Servus Julian,
für den Kammerz (gehört mehr ins Dialektbrett, so heißen am Haus geführte Weinstöcke im deutschen Süden) ist es wichtig, dass Du keine Hochertrags-, sondern eine ziemlich vitale Sorte hast.
Dafür kommen in erster Linie frei aufwachsende, etwa am Spalier oder sonst wo Vögel sitzen, vorgefundene Sämlinge in Frage, weil sie viel vitaler sind als alles, was auf Ertrag selektiert ist. Nachteil: (1) ihr Anbau ist nicht erlaubt und (2) sie bringen keine besonders großen Trauben, eher für Deko und/oder Gelee geeignet. Vorteil: (1) Sie machen innert kurzer Zeit große Flächen zu, sind wüchsig und robust und kommen in der Regel gut mit Mehltau, Botrytis etc. klar. (2) sie stellen keine besonderen Ansprüche an Schnittechnik.
Handelsübliche Sorten, die nicht weit von diesen Eigenschaften sind, sind (rot) Portugieser und Trollinger, falls Du der Erhaltung einer fast ausgestorbenen Rebe was Gutes tun willst, auch Tauberschwarz (wenn genug Kalk im Boden); außerdem (weiß) Gutedel und Elbling, ferner einige Tafeltrauben, die nicht so für die Weingewinnung geeignet sind - Sorten such ich Dir auf Wunsch raus, kann aber dauern (Ablage = Katastrophe, hat vor einiger Zeit was in „Obst und Garten“ dazu gestanden).
Wegen des Gerüstes: Denk daran, dass die (jährlich auf Zapfen zurückgeschnittene) Grundstruktur etwa dreißig Jahre alt wird. Das sollte der Draht auch abkönnen, also Minimum 1mm verzinkt. Kann an einem vorhandenen oder leicht zu bauenden Holzgerüst mit vermessingten oder verzinkten Winkeln + Ösen geführt werden. Die Nylon-Rankhilfen, von denen Du sprichst, haben eigentlich bloß im Hopfenbau etwas zu suchen, wo sie auch herkommen: Da bringen sie erhebliche Ersparnis an Arbeitskraftstunden beim Nachanleiten abtrünniger Triebe (weil rauh) und beim Nachschärfen der Messer am Häcksler der Pflückmaschine (weil weich). In allen Liebhaberanwendungen sind die Dinger wertlos.
Standort: Keine besonderen Ansprüche, Wein macht sehr tiefe Wurzeln und saugt sich das Wasser wo immer er es bekommen kann. Bloß die ersten zwei oder drei Jahre für ein Substrat mit gutem Wasserhaltevermögen (Kompost) sorgen und ordentlich wässern.
Schöne Grüße
MM
nach vier Jahren Standzeit etwa 20m² mit einem Wildling berankt und in diesem Jahr erstmals überlegend, was ich mit den (sehr kleinen) Träubelein machen will