Darf man Schulnoten vor der Klasse bekannt geben?

Hi,
ich erlebe das tagtäglich, dass Schüler ihre Leistungen vergleichen und daraus Zufriedenheit oder Unzufriedenheit schöpfen. Das mündet dann im Grunde zwangsläufig in ihre Leistungsmotivation, manchmal in einer eher unschönen Form als Neid und Missgungst, aber auch positiv als Wetteifer. Vielleicht solltest Du noch mal genauer hinsehen.

Nicht zuletzt erlebe ich es bei meiner eigenen Tochter, die nie schlechter sein will als ihr Freundin und darum jedesmal, wenn sie doch eine Note schlechter war als diese, vor der nächsten Arbeit von sich aus noch mal etwas mehr lernt.

Und du kannst dir sicher sein, dass das weder in meinen Klassen noch bei meiner Tochter von mir angetrieben wird. Ich stelle solche Vergleiche nie an.

Eine Note bewertet eine Leistung und nicht einen Schüler.

Das ist nun aber eine völlig abstrakte Begriffsakrobatik.
Mit der Note wird keine physikalische Größe dargestellt, sondern die Leistung eines Menschen beurteilt und damit dieser Mensch in einem bestimmten Aspekt. Natürlich muss immer klar sein, dass dieses beschränkte Urteil nicht auf die Gesamtpersönlichkeit verallgemeinert wird und vor allem keine moralische Dimension annehmen (was etwa bei Arbeits- und Sozialverhaltensnoten manchmal schwer wird), aber so zu tun, als sei eine Schulnote etwas von dem Menschen losgelöstes, neutrales ist irreal.

Gruß
Werner

Hallo,

Allerdings bilden wir weniger
Herden, sondern wohl eher so etwas wie Horden.

Und es sollte Aufgabe der Erzieher (Eltern, Lehrer etc.) sein,
Kinder auf ihrem Weg zu einem mündigen und reflektierten
Menschen zu unterstützen, der es eben NICHT nötig hat sich
irgendwelchen „Horden“ anzuschließen.

Ja, das finde ich alles gut. Aber ich meinte hier sozialpsychologische Modelle von sozialen Organisationsformen und da entspricht die Herde nicht dem was der Mensch ausbildet. Horde war wohl von mir nicht gut gewählt weil es negativ konnotiert ist. Der Mensch bildet aber immer soziale Ordnungen entsprechend seiner sozialen Instinkte. Die kann man bis zu einem gewissen Grad verändern, aber die Grundlage ist nicht frei wählbar und auch mündige, reflektierte Menschen werden soziale Hierarchien ausbilden.

Der Begriff der natürlichen Über- und Unterordnung des
Menschen ist vielleicht ein bisschen unglücklich gewählt (das
erinnert an die Formulierungen des Sozialdarwinismus).

Das habe ich der Definition von „Hierarchie“ entnommen, um deutlich zu machen worum es geht.

Es gibt allerdings definitiv so etwas wie eine
Rollenverteilung in der Klasse, genauso wie in jeder anderen
Gruppe.

Auch diese Rollen haben hierarchische Funktion. Der Klassenclown, der Streber, das stumme „Mappenmädchen“, die forsche Fordererin, der starke Beschützer und sein Protege, all diese Schülerrollen beinhalten Hierarchien, die sich zum Teil durchdringen, zum Teil situativ ausgetauscht werden. So ist der große Zampano in Erdkunde vielleicht eine stunde Später in Latein der Jammerlappen.

Allerdings nicht anhand eines Leistungsvergleichs durch ihre Schulnoten.

… und in diesem Kontext stehen auch Noten. Das muss man als Lehrer gar nicht instrumentalisieren, das passiert automatisch.
Wer gute Noten Schreibt genießt in diesem Fach ein höheres Prestige als einer mit schlechten. Das ist dann beim Fussball in der Pause irrelevant, aber im Kontext des Unterrichtes wichtig und beeinflusst auch die Leistungsmotivation der Schüler.
An wen wendet man sich sinnvollerweise um Hilfe (und ordnet sich damit automatisch in der überlegenen Kompetenz unter) an den der letztens eine 5 in dem Fach geschrieben hat oder an die mit der 1?

… dass ihnen eben nicht auch schon im Klassenzimmer die Note als :Maßstab Nummer Eins vermittelt wird.

D’accord. Etwas anderes habe ich auch weder gefordert noch als gegeben festgestellt. Es ist aber m. E. falsch das Gegenteil zu behaupten, dass Noten pädagogisch neutral wären und keinen Einfluss auf die Leistungsmotivation hätten.

