Darf eine Unterstützerin des Russlandfeldzuges 1941 öffentlich geehrt werden?

Hier soll eine Straße nach einer Dame benannt werden, die während des 2. Weltkrieges und in der Nachkriegszeit durch ihren persönlichen Einsatz und Hilfe für Andere positiv aufgefallen ist. Tradiert ist die Erzählung, dass sie im 3. Reich für die Soldaten des Russlandfeldzuges aktiv Frauengruppen bildete, mit denen Wolle und Felle sammelte und daraus Winterkleidung für die Soldaten in Russland fertigte. Originalzitat aus einem Bericht ihres Sohnes:

"Ihr ganzer Lebensinhalt bestand darin, den Nächsten und Hilfsbedürftigen zu helfen und den Menschen Freude zu bereiten. Hauptsächlich während des 2. Weltkrieges stellte sie diese Tatsache unter Beweis. Sie organisierte für die im Dorf einquartierten deutschen Soldaten immer wieder Frauengruppen, die in den jeweiligen Feldküchen Kartoffeln schälten und bei der Essenszubereitung mithalfen. Gleichzeitig sammelte sie für die […] in der Bahnhofstraße […] untergebrachten kriegsgefangenen Franzosen Matratzen und Decken […]. Während des strengen Winters 41/42 sammelte sie für die Soldaten an der Ostfront Wollsachen und Hasenfelle, damit von einer Frauengruppe Handschuhe, Kopfschützer und dergleichen angefertigt werden konnten. Ihr oberster Leitspruch war ‚Recht und Gerechtigkeit für Jedermann‘.“

In den letzten Kriegstagen soll sie verhindert haben, dass ihr Heimatdorf zerstört wurde, da sie den verteidigenden Kommandanten mit Erfolg beschwor, den Ort nicht zu verteidigen.

Der aktive Einsatz für die von Goebbels eingeleitete Sammlung von Pelz-, Woll- und Wintersachen für die Ostfront deutet darauf hin, dass die Dame eventuell aktiv in der NS-Frauenschaft engagiert war. Es gibt allerdings keine Unterlagen hierzu.

Sollte man der zu Ehrenden ihren Einsatz für die Soldaten des Russlandfeldzuges nachsehen und sie mit der Benennung einer Straße nach ihr ehren?

Selbstverständlich ist solch ein Mensch in Dankbarkeit zu verehren ! Ich habe nichts gegen Personen, die sich in einer NS-Formation engagiert haben. Die nach ihr zu benennde Straße sollte wichtiger sein als eine „Graf-Stauffenberg-Straße“, denn der hat seinen Job nicht gemacht & kleinlich an das eigene Überleben und seine künftige ‚Bedeutung‘ gedacht !

Sollte man der zu Ehrenden ihren Einsatz für die Soldaten des
Russlandfeldzuges nachsehen und sie mit der Benennung einer
Straße nach ihr ehren?

Nach der Antwort ihres Sohnes, ja!

Nach der Antwort von Dir, nicht unbedingt!
Einige Wintersache die für die Ostfront hergestellt wurden (Filz), wurden aus Menschenhaar gemacht, deren Herkunft (KZ?) teilweise unbekannt war bzw. einigen Vermutungen unterlagen!

Ist die Filzung mittels Haar oder filzen ansich ausgeschlossen, dann auch ja!
Sie hätte dann die Ehrung sicher mehr als verdient!
(…denn dass ein Jungpionier irgendwelche Sanktionen erfahren hätte, entzieht sich meiner Kenntnis!)

16BIT

Guten Abend!

Hat die Frau - um wen es sich handelt, verrätst du nicht - den Rußlandfeldzug unterstützt oder einfach nur Menschen geholfen? Natürlich unterstützten eine Krankenschwester oder ein Arzt, die einem Soldaten mit aus dem Bauch hängenden Gedärmen halfen, letztlich die kriegerische Handlung. Wie sollte selbst der vehementeste Kriegsgegner diesen Konflikt lösen? Etwa durch Demonstration der Kriegsgegnerschaft durch Verreckenlassen der Hilfebedürftigen? Waren nur die die Guten, die bestrebt waren, die eigenen Leute sterben oder sich wenigstens die Füße abfrieren zu lassen?

Gruß
Wolfgang

Hier ist der Beitrag, auf den ich mich beziehe, in ganzer Länge: http://www.bruchsal.org/story/sp%C3%A4te-ehrung-f%C3…

Hallo,

Sollte man der zu Ehrenden ihren Einsatz für die Soldaten des Russlandfeldzuges nachsehen und sie mit der Benennung einer Straße nach ihr ehren?

Und was ist daran so falsch oder nachsehenswert,den eigenen Vätern,Brüdern,Söhnen
oder Männer´n zu einer warmen Winterkleidung zu verhelfen,wenn es schon
der „Grosse Führer“ nicht vermocht hat?

Ausserdem hat doch die Dame das Prinzip der „Nächstenliebe“ aktiv vorgelebt.

Dein Zitat:

…Gleichzeitig sammelte sie für die […] in der Bahnhofstraße […] untergebrachten kriegsgefangenen Franzosen Matratzen und Decken …

Ich finde es auf jeden Fall sehr gut,auch in der heutigen „Zeit des Vergessens“
sich der guten und mutigenTaten der Frau zu erinnern und dies mit der Namensgabe
einer Strasse zu verbinden.

LG Bollfried

Hallo,

solange sie nicht leitendes Mitglied bei der NSF war, sehe ich keine Probleme.

Sollte Sie Mitglied beim BDM gewesen sein, ist zu Bedenken, daß die Mitgliedschaft ab 1936 gesetzlich vorgeschrieben war.

