Darf eine lehrerin ungefragt einer Schülerin

… während der Pause in die Handtasche greifen um nachzusehen was die Schülerin eben noch auf kleine Zettelchen schrieb und in ihre Tasche steckte?

Das Geschriebene wurde als (Täuschung einer Lehrkraft)Vorsatz zum Spicken interpretiert und mit einer Ordnungsmaßnahme (Art. 86 BayEUG) sprich einem Verweis bestraft.

Hallo,

grundsätzlich sind die Rechte des Schülers im Sinne des Art. 2, Abs. 1, 2. Halbsatz GG eingeschränkt durch die Rechte anderer, denn der Bildungs-und Erziehungsauftrag der Schule kann nicht aufgrund einer schrankenlosen Handlungsfreiheit von Schülern erfüllt werden. Der einzelne Schüler kann seine Handlungsfreiheit weitgehend nur in der Gemeinschaft mit anderen Schülern und den Lehrern verwirklichen. So hat der Lehrer durchaus das Recht, einem Schüler einen Sitzplatz gegen seinen Schülerwillen zuzuweisen oder ihn aufzufordern, das im Unterricht klingelnde Handy abzugeben! Unzulässig dagegen sind Beschränkungen, die den Kernbereich der Persönlichkeitsssphäre des Schülers antasten. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel ist hier zu beachten. Es würde wohl auf die Meinung des Richters ankommen, ob im konkreten Fall der Griff in die Tasche verhältnismäßig war oder nicht.

Gruß

Martin

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
der Mittel ist hier zu beachten. Es würde wohl auf die Meinung
des Richters ankommen, ob im konkreten Fall der Griff in die
Tasche verhältnismäßig war oder nicht.

Was die Lehrerin da macht, ist eine Durchsuchung. Dafür ist eine Ermächtigungsgrundlage nötig, und ich wüßte nicht, dass es eine gesetzliche Bestimmung gäbe, die einem Lehrer zur Ermittlung des Sachverhalts für die Entscheidung über eine Ordnungsmaßnahme ohne weiteres eine Durchsuchungsbefugnis an die Hand gäbe.

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Hallo,

Es würde wohl auf die Meinung des Richters ankommen, ob im konkreten Fall der Griff in die Tasche verhältnismäßig war oder nicht.

sehe ich nicht so.
Der Griff in die Tasche und die inhaltliche Kenntnisnahme des Zettelinhalts stellen eine Durchsuchung dar. Diese bedarf in jedem Fall einer Rechtsgrundlage. Möglich wäre hier evtl. (und als einziges) eine Notstandshandlung, um eine Gefahr abzuwehren. Allerdings liegt die nicht vor. Die Mutmaßung, der Schüler könnte „Spicken“ begründet solche Lage nicht. Des Weiteren ist das geschriebene Wort noch stärker geschützt, nicht umsonst hat der Gesetzgeber für Durchsuchungsberechtige - die Polizei - den § 110 StPO vorgeschaltet. Ein Lehrer, als Nichtberechtigter, hat noch weniger Rechte, solche Zettel inhaltlich zur Kenntnis zu nehmen.

Ich sehe hier deswegen keinerlei Rechtsgrundlage für das Handeln der Lehrerin.

Gruss

Iru

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Hallo,

Ihr vergesst, dass zwischen Schule und Schüler ein öffentlich-rechtliches, sogar hoheitliches Verhältnis besteht. Nach Schulrecht kann es durchaus Durchsuchungen von Sachen der Schüler geben, um den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten (z.B. Öffnung von Spinden auch ohne Polizei und richterlichen Durchsuchungsbeschluss).

Damit sind z. B. Durchsuchungen von Spinden, Schulranzen, Einsichtnahme in Handys etc. in Ausnahmefällen möglich, wenn eine konkrete und unmittelbare Gefährdung des Erziehungsauftrags der Schule oder von Rechten der am Schulleben Beteiligten besteht, der nicht anders als durch eine Durchsuchung des Schülereigentums bzw. seines Schließfaches sachgerecht begegnet werden kann.