Gruß
Werner

Hallo,

aber wie bewertest du dnn? gibst du A eine 2 statt einer 3, weil das B, die mit A befreundet ist, anspornt? Oder gibst du C eine 3 statt einer 2, weil sein Banknachbar D, der auf C neidisch ist und nie lernt, endlich das gefühl hat, auch was erreichen zu können? Ich denke nicht, also sind Noten kein pädagogisdhes Mittel. Vielleicht als Lob, wenn man bei den Zeugnisnoten bei 3,51 noch Note 3 erteilt, wegen aufsteigender Tendenz bei den Schulaufgaben. Aber nie als Tadel. Was die Schüler damit tun, ist deren Problem (entschuldgung), aber ich kann das nciht in meinem Unterricht einsetzen. Vielleicht reden wir zwei auch nur aneinander vorbei?

Eine Note bewertet eine Leistung und nicht einen Schüler.

Das ist nun aber eine völlig abstrakte Begriffsakrobatik.

Na für Akrobatik bin ich dann doch zu ungelenk :smile: Sicher eine Vereinfachung der Griffigkeit halber. Wenn ich einem Schüler eine 6 erteile, hat das nichts damit zu tun, ob ich ihn leiden kann oder nicht. Es hat auch nichts damit zu tun, was ich von der Art und Weise seiner Vorbereitung halte. Jemand kann fleißig lernen, und dann nichts wissen - dann ist er fleißig, aber die Leistung Note 6 (hier, in Englisch, unter 30%). Und jemand kann seine Hausaufgaben andauernd nciht machen, verpennt zum Unterricht erscheinen, in der REchenschaftsablage alles wissen - dann ist das eben eine 1, auch wenn mir die Arbeitseinstellung missfällt.

Mit der Note wird keine physikalische Größe dargestellt,
sondern die Leistung eines Menschen beurteilt und damit dieser
Mensch in einem bestimmten Aspekt. [etc]

Natürlich kann man das so betrachten, aber die Schüler sind sehr wohl in der Lage, das ausreichend zu trennen, wenn ich es ausreichend trenne (ausreichend - siehe oben). Und sie tun es auch.
Meine Schüler sind in der Mehrzahl 19 - 25, zweiter Bildungsweg. Wir lernen unter anderem, Aufsätze zu schreiben. Ich sammle den ersten versuch ein (Hausaufgabe, keine Noten) und bekomme, wie zu erwarten (weil sie es noch nie gemacht haben), Argumentationen auf Bildniveau. tippe den schlechtesten und den besten ab, ziehe das auf Folie (ohne Namen!!) und lasse die Klase entscheiden, welcher denn jetzt besser ist, bevor irgendjemand seine Arbeit in die hand bekommt. Überraschung: die mehrheit meint, der auf Bildniveau wäre der beste. Dann beweise ich ihnen stück für stück das Gegenteil (was wollte der Schüler, wie kommt es rüber, aber auch - was hat funktioniert? Wie kann man es besser machen?), und sie begreifen es. und niemand ist böse, im Gegenteil. Die „Kleinkriminellen“ geben sich oft sogar ncoh in der Stunde zu erkennen, sagen, warum sie so geschrieben haben und dass sie jetz auch verstehen, warum das so nicht ging. und ich kriege für den Rest des Schuljahres keine solche Argumentation mehr. Wenn die das persönlich nehmen würden, bekäme ich das ganze Schuljahr keinen fuß mehr auf den Boden.

Die Franzi

Hallo Franzi,

also zunächst mal habe ich nur festgestellt, das Noten eine pädagogische Wirkung haben.
Das auch zielgerichtet als Mittel einzusetzen ist eine andere Frage und da ich über die Noten von Schülern ja öffentlich praktisch nicht reden darf, ist dies zusätzlich erschwert. Wenn ich wie das früher üblich war, die Leistung von Schülern sogar öffentlich vergleichen dürfte, wäre da einiges möglich, nur zum Teil in der Ecke der schwarzen Pädagogik.

Aber auch heute kann ich sehr wohl darüber wie und wann ich Noten erhebe und mitteile die Wirkung dieser Noten ich sage mal modulieren. Bei Klassenarbeiten vielleicht weniger aber bei Mitarbeitsnoten oder Epochalnoten sehr gut.
Dein Beispiel zeigt das ja auch und ich kann nicht ganz verstehen warum du die Entscheidung im Zweifelsfall zur besseren Note als mögliches Mittel ansiehst, das Gegenteil aber nicht!?
Wenn jemand zwischen zwei Noten hängt, kann ich dem doch genau so sagen, rechnerisch wäre auch die Zwei in Reichweite, aber da er sich in letzter Zeit sehr unbeständig gezeigt hat gibt’s nur die drei mit der Aufforderung sich zukünftig anders zu verhalten. Wo siehst du das Problem?

Da Noten ja auch immer belegbar sein müssen, sind die Spielräume für pädagogische Festsetzung der Noten eng aber vorhanden, auch hier mindestens über die Mitarbeitsnote, aber auch über die Einschätzung von Leistungstendenzen, die ich auch bei der Bewertung von schriftlichen Leistungen einfließen lassen kann.

