, in den einen früher, in den anderen später, die Meinungs- und Glaubensfreiheit garantiert war.
In Bayern gab es das Toleranzedikt für die Protestanten schon 1801, also schon vor dem Reichsdeputationshauptschluss; denn Kürfürst Maxililian IV. und seine Gemahlin waren selber protestantisch, so dass für sie 1800 ein protestantischer Betsaal eingerichtet wurde.

Freundlicher Gruß!
H.