Darlehen in Mittelalter und Neuzeit

Liebe Experten,

irgendwo - ich glaube, es war ein Buch über die Fugger -, habe ich einen Fugger-Brief an Karl V. gelesen. Darin wurde seine Majestät auf wahrlich unterwürfigste Art an die Begleichen offen stehender Posten erinnert. Der Brief hatte tatsächlich die Funktion, politischen Einfluss zu nehmen - das Mittel aber war eben die Erinnerung an die kaiserlichen Schulden.

Was ich - als Jurist des 21. Jahrhunderts - mir so schwer vorstellen kann: Worin bestand eigentlich der Druck genau? Diese Frage kann man natürlich auf zahlreiche andere Beispiele übertragen. Eine Art Zwangsvollstreckung, wie wir sie heute kennen, dürfte einem Fugger gegen einen in Spanien residierenden römisch-deutschen Kaiser nicht möglich gewesen sein. So gesehen: Was bewegte die Fugger überhaupt, Geld an den Adel und Hochadel zu verleihen? Verließ man sich hier auf den guten Anstand? Auf die öffentliche Meinung? Darauf, dass der Adel schließlich auch künftig kreditwürdig sein wollte? Oder verließ man sich gar auf eine Gerichtsbarkeit?

Wer kennt sich aus und kann mir das erläutern?

Es freut sich:
Levay

Hallo Levay,

damals gab es tatsächlich noch sowas wie EHRE…:smile:

So ein Brief würde in unserer heutigen Zeit umgesetzt einem
KILLERKOMMANDO entsprechen…

Denn schließlich bestand damals immer noch eine enge Verquickung zwischen
weltlicher (Politischer) und Kirchlicher Macht…
Wie hätte das System (des Steuerabschröpfens) denn funktionieren sollen,wenn sich die „Hohen Herren“ schon nicht dran hielten ???..*g*…
(Mal ganz abgesehen davon,das zur damaligen Zeit auch Kaiser reativ leicht zu „Beseitigen“ waren…-) )

hi,

Was ich - als Jurist des 21. Jahrhunderts - mir so schwer
vorstellen kann: Worin bestand eigentlich der Druck genau?

zwangsvollstreckung war es nicht, klar. aber dann wurden eben künftige unternehmungen, wie eroberung unbekannter weltreiche, kriege usw. nicht mehr finanziell unterstützt. man darf nicht vergessen, dass die machtstrukturen nicht gottgegeben waren, sondern vielfältigen strömungen unterworfen waren. welche partei man unterstützte, war schon entscheidend für die weiteren machtverhältnisse.

Was bewegte die Fugger überhaupt, Geld an
den Adel und Hochadel zu verleihen?

ich zitiere der einfachheit halber aus meiner rezension des fugger-romans „gold für den kaiser“:
Unglaublich aber wahr: König Friedrich III. und seinem Gefolge soll in Augsburg im Jahre 1473 kein Einlass gewährt werden, bevor er nicht wenigstens die alten Schulden beglichen hat. Da erkennt der Vater von Jakob Fugger („dem Reichen“) seine Chance: Er bürgt für Friedrich und sein Gefolge und kleidet die ganze Truppe auch noch von oben bis unten ein! Als Gegenleistung bekommt er ein Wappen vom Kaiser: die Lilie. Fortan darf sich dieser Zweig der Familie „Fugger von der Lilie“ nennen. Das bringt sowohl Pflichten als auch Privilegien mit sich.

Verließ man sich hier auf
den guten Anstand? Auf die öffentliche Meinung? Darauf, dass
der Adel schließlich auch künftig kreditwürdig sein wollte?
Oder verließ man sich gar auf eine Gerichtsbarkeit?

weder noch, würde ich sagen. die gesetze des marktes dürften die triebkraft gewesen sein.

Wer kennt sich aus und kann mir das erläutern?

dieses buch erklärt einige der zusammenhänge. es ist zwar ein roman, aber außer der erfundenen liebesgeschichte mit der königin von zypern (die der dichterischen freiheit geschuldet sei), sehr genau recherchiert: http://www.libri.de/shop/action/productDetails/54691…

schöne grüße
ann

Liebe Experten,

irgendwo - ich glaube, es war ein Buch über die Fugger -, habe
ich einen Fugger-Brief an Karl V. gelesen. Darin wurde seine
Majestät auf wahrlich unterwürfigste Art an die Begleichen
offen stehender Posten erinnert. Der Brief hatte tatsächlich
die Funktion, politischen Einfluss zu nehmen - das Mittel aber
war eben die Erinnerung an die kaiserlichen Schulden.

Was ich - als Jurist des 21. Jahrhunderts - mir so schwer
vorstellen kann: Worin bestand eigentlich der Druck genau?
Diese Frage kann man natürlich auf zahlreiche andere Beispiele
übertragen. Eine Art Zwangsvollstreckung, wie wir sie heute
kennen, dürfte einem Fugger gegen einen in Spanien
residierenden römisch-deutschen Kaiser nicht möglich gewesen
sein. So gesehen: Was bewegte die Fugger überhaupt, Geld an
den Adel und Hochadel zu verleihen? Verließ man sich hier auf
den guten Anstand? Auf die öffentliche Meinung? Darauf, dass
der Adel schließlich auch künftig kreditwürdig sein wollte?
Oder verließ man sich gar auf eine Gerichtsbarkeit?

Wer kennt sich aus und kann mir das erläutern?

Hallo Levay,

ich denke, die Fugger kannten ihren Pappenheimer - und dass mit einiger Wahrscheinlichkeit ihr Geld futsch ist. Wahrscheinlich rechneten sie nicht mit einer Rückzahlung, wahrscheinlich rechneten sie mit Privilegien, die den Kaiser nichts kosteten, die Fugger aber noch reicher als wenn der Kaiser sein Darlehen getilgt hätte.

Wolfgang D.