Außer bei Prüfungen ist ja überhaupt nicht vorgeschrieben, wie oder dass ich die Noten überhaupt arithmetisch exakt ermitteln muss und welche Rundungsregeln ich evtl. anwende.
Tatsächlich ist manches was in der Berechnung von Noten etwa in Prüfungen vorgeschrieben ist, Schwachsinn mit System, da Noten wie ich mal im Studium lernte, sogenannte Nominalskalen sind, mit denen man außer dem Mittelwert gar nichts arithmetisch berechnen kann. Sobald wir da also irgendwas faktorieren, prozentualisieren, brechen oder was auch immer, ist das mathematisch falsch und die Ergebnisse darum auch nie exakt. (Bemerkenswert ist für mich, dass gerade Mathelehrer, die das Problem erkennen müssten, oft am fanatischsten vor sich hin rechnen).
Die angebliche Exaktheit - am besten auf mehrere Stellen nach dem Komma ist außerdem augenwischerei, weil die Eingangsdaten, sprich die Rohpunkte und Einzelnoten eine solche Unschärfe haben, dass die nachgeordnete Exaktheit nichts am Ergebnis verbessert.
Meiner Meinung nach verstecken sich manche Lehrer hinter ihrem Taschenrechner. Sie schieben sozusagen dem die Schuld zu: „Seht her, ich bin doch lieb und würde euch gerne eine bessere Note geben, aber es ist nun mal eine 2,45 und darum kann ich dir nur eine drei geben“.

Gruß
Werner

Hi,

wir werden hier bald wegen ot geshclossen :wink:

also zunächst mal habe ich nur festgestellt, das Noten eine
pädagogische Wirkung haben.

Jupp.

Aber auch heute kann ich sehr wohl darüber wie und wann ich
Noten erhebe und mitteile die Wirkung dieser Noten ich sage
mal modulieren.

Das meinte ich ja, bzw tu ich auch. aber für mich is das drumherum, das wie, und nicht die note an sich das erzieherische Mittel (ok, ein Streit um des Kaisers Bart)

Dein Beispiel zeigt das ja auch und ich kann nicht ganz
verstehen warum du die Entscheidung im Zweifelsfall zur
besseren Note als mögliches Mittel ansiehst, das Gegenteil
aber nicht!?

Ich nehme an, du meinst die Zeugnisnoten. Ich kann das auch in die andere Richtung machen, natürlich. Hab das aber in meiner kurzen Praxis so erlebt, das man entweder die bessere Note einträgt (wenn es einen Grund gibt und der abstand weniger als 0,05 beträgt), oder aber es läßt, weil sich die Schüler sonst gestraft fühlen. Kann das aber nicht willkürlich machen, sondern hab Regeln dafür (aber die sind weit genug gefasst, man muss halt ne Begründung haben. Tendenz der Schulaufgaben, inhaltliche Stütze im Unterricht, sowas.). Aber: ich kann, ich muss nicht. Normal ist x,50 die bessere Note, x,51 die schlechtere, und wenn man sowas knappes auf sich zukommen sieht, fragt man halt nochmal aus (wenn man die Zeit hat … in einem 1- oder 2stündigen Fach geht ds oft nicht)
Bei einzelnoten, auch mündlichen, verwende ich den pädagogischen Ermesensspielraum nicht. ich fühle mich nciht in der Lage, ihn da angemessen einzusetzen, und kenne auch keinen Kollegen, der das nach meinem Empfinden gerecht tut. Erfahrungsgemäß gibt es den im Bereich der note 1-2 nicht, sehr wohl aber an der grenze 6-5, wo dann kaum einer eine 6 bekommt. So erhalten dann leute das Fachabitur … naja.

Wenn jemand zwischen zwei Noten hängt, kann ich dem doch genau
so sagen, rechnerisch wäre auch die Zwei in Reichweite, aber
da er sich in letzter Zeit sehr unbeständig gezeigt hat gibt’s
nur die drei mit der Aufforderung sich zukünftig anders zu
verhalten. Wo siehst du das Problem?

Maximal im Halbjahr, ansonsten siehe oben. jemand mit 2,49 hat die 2, wenn ich ihm die 3 gebe fühlt der sich verarscht. sry

„Seht her, ich bin doch lieb und würde euch gerne eine bessere
Note geben, aber es ist nun mal eine 2,45 und darum kann ich
dir nur eine drei geben“.

eine zwei.

Aber ich sehe zunehmend, dass wir wohl in gewisser weise aneinander vorbeireden. Ich glaube nicht, dass du jemandem, der ne gute leistung (im sinne der Notendefinition) gebracht hat, ne 4 gibst, nur damit er sich weiter anstrengt, oder weil er dir zu oft die Hausaufgaben vergisst.

Die Franzi

[MOD] Rischtisch…

wir werden hier bald wegen ot geschlossen :wink:

Hallo,

Dich sollte man klonen - schön wenn noch mehr Lehrer ein solches Interesse, Respekt und Engagement
zeigen würden *)

Hallo,

Dich sollte man klonen - schön wenn noch mehr Lehrer ein
solches Interesse, Respekt und Engagement
zeigen würden *)

Danke! :smile:
rotwerd