Und um ehrlich zu sein, wer einerseits für die eigenen Väter, Söhne, Brüder sammelt und andererseits für gefangene Franzosen Decken besorgt hat, (was damals nicht ganz ungefährlich war) kann so tief im System nicht gesteckt haben.

Wer allerdings angeblich stundenlang auf den verteidigenden Kommandanten einreden konnte, musste -aus welchen Gründen auch immer-, zugang zum damals wichtigsten Mann im Dorf gehabt haben…

Sollte Sie eine leitende Rolle in der NSF gespielt haben, könnte es überörtlich entsprechende Unterlagen geben.

Grüße
miamei

[MOD] Einmal diesen Link zu posten reicht, oder?

Darum erlaube ich mir die gleichlautenden Posts oben zu löschen.

Gruß Hardey, Geschichts-Mod

Sollte man der zu Ehrenden ihren Einsatz für die Soldaten des
Russlandfeldzuges nachsehen und sie mit der Benennung einer
Straße nach ihr ehren?

Dies ist keine Frage fürs Geschichtsbrett, sondern fürs Philosophiebrett.

Meiner Meinung nach ist jemand, der Kleider sammelt, kein Unterstützer von irgendetwas anderem als vom Überleben der damit Bedachten. Mit Wollsocken erschießt man keine Russen. Die Unterstützung eines Feldzugs sieht anders aus.

Ich weiß aber, dass diese Frage selbst in der Weißen Rose kontrovers diskutiert wurde. Manche Mitglieder, darunter Ostfrontkämpfer, sagten, man müsse hier unterscheiden, manche, darunter Sophie Scholl, sagten, man müsse konsequent bis zum äußersten sein. Aber Sophie Scholl hat nicht in Russland gefroren.

Manchmal denke ich, es wären noch viel mehr Leute auf beiden Seiten an sich selbst und an ihren Moralvorstellungen irre geworden, wenn nicht Hitler, sondern Stalin zuerst losgeschlagen hätte.

s.

Moin, moin,
generell aufgrund der Faktenlage nicht so einfach zu entscheiden. Es müsste untersucht werden, ob nicht mehr Informationen vorhanden sind - was ich glaube.
Ich würde von einer Namensgebung sonst absehen. Es gibt genügend andere Personen, die man durch eine Namensgebung ehren könnte; wenn halbwegs berechtigte Zweifel auftauchen, und das ist in diesem Fall gegeben, sollte man die Dame nicht ehren.
Der Ostkrieg war ein Vernichtungskrieg; dass das Regime verbrecherisch war, konnte jedeR sehen - auch und vielleicht gerade diejenigen, die im Lande lebten. An der Latte muss man sich messen lassen. Wenn man die aus persönlichen Gründen niedriger hängen will, weil die Person sich nur um „private“, „zwischenmenschliche“ Dinge gekümmert habe, dann kommt auf jeden Fall dafür keine öffentliche Ehrung in Frage.
Schönen Gruß

Hallo,

Hm. Das ist für mich keine wissenschaftliche, sondern eher eine moralische Frage. Offenbar hat sie Menschen geholfen. Aber sie tat es innerhalb eines verbrecherischen Systems, das sie damit gestützt hat.

Ich denke, das sollten die betreffenden Gemeinden, am besten mit Unterstützung eines Zeithistorikers, offen ausdiskutieren.

RZ

Hm. Das ist für mich keine wissenschaftliche, sondern eher
eine moralische Frage. Offenbar hat sie Menschen geholfen.
Aber sie tat es innerhalb eines verbrecherischen Systems, das
sie damit gestützt hat.

Da müsste sich ja jeder Bauer, jeder Arzt, jeder Schornsteinfeger, jeder Pfarrer, jeder Müllwerker und jeder Klempner und überhaupt jeder, der die Zeit von 1933 bis 1945 irgendwie produktiv und nicht gerade unter einem Stein verbracht hat, vorhalten lassen, ein verbrecherisches System gestützt zu haben…insofern hat dann auch Jesus Christus das römische Sklavenhalterimperium gestützt.

Wir sollten uns allmählich abgewöhnen, die Menschen der damaligen Zeit vom hohen Ross unserer subjektiv empfundenen moralischen Überlegenheit herab zu beurteilen. Das kann sich nur leisten, wer selbst damals in der Praxis standhaft blieb - und nicht nur heute in der Theorie. Aber es ist ja ein bekanntes Phänomen, dass der antifaschistsiche Widerstand um so stärker und lauter wird, je länger Hitler tot ist.

Gruß
s.

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Meinst du das eigentlich ironisch?

Dann solltest du es als solches kenntlich machen.

Gruß, Nemo.

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Ich würde sagen: Ja, das darf man, wenn man in der Ehrung vor allem auf ihre Hilfe für französische Kriegsgefangene und auf ihren Einsatz bei Kriegsende verweist.
Beste Grüße
tonikal

Sollte man der zu Ehrenden ihren Einsatz für die Soldaten des
Russlandfeldzuges nachsehen und sie mit der Benennung einer
Straße nach ihr ehren?

Man sollte ihr das nicht nur ach so großzügig „nachsehen“, sondern sie auch für diesen Einsatz ehren.

Sie hat laut deiner Beschreibung warme Winterkleidung für Soldaten bzw. Kriegsgefangene gesammelt, egal welcher Nation. Also was genau ist jetzt das Problem an der Sache? Ganz offenbar ging es ihr um den Menschen, nicht darum, den Feldzug zu „unterstützen“.

Die Soldaten waren nicht die Verbrecher und die Schuldigen am Krieg. Sollten sie dafür erfrieren? Wer menschlich handelt darf auch menschlich geehrt werden. Desweiteren entwickelt sich ein jeder Mensch, wer 1941 aus Überzeugung Soldaten geholfen hat, kann auch 1945 ein Kriegsgegner geworden sein.