Darmok and Jalad at Tanagra - MÖGLICH?

Hallo Wissende,

gerade muss ich wieder an die Folge „Darmok“ aus Star Trek TNG denken. In dieser Folge muss sich Captain Picard zusammen mit einem Alien auf einem unbewohnten Planeten gegen ein unsichtbares Wesen verteidigen.

Die Besonderheit ist, dass der „universal translator“ die Sprache der Aliens nicht übersetzen kann und eine Verständigung daher nicht möglich ist. (Die Crew der Enterprise stellt sich beim Erlernen einer neuen Fremdsprache auch denkbar ungeschickt an.)

Der Grund dafür ist, dass die Sprache der Aliens komplett auf Metaphern aufgebaut ist, die auf etwas hinweisen, das früher einmal passiert ist. Darmok und Jalad z.B. müssen sich früher einmal gemeinsam gegen eine Gefahr von außen verteidigt haben.

Jetzt meine Frage:
Könnte es so eine Sprache wie in der Folge „Darmok“ wirklich geben? Ich stelle mir vor allem den Spracherwerb von Kindern schwierig vor.

Außerdem stelle ich fest, dass die Sprache durchaus noch aus einzelnen Komponenten besteht, z.B. „Teimab - the river Teimab - in winter“.

Im Englischen ist diese Kombination logisch. Der Fluss Teimab, oder wie immer man den schreibt, gefriert im Winter und ist deshalb ruhig. Die Metapher „the river Teimab in winter“ steht also für Schweigen. … Aber wenn die gesamte Sprache aus Metaphern besteht, welchen Sinn macht es dann, eine einzelne Partikel („in winter“) abzutrennen?

Noch viel unlogischer ist, dass es Verben zu geben scheint, die aber nur als Bestandteile der Metaphern verwendet werden. Z.B. „Usani’s army with fist open … with fist closed“ oder „Sukath, his eyes uncovered“.

Lange Rede, kurzer Sinn: Wäre es möglich, dass so einer verdichtete metaphorische Sprache funktioniert, und falls ja, wie? Mit einer speziellen „Kindersprache“ dazu? Oder welche anderen sprachlichen Konstrukte müsste es in dieser Sprache noch geben, damit sie funktioniert?

Schöne Grüße

Petra

Hallo Petra,

ich denke, der Knackpunkt bei einer solchen „Metaphersprache“ ist die Frage des Sprachwandels, will sagen: des Wohers und Wohins dieser Sprache.

Aus dem Nichts kann eine solche Metaphersprache nicht entstehen. Wenn es also vorher einzelne, klar trennbare Sprachpartikeln wie eben Verben, Adjektive usw. gab, muss man sich fragen, warum sie zugunsten von Metaphern so sehr verkümmert sind, dass man sie nicht mehr eigenständig benutzt. Denn allzu logisch erscheint das Szenario nicht, dass die komplette Sprecherschaft einer Sprache (auch über mehrere Generationen) simple Ausdrücke wie Haus, still, gehen o.ä. durch komplexe Konstrukte ersetzt. Schließlich neigt der Otto-Normalsprecher ja bekanntermaßen meist dazu, seine Sprache eher zu vereinfachen als zu verkomplizieren. :wink:

Aber nun gut, gehen wir davon aus, dass sich diese Metaphern durchgesetzt haben. Dann wäre jedoch anzunehmen, dass solche Ausdrücke nach und nach so weit verschmelzen, dass die ursprünglichen Partikel immer weniger zu erkennen sind – zumal sie ja auch, einzeln gesehen, nicht mehr bedeutungstragend sind. Sprich: Der Enkel oder Urenkel von Otto Normalsprecher würde wohl schon nicht mehr „Fluss XY im Winter“, sondern schon so etwas wie „XY“ oder „Winterfluss“ o.ä. sagen.

Ergo: Die (unveränderte) Existenz einer solchen Sprache über mehrere Sprechergenerationen halte ich für relativ unrealistisch. Denn Sprache entwickelt und wandelt sich ja automatisch durch ihren Gebrauch, so dass es eigentlich unvorstellbar ist, dass sich zwar einerseits die einzelnen Partikeln noch erkennbar erhalten, andererseits aber nur noch im Zusammenhang der Metaphern eine Bedeutung haben. Klar, es gibt auch im Deutschen Beispiele für Ausdrücke, die sich nur im Zusammenhang mit Metaphern gehalten haben, während sie ansonsten schon lange nicht mehr benutzt werden. Aber dass eine Sprache nur aus solchen Ausdrücken besteht, halte ich dann doch für wenig glaubwürdig.

Was nun das Funktionieren einer solchen Sprache angeht: Theoretisch sicherlich schon. Aber dafür müsste sie nicht nur in einem sprachwandelfreien Raum existieren (s.o.). Man bräuchte auch eine Art „Depotsprache“, mit deren Wortschatz man seine Metaphern umschreibt, derer sich die Sprecher jedoch ansonsten nicht bedienen dürften. Und ich denke, spätestens ab diesem Punkt würde das Projekt ein wenig schizophren.*

Gruß,
Stefan

* Okay, ich gebe zu: Als die Zionisten der Zweiten Alija anfingen, lieber dieses neue, komplexe und kantige Konstrukt „Hebräisch“ zu sprechen als sich bequem auf Russisch, Polnisch oder Jiddisch zu unterhalten, wurden sie auch belächelt, und man hielt es für wenig realistisch, dass sich eine solche Sprache eines Tages durchsetzen würde… :wink:

Hallo Stefan,

Aus dem Nichts kann eine solche Metaphersprache nicht
entstehen.

Stimmt - ist wohl die letzte Entwicklungsstufen einer sehr lange bestehenden Kultur. Denn diese Aliens sind der Enterprise haushoch überlegen.

Aber nun gut, gehen wir davon aus, dass sich diese Metaphern
durchgesetzt haben. Dann wäre jedoch anzunehmen, dass solche
Ausdrücke nach und nach so weit verschmelzen, dass die
ursprünglichen Partikel immer weniger zu erkennen sind – zumal
sie ja auch, einzeln gesehen, nicht mehr bedeutungstragend
sind. Sprich: Der Enkel oder Urenkel von Otto Normalsprecher
würde wohl schon nicht mehr „Fluss XY im Winter“, sondern
schon so etwas wie „XY“ oder „Winterfluss“ o.ä. sagen.

So in der Art passiert es ja auch im Film. Der Chef sagt eben nicht einfach „the river Teimab in winter“ sondern vielmehr „Teimab! … The river Teimab … in winter“.

Was nun das Funktionieren einer solchen Sprache angeht:
Theoretisch sicherlich schon. Aber dafür müsste sie nicht nur
in einem sprachwandelfreien Raum existieren (s.o.). Man
bräuchte auch eine Art „Depotsprache“, mit deren Wortschatz
man seine Metaphern umschreibt, derer sich die Sprecher jedoch
ansonsten nicht bedienen dürften.
Und ich denke, spätestens ab
diesem Punkt würde das Projekt ein wenig schizophren.*

Da hast du die Sache sehr gut auf den Punkt gebracht. :smile: Genau damit hatte ich auch ein Problem, konnte es aber nicht so gut ausdrücken.

* Okay, ich gebe zu: Als die Zionisten der Zweiten Alija
anfingen, lieber dieses neue, komplexe und kantige Konstrukt
„Hebräisch“ zu sprechen als sich bequem auf Russisch, Polnisch
oder Jiddisch zu unterhalten, wurden sie auch belächelt, und
man hielt es für wenig realistisch, dass sich eine solche
Sprache eines