Darf Höcke ab sofort als Faschist bezeichnet werden?

Servus,

das Verwaltungsgericht Meiningen kam ja vor ein paar Tagen zu dem Entschluss, dass die Bezeichnung Höckes als Faschist „auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage“ beruhe und somit zulässig sei.

Gilt das aber nur im besonderen Kontext einer politischen Kundgebung oder muss er sich nun generell gefallen lassen, als Faschist bezeichnet zu werden?

LG

Es gilt nur im Kontext DIESER politischen Kundgebung. Ein Urteil ist immer nur auf den Einzelfall bezogen, wenn es sich nicht grad um ein Grundsatzurteil handelt.

Aber das weißt du doch.

Könnte sich denn eine andere politische Kundgebung darauf berufen? Oder könnten auch Einzelpersonen damit argumentieren?

Müsste man es also theoretisch auch noch durch höheren Instanzen bis zum BGH bringen, damit dort eines gefällt werden könnte?

Woher denn? Ich bin weder Jurist noch besonders in solchen Dingen bewandert. :man_shrugging:

Vollkommene Dilettantenmeinung von mir …

Wenn ich richtig informiert bin, bezieht sich das Urteil nicht unmittelbar darauf, wie man den Bernd bezeichnen darf, sondern darauf, dass es unzulässig ist, dass die Stadt den Anmeldern der Demonstration untersagt hat, Höcke als Faschisten zu bezeichnen.
Mittelbar-politisch läuft es natürlich irgendwie auf das Gleiche raus, aber rechtlich ist es m.E. schon ein Unterschied.

Eine Einzelfallentscheidung ist dieses Urteil schon deshalb, weil es um eine Abwägung ging zwischen verschiedenen Rechten: dem Recht auf Meinungsfreiheit und dem Schutz der Persönlichkeit.
Dafür kann es kein „Grundsatzurteil“ geben, weil es eben immer auf den spezifischen Fall und auch die spezifische Person und deren öffentlicher Funktion ankommt.

Deshalb kann man aus diesem Urteilsspruch auch nicht ableiten, man dürfe von nun an ‚offiziell bescheinigt‘ in jeglicher Situation Höcke einen Faschisten nennen.

Gruß
F.

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Naja, aber Höcke ist nun mal Höcke und solange sich an seiner öffentlich Position nichts ändert, kann sich an der Gültigkeit des Urteils doch nichts ändern, oder?

Was mich halt irritiert sind die ganze Überschriften, die mehr oder weniger unisono ‚Höcke darf als Faschist bezeichnet werden‘ lauten. In keinem der Artikel konnte ich ein Wort über eine etwaige Einschränkung finden.

LG

Ich denke, eine Einschränkung ist da, wo es tatsächlich keinerlei Sachbezug mehr hat und rein eine Schmähung der Person ist. Das wirds momentan, solange er so kräftig am politisch-öffentlichen Diskurs teilnimmt, in der Tat kaum geben können.
Dennoch ist das Urteil keinesfalls als „amtliche Bestätigung: Höcke ist ein Faschist und darf deshalb so genannt werden“ oder so zu verstehen, sondern lediglich als ein „die Meinungsfreiheit wiegt in dieser und ähnlichen Situationen höher als sein Persönlichkeitsrecht“.

Gruß
F.

Zitat aus der Urteilsbegründung:

Die Antragstellerin hat darauf hingewiesen, die Bezeichnung Faschist setze an realen Handlungen und Äußerungen Höckes an, die auch als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden könnten.
[…]
Diese Aussagen hat die Antragstellerin mit Zitatstellen aus dem Buch Höckes und Presseberichterstattung belegt.
Damit hat die Antragstellerin in einem für den Prüfungsumfang im Eilverfahren und angesichts der Kürze der für die Entscheidung des Gerichts verbleibenden Zeit in ausreichendem Umfang glaubhaft gemacht, dass ihr Werturteil nicht aus der Luft gegriffen ist, sondern auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht, dass es hier um eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage hinsichtlich eines an prominenter Stelle agierenden Politikers geht und damit die Auseinandersetzung in der Sache, und nicht - auch bei polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

Hervorhebung von mir. Das verdeutlicht, dass das Gericht der Argumentation der Antragstellerin lediglich unter Vorbehalt gefolgt ist und sie im Rahmen eines Eilverfahrens im Verwaltungsgerichtsweg(!) als ausreichend beurteilt. Somit ist das kein „Freibrief“, Höcke als Faschist zu bezeichnen - diesem bleibt in solch einem Fall durchaus der Klageweg wegen Beleidigung offen. Und zwar vor einem für die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständigen Gericht, d.h. erstinstanzlich einem Amtsgericht. Ob dieses angesichts der Faktenlage anders urteilen würde, ist offen aber mE eher unwahrscheinlich - insbesondere, wenn man sich das ‚Künast-Urteil‘ des Landgerichts Berlin anschaut (wobei gegen die Richter allerdings Strafanzeige wegen Rechtsbeugung gestellt wurde).

Hier war hingegen ein Verwaltungsgericht zuständig, da die Klage gegen einen versammlungsrechtlichen Auflagenbescheid der Stadt Eisenach, die sich hier - aus welchen Gründen auch immer - zum Anwalt Höckes gemacht hatte, gerichtet war. Darauf wird im Urteil auch explizit hingewiesen:

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der §§ 185, 193 StGB gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte

Gegenstand der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Meiningen war hier jedoch nicht § 185 StGB (auch, wenn dieser sowie die einschlägige Rechtsprechung dazu zur Entscheidung mit herangezogen wurden), wofür es nicht zuständig ist, sondern § 80 VwGO.

Volltext des Urteils hier.

Freundliche Grüße,
Ralf

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