Ob man das für einen Täuschungsversuch auch heranziehen kann, weiß ich jetzt nicht, aber abwegig ist das nicht, denn Spicken ist keine Bagatelle.

VG
EK

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Für Bayern weiß ich es nicht, da ist ja vieles anders ;o) aber in anderen Bundesländern sind Lehrkräfte in solchen und ähnlichen Fällen zu folgender Vorgehensweise angehalten: Die Lehrkraft hat die Schülerin / den Schüler aufzufordern, den Zettel herauszugeben. Dieser Anweisung hätte die Schülerin / der Schüler dann zu folgen (warum wurde hier schon beschrieben). Tut sie/er dies nicht, können weitere Maßnahmen ergriffen werden, ggf. in Abstimmung mit der Schulleitung oder auch mit Unterstützung der Polizei, falls der Verdacht einer Straftat vorliegt.

Hallo EK,

Damit sind z. B. Durchsuchungen von Spinden, Schulranzen,
Einsichtnahme in Handys etc. in Ausnahmefällen möglich, wenn
eine konkrete und unmittelbare Gefährdung des
Erziehungsauftrags der Schule oder von Rechten der am
Schulleben Beteiligten besteht, der nicht anders als durch
eine Durchsuchung des Schülereigentums bzw. seines
Schließfaches sachgerecht begegnet werden kann.

kannst du das evtl. auch mit landesrechtlichen Bestimmungen unterlegen? Soviel ich weiss, verbieten einige landesrechtliche Vorschriften explizit die Durchsuchung bzw. weisen darauf hin, dass es keinerlei Rechtsgrundlage für Durchsuchungen gibt.

Gruss

Iru

Hallo,

so geht es zB in BW, weil die Schule da die Ordnungsgewalt hat.

Schulgesetz für Baden-Württemberg (SchG)
in der Fassung vom 1. August 1983
§ 23
Rechtsstellung der Schule
(1) Die öffentlichen Schulen sind nichtrechtsfähige öffentliche Anstalten. Sie erfüllen ihre Aufgaben im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses (Schulverhältnis).

(2) Die Schule ist im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes berechtigt, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung des Schulbetriebs und zur Erfüllung der ihr übertragenen unterrichtlichen und erzieherischen Aufgaben erforderlichen Maßnahmen zu treffen und örtliche Schulordnungen, allgemeine Anordnungen und Einzelanordnungen zu erlassen. Inhalt und Umfang der Regelungen ergeben sich aus Zweck und Aufgabe der Schule.

Da die Durchsuchung von Sachen durch Ordnungsbehörden nach den Landesgesetzen möglich ist, wäre das hier durch die Schule unmittelbar möglich.

VG

VG

Moin,

kannst du das evtl. auch mit landesrechtlichen Bestimmungen
unterlegen?

die maßgebliche Ermächtigungsgrundlage (für das Land Bayern) wurde hier vom Fragensteller bereits mitgeliefert und lautet Art. 86 BayEUG.
http://by.juris.de/by/EUG_BY_2000_Art86.htm

Maßgeblich ist demnach, dass die gewählte Ordnungsmaßnahme ((schriftlicher) Verweis) die verhältnismäßige Reaktion auf ein Verhalten ist, das die Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags gefährdet.

Wenn der Verdacht besteht, dass der Schüler pfuscht, wird der Lehrer den Schüler zunächst zum Leeren der Taschen auffordern. Hat diese Aufforderung keinen Erfolg, gibt es verschiedene Möglichkeiten des weiteren Fortschreitens:

– Herbeirufen des Direktors
– Benachrichtigung der Eltern
– (oder, wie hier geschehen) Hineingreifen in die Tasche.

Auch die hier vorliegende Maßnahme dürfte, nach erfolgter Aufforderung (s.o.), eine verhältnismäßige Reaktion darstellen, da ansonsten (Stichpunkt Erforderlichkeit -> gleichwirksames Mittel) der Schüler in der Zwischenzeit den vermeintlichen Gegenstand beiseitigen/verstecken könnte.

