"Dann kam die Frauenbewegung und hat mit diesem Unsinn Schluss gemacht"

Hallo!

Ich lese gerade in einem popularwissenschaftlich-psychologischem Buch°:

In der Zeit, in der wir leben, werden Weibliches und Männliches jedoch sehr unterschiedlich bewertet. Lange Zeit galt das Männliche als das Bessere, und diese Tatsache hat die Emanzipationsbewegung zu Recht auf den Plan gerufen. Heute sind die Dinge im Umbruch [S. 25] … In unserer Gesellschaft ist es so, dass … die archetypisch männlichen Qualitäten besser bewertet wurden als die archetypisch weiblichen. Dann kam die Frauenbewegung und hat mit diesem Unsinn Schluss gemacht" [S. 45]

Ist das Fettmarkierte korrekt oder ist sogar eher das Gegenteil der Fall?


„Archetypisch männlich“ meint in diesem Jungianisch-tiefenpsychologischen Jargon Grundausrichtungen wie Kampf, Tun, Erfolgsorientiertheit, Expansivität, Eindringen, Ansammeln, Autonomie-Orientiertheit, Linearität usw. (statt „archetypisch weiblich“: Sorgen, Pflegen, Sichversorgenlassen, Behüten, Aufnehmen, Kreativität, Beziehungs-Orientiertheit, Zirkularität usw.).
Beide Geschlechter haben archetypisch Männliches und archetypisch Weibliches in sich.
Diese Ausführung nur, damit das Zitat so verstehbar wird, wie es gemeint ist. Gemeint ist damit nicht die „Natur der Frau / des Mannes“ oder anderes unmittelbar Klischeenahes.

Gruß
F.

° Maja Storch, Die Sehnsucht der starken Frau nach dem starken Mann, 7. Auflage, 2000

Hi,

So was kann man natürlich nicht von jetzt auf gleich abschalten. Aber eine Bewegung hin zu gleicher Wertschätzung für beides ist deutlich spürbar. Frauen dürfen Karriere machen und Männer sich um die Kinder kümmern.
Dass noch viel zu tun ist, sieht man daran, dass Männer in Frauenberufen immer noch häufig belächelt werden und Männer sich nicht auf Spielplätzen sehen lassen dürfen, selbst wenn sie ihr eigenes Kind dabeihaben. Und zu viele Frauen gelten nur dann als emanzipiert bzw fühlen sich so, wenn sie keine Kinder haben, Single sind und Karriere machen.

Die Franzi

Hallo,

nein, das sehe ich nicht so. Das hat nichts damit zu tun, dass sich unsere Männer- und
Frauenbilder in der Gesellschaft ändern, bzw. dass Männer und Frauen andere Rollen einnehmen können als noch vor Jahren.

Aber Frauen, die Karriere machen, machen sie immer noch mit dezidiert männlichen Fähigkeiten. Die Frau im Geschäft steht ihren Mann (sic), die Eigenschaften, die ihr zur Karriere verhelfen, sind die männlichen. Wobei ihre männlichen Eigentschaften oft uminterpretiert werden (z.B. wird Zielstrebigkeit bei Männern oft als Sturheit bei Frauen gesehen).

Männern, die vielzitierten neuen „Softies“, die ihre weiblichen Eigenschaften betonen, wird oft die Schuld an den Problemen unserer Zeit auferlegt, auch weil „Jungs nicht mehr Jungs“ sein dürfen. Das zeigt, dass die weiblichen Fähigkeiten nicht den gleichen Stellenwert wie die männlichen innerhalb der Gesellschaft haben.

Nachwievor werden weibliche Fähigkeiten als „nice to have“ gesehen, aber für Erfolg (und Erfolg ist das, was wertgeschätzt wird in unserer Gesellschaft) werden die männlichen Fähigkeiten mehr geschätzt.

Grüße
Siboniwe

Ja sehe ich auch so.

In unserer Gesellschaft werden männliche Qualitäten immer noch besser bewertet als weibliche, Die Frauen bemühen sich, die besseren Männer zu sein. Jeder fährt die Ellbogen so weit aus, wie es irgendwie nur geht, das nennt sich dann Selbstbewusstsein.