Andere Schulgesetze verfügen über ähnliche Vorschriften.
vgl. als eins unter vielen § 53 SchulG NRW
http://www.daseco.biz/schulg-schulgesetz-nrw/517-sch…

Lesenswert zum Ganzen
http://www.bezreg-muenster.nrw.de/startseite/abteilu…

LG
dolo agit

Hallo,

ich schreibe nur eine Anwort, aber an euch beide gerichtet.

Andere Schulgesetze verfügen über ähnliche Vorschriften.
vgl. als eins unter vielen § 53 SchulG NRW
http://www.daseco.biz/schulg-schulgesetz-nrw/517-sch…

Meines Erachtens nach kann man eine Durchsuchung nicht unter den Ordnungsmaßnahmen subsumieren. Dazu ist der Engriff zu schwer.
Der Landtag NRW hat sich bei einer kleinen Anfrage dazu geäußert:

http://spdnet.sozi.info/nrw/bonn/renhendricks/dl/Sin…

Interessant ist Punkt 4. Es handelt sich zwar um das Problem Alkohol, was aber genauso wie das Spicken eine Störung der Ordnung darstellt, die Auskunft des Landtages also auch mit der Zettelsituation vergleichbar wäre.
Zitat:

„Durchsuchungen, die einer Beweissicherung für bereits begangene Straftaten dienen, obliegen den Strafverfolgungsbehörden. Durchsuchungen, die der Gefahrenabwehr dienen, obliegenden Polizei- und Ordnungsbehörden. Lehrer dürfen weder präventive noch repressive Durchsuchungen durchführen. Gefahrenabwehr ist nicht ihre originäre Aufgabe.“

Sollte ein Lehrer aufgrund allgemeiner (Schul-)Ordnungsbefugnisse auch das Recht haben, Schüler bzw. deren Gepäck zu durchsuchen muss das als Einzelbefugnis aufgeführt sein. Mankann derartig schwere Rechtseingriffe nichtauf eine Gernealermächtigung stützen. Meines Erachtens müssten dann noch weitere formale Bedingungen erfüllt werden, wie z.B. eine Durchsuchungsniederschrift, evtl. Zeugen der Durchsuchung, Begründung der Durchsuchung usw.

Gruss

Iru

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Hallöchen,

interessanter Beitrag. Und sicherlich sehr sehr gut vertretbar.
Die Idee mit der spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für eine (schulische) Durchsuchung ist mir grundsätzlich auch sehr sympathisch, weil sie am saubersten ist. Insbesondere da es um Durchsuchungen im Zusammenhang mit einer Gefahrenabwehr (Verletzung von Schulregeln/Schulfrieden) geht.

Ich möchte nun aber anführen, warum ich der Meinung bin, dass der Eingriff (in manchen Fällen) dennoch gedeckt ist.

Sie schreiben, dass es zwingend eine Spezialnorm im Schulgesetz geben muss, weil der Eingriff zu schwer wiegt. Eine Generalklausel reiche nicht aus.
Sie schreiben weiter, es bedürfe weiterer formaler Bedingungen (Niederschrift, Zeugen, Begründung etc.)

Die Ansicht ist, wie gesagt, sehr gut vertretbar. Aufgabe der Generalklauseln ist indes, im Falle von Gesetzeslücken, den Berechtigten eine rechtliche Handhabe für ihr Tun zu geben. Bei der Auslegung und Anwendung der Generalklausel ist dabei aber natürlich besonders auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (VHM) Acht zu geben. Es dürfen also nur Maßnahmen ergriffen werden, die einen legitimen Zweck verfolgen, zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich sind und die letzten Endes auch im Einzelfall angemessen sind.
Ein legitimer Zweck (z.B. Gleichbehandlung und faire Bewertung schulischer Leistungen u.a.) und die Geeignetheit dürften hier keine Probleme machen. Auf der Ebene der Erforderlichkeit wäre nun zu gucken, ob mildere, dabei aber gleichwirksame Mittel in Frage kommen. Alternative Mittel wären wohl folgende:

1.) Laufenlassen des Schülers;
2.) Herbeirufung der Eltern;
3.) Hinzuziehung der Polizei (Störung des Schulfriedens als Gefahr);
4.) Hinzuziehung der Strafverfolgungsbehörden (wenn man die Täuschung bei der Prüfung mal als Betrug verstehen möchte).