Die weiblichen Fähigkeiten werden in unserer Gesellschaft nicht geschätzt, eine überzeugte Hausfrau, wird immer noch mitleidig belächelt. In Frauen steckt viel Potential, vor allem soziale Kompetenz, wenn die Betriebe sich entschließen würden, Frauen so sein zu lassen wie sie sind.

Gleichberechtigung bedeutet gleiche Chancen UND Pflichten, Gleichberechtigung bedeutet nicht Gleichmacherei.

Danke für deine Zustimmung, aber ich habe mich wohl falsch ausgedrückt.

Es wäre nicht falsch, einen überzeugten Hausmann mit weiblichen Eigenschaften zu haben. Es ist auch nicht falsch, eine Karrierefrau mit Ellbogen zu haben. Oder: es ist genauso falsch, wenn eine Frau die Ellenbogen einsetzt, wie wenn ein Mann die Ellenbogen einsetzt - zumindest, wenn dies in unakzeptabler Weise geschieht.

Vielleicht ist die Fragestellung, bzw. die Definition, die FBH im Ausgangsposting gegeben hat, schon falsch.
Vielleicht sollen wir gar nicht von „Männlichem“ und „Weiblichem“ reden, weil die Gefahr zu groß ist, es eben doch wieder auf die Rollen zu reduzieren.

Vielleicht sollte man von einer I-Persönlichkeit reden und einer O-Persönlichkeit. Und wenn I eben „Kampf, Tun, Erfolgsorientiertheit, Expansivität, Eindringen, Ansammeln, Autonomie-Orientiertheit, Linearität“ ist und O das "Sorgen, Pflegen, Sichversorgenlassen, Behüten, Aufnehmen, Kreativität, Beziehungs-Orientiertheit, Zirkularität ", dann ist es so, dass in unserer Gesellschaft I besser geachtet ist und besser bezahlt wird.

Aber natürlich ist das mit den Geschlechterrollen vermischt. Weil Frauen eher dem O-Typ entsprechen, wie sehr das genetisch ist oder durch Erziehung bedingt ist, mag ich nicht entscheiden (ich vermute, es ist eine Kombination, über Jahrhunderte hinweg, wurden in Jungs und Mädchen eben hauptsächlich die geschlechtstypischen Eigenschaften, bzw. das, was dafür gehalten wurde, gefordert). Wer dieser Rolle widerspricht ist je nachdem „weich, weinerlich, emotional“ oder „biestig, bissig, trotzig“, die gleichen Eigenschaften, die beim jeweils anderen Geschlecht als „sorgend, mitfühlend“ bzg. „ehrgeizig, zielorientiert, kämpferisch“ empfunden werden.

Beide Pole haben ihre Wichtigkeit, aber unsere Gesellschaft belohnt eher die I-Typen.

Grüße
Siboniwe

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Auch ich halte diese Annahme nicht für korrekt. Die Frauen, die heute entgegen der tradierten Rollenmodelle beruflich erfolgreich sind, sind dies aufgrund von als männlich verstandenen Eigenschaften und Verhaltensweisen. Auch in der deutlich schlechteren Bezahlung typischer Frauenberufe hat sich nichts geändert - nur wrden jetzt alle Frauen, die sich für einen solchen Beruf entscheiden, als dämlich und selbst schuld hingestellt. Dabei sind diese Berufe gesellschaftlich notwendig;wenn alle MINT-Fächer studieren, funktioniert die Welt nicht mehr.

Wichtig finde ich aber den von dir erwähnten (und mobil nicht zitierbaren) Punkt, dass alle, sowohl Männer als auch Frauen, als männlich bzw. weiblich verstandene Eigenschaften haben. Welche Eigenschaften dabei wie verstanden werden, ist keineswegs naturgegeben, sondern je nach Kultur und Epoche sehr unterschiedlich.

Wichtig finde ich auch festzuhalten, dass unter diesen einseitigen Zuschreibungen bei weitem nicht nur Frauen leiden. Ein männlicher Teenager mit zierlichem Körperbau, der sich statt für Sport und Technik für Lyrik und Geschichte interessiert, hat es sicher schwerer als ein gleichaltriges Mädchen im Informatikurs.

Ja, vielleicht hast du da recht.
Dieses Gefühl habe ich auch ein bisschen.
Es ist ja Maja Storchs Definition bzw. Hintergrund meiner Fragestellung.
Andererseits denke ich mir, dass das, was „Archetypen“ heißt, sehr viel tiefsitzender als gesellschaftlichen Rollen sind.

Schwer, das eine zu denken, ohne es auf das andere zu reduzieren - und zwar in beide Richtungen.

Die binäre Lösung O/I scheint mir nicht viel zu verändern, weil das für mein Empfinden nur eine begriffliche „Übersetzung“ des binären Schemas wbl/m ist.

Gruß
F.

Aber das ist aus meiner Sicht der Fehlglaube.
Nur weil Frauen „heute Karriere machen dürfen“ heißt das doch nicht, dass „weibliche Anteile“ (im Sinne diese Archentypen-Unterscheidung, die dem UP zu Grund liegt) nun höher bewertet würden.
Aus meiner Sicht sind das, nicht groß anders als bei den Männern, die „männlichen Anteile“, die Frauen für ihre Karriere benötigen und einsetzen müssen.

Und Männer, die ihre „weiblichen Anteile“ für ihre Tätigkeit als alleinerziehende Väter, Hausmänner, Kindergärtner, z.T. Altenpfleger einsetzen, werden ja nun wirklich sehr gering bewertet. Da sehe ich auch keine nennenswerte Veränderungstendenz.

Gruß
F.

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Das ist richtig.
Der „Archetyp“ ist übrigens auch nicht direkt als „Natur“ zu verstehen. Naja, ein schwieriger Begriff, weil er schon eine gewisse Universalität impliziert, zugleich wird aber immer betont, dass der Archetyp nur in seinen kulturellen Ausdrucksformen zu fassen ist.

Ich würde sagen, dass auch ein sehr „männlicher Mann“ an seiner Einseitigkeit, die bei ihm eben fatalerweise auch noch gesellschaftlich gefördert und „prämiert“ wird, nicht wenig leidet.

Gruß
F.

Hi,

Aber immerhin dürfen sie es jetzt. Und wenn man sich frauenmagazine und Werbung aus den 50ern anschaut, wird deutlich, wie viel wir Frauen schon zutraut. Und wie kleiner die Rolle männlicher Eigenschaften ist. Ich darf als Mann heutzutage wesentlich weniger ungestraft testosterongesteuert durch die Gegend rennen.

Die Franzi

Das tun ja die wenigsten. Die meisten studieren ja BWL oder „was mit Medien“ also eher „weibliche“ Fächer, nach der neokonservativen Ansicht.

Nun ja, zumindest wird jungen Frauen immer ans Herz gelegt, MINT-Fächer statt „irgendwas mit Medien“ zu studieren.

Wenn dann eine tatsächlich Informatik studiert, kann es ihr durchaus passieren, dass nur sie (und keiner ihrer männlichen Kommilitonen) gefragt wird, ob sie nicht die Erstsemesterbetreuung übernehmen will - und das, obwohl ihre kommunikativen Fähigkeiten gegen null gehen.

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Da hast du natürlich völlig recht.
Ist aber, glaub ich, eine andere Dimension als das, was ich im UP meine.
Dass „die Frauenbewegung“ tatsächlich mit einigem Unsinn Schluss gemacht hat, das ist sicher richtig.

Das empfind ich jetzt nicht gerade als Gewinn :wink:

Gruß
F.

hab ich ja auch nie behauptet.

Ich wollte dir mit dem Satz einfach nur beipflichten.
Gruß
F.

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Hallo,

es sind Menschen, die die Bezeichnung erdacht haben - Menschen, die ebenso im Rollenklischee verhaftet sind.

Ob wir es Archetyp nennen oder Rollenbilder hängt wohl eher von der eigenen Ansicht dazu ab, als von belegbaren Tatsachen.

Ich finde es in dem Zusammenhang interessant, mal die weitere Verwandschaft zu betrachten, z.B. die Schimpansen. Die Unterschiede der partriachalisch organisierten Nordkongoschimpansen verglichen mit den matriachalisch organisierten Bonobos (auch Schimpansen).

Seltsamerweise leiden nur die Nordkongoschimpansen unter Futtermangel (keine Ahnung, warum sich die Bonobos nicht bis kurz vorm Verhungern vermehren, aber dem ist offenbar so (und das, obwohl sie Sex zu allen möglichen Zwecken wie Konfliktlösung, Trösten etc. einsetzen).

Der Futtermangel nördlich des Kongo (der Fluss, nicht das Land) führt zu Kämpfen, teils sogar kriegsartig, Dominanz der stärkeren Männchen, Unterdrückung der Weibchen und allgemein einem recht agressiven Umgang miteinander, sogar Morde kommen vor.

Während die Bonobos sich friedlich pimpernd durchs Leben futtern (oder umgekehrt).

Es sollte mal jemand klären, warum die Bonobos nicht zuviele werden und so Kämpfe um Ressourcen nicht nötig sind.

Wäre ev. die Lösung für unsere eigenen Probleme, die ja sehr denen der Nordkongoschimpansen gleichen.

Gruß,
Paran

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Hallo,

aber, aber. Hört euch doch nur mal all das Motorad-, Quad- und getuntes-Auto-gedröhne an.
Das ist testosterongesteuertes Rumrennen pur. Nur dass da keiner die eigene Körperkraft einsetzt.

Gibt es lächerlicheres Imponiergehabe, als am Gas spielen, Rumdröhnen und in Kurven den Schotter spratzen lassen?

Das weibliche Äquivalent wäre verm. Push-Up, Blondiert, Lacknägel und Wackelarsch auf Stöckelschuhen. Im Rock natürlich.

Dabei kann das Leben ohne den überflüssigen Lärm und mit bequemer Kleidung für alle so schön sein.

Gruß,
Paran

Das ist natürlich völlig richtig, das gilt aber immer und überall, dass Wissenschaftler Menschen sind, die in Rollenklischees und gesellschaftlichen Wertvorstellungen verhaftet sind.
Das gilt für die Tierbeobachtung und für die Naturwissenschaft ja auch nicht weniger.

Finde ich einen interessanten Hinweis.
Auffallend finde ich, dass die Bonobos so ein arg kleines Verbreitungsgebiet haben und frag mich, ob diese ausgeprägte „Männlichkeit“ (Aggression, starke Hierarchien, Kontrolle der Sexualität) als der „Preis“ dafür zu verstehen ist, dass der Gewöhnliche Schimpanse seinen Lebensraum vergrößern konnte.

Sympathischer sind mir aber natürlich die Bonobos. Meine alte Rede, dass eine freie Sexualität, die von der Fortpflanzung entkoppelt ist und zu sozialen Zwecken zur Verfügung steht, dem Menschen sehr gut täte. Vor ein paar Jahrzehnten haben wir das noch eher gewusst, aber u.a. auch die angesprochene „Frauenbewegung“ (in ihrer Mainstream-Haltung) hat damit gebrochen. Natürlich auch andere, die den befreiten Sex so stark kommerzialisiert haben.

Gruß
F.

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keinesfalls dürften frauenbewegung - emanzipation und andere aktuelle „gesellschafts“-bewegungen, -strukturen und -ordnungsprinzipien - die archetypen
==> das „kollektiv unbewusste“, quasi das psychische erbe der menschen <==
verändert haben. sie

  • sind zu kurzfristig und variabel
  • betreffen die außenwelt, nicht das „selbst“

archetypen sind langfristige „universalkonstanten und -prinzipien“, die von irgendwelchen bewegungen nicht einmal angekratzt werden.

mag sein.
aber heute bonobo, morgen schimpanse, oder beides nebenher.
ändert doch nichts am archetyp.

pasquino

Hallo,

dem ist sicher so und gäbe es nicht den Kongo zwischen den beiden Schimpansenarten, wären die Bonobos sicher schon ausgestorben.
Aber was nutzt es den patriachalischen Schimpansen, sich immer weiter zu vermehren und auszubreiten, wenn sie dafür alle nur ein von Gewalt und Hunger bestimmtes Leben haben?

Evolutionär werden sie sich durchsetzen. Die Evolution fragt nicht danach, wie es den Individuen geht, nur nach möglichst vielen überlebenden Nachkommen.

Wir Menschen sind doch angeblich intelligent.
Wir verstehen, wie Evolution funktioniert, erliegen ihr aber trotzdem.
Oder drehen da die jeweils Mächtigen (und gut Ausgebildeten) z.B. mit dem Hilfsmittel Religion am Rad, damit es immer ausreichend Billiglöhner und Kriegssklaven gibt? Nur mal als Idee.

Schade um all die verpassten Möglichkeiten.

Gruß,
Paran

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