Möglichkeit 1.) dürfte keine Option sein. Hier fehlt es schon an der gleichen Wirksamkeit.
Möglichkeit 2.) dürfte zwar eine Option sein. Meines Erachtens fehlt es dann aber ebenfalls an der gleichen Wirksamkeit. Ansonsten müsste man den Schüler, bis zum Eintreffen der Eltern, 100% Überwachen. Sonst könnte er den vermeintlichen Spickzettel beseitigen.
Möglichkeit 3.) und 4.) dürften indes schon kein milderes Mittel darstellen. Die Durchsuchung durch die Polizei- und Ordnungsbehörden, bzw. durch die Strafverfolgungsbehörde wäre dann zwar der „ordentliche“ Weg. Dieser dürfte für den Schüler letztlich aber einen deutlich höheren Eingriffsgrad darstellen. Insbesondere wenn dann eben ein Zettel gefunden würde, der den Schüler der Täuschung überführt. Zumindest aber dürfte dieses alternative Vorgehen an den Hürden der Angemessenheit scheitern.

Dass der Täuschungsversuch in (Schul-)Prüfungen sanktioniert (Ungenügend, Wiederholung) werden kann, ergibt sich dabei aus dem (materiellen) Gesetz. Vgl. für NRW: § 52 Abs. 1 Nr. 14 SchulG NRW i.V.m. §§ 36, 6 Abs. 7 APO-S 1
Vgl. http://www.schulministerium.nrw.de/BP/Schulrecht/APO…

Wenn solche Sanktionen möglich sind, dann muss der Lehrer denklogisch auch eine Handhabe (und sei es nur über eine Generalklausel) dafür haben, den Täuschungsversuch überhaupt nachzuweisen.

Natürlich muss aber auch die Durchsuchungsform an sich, verhältnismäßigen Grundsätzen genügen. So wird ein sich Entkleiden völlig unverhältnismäßig sein. Ein Griff in die Jackentasche dürfte indes unbedenklich sein. Bei einem Griff in die Hosentasche sind dann wieder sehr viel strengere Maßstäbe heranzuziehen. So wird man bei einem Mädchen eine weibliche Lehrperson heranzuziehen haben, während man bei einem Jungen einen männlichen Lehrkörper fordern müsste.

Insofern wäre der Gesetzgeber in der Tat aufgerufen, die Rechtslage an dieser Stelle genauer zu klären.

Die von Ihnen geforderten formalen Bedingungen können allerdings - bis zur Schaffung einer Spezialnorm - in die Anforderungen an die VHM hineingelesen werden. So könnte man die Durchsuchung in allen Fällen dann doch noch „Tod bekommen“.

Fazit:

Nicht jede Durchsuchung ist erlaubt und nicht jede Durchsuchung ist explizit als verboten anzusehen.

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Hallo,

für BW scheint die Rechtsstellung der Schule das abzudecken, so stehts jedenfalls in meinem Kommentar zum Schulgesetz.

Ich weiß nicht, ob Lehrer für Maßnahmen der Erziehung oder Aufrechterhaltung der Ordnung tatsächlich wie jede Ordnungsbehörde ggü xbeliebigen Dritten anzusehen sind, oder ob es dort nicht Generalklauseln geben kann. Eltern haben ja auch Generalklauseln.

VG
EK

Hmmm…

offenbar ist es reine Ländersache, wie das Schulrecht und der Schulauftrag interpretiert wird. Ich werde mich wohl zukünftig nicht mehr nur auf eine Notstandslage als Durchsuchungsgrund in der Schule festlegen.

Danke für die gute Diskussion.

Gruss

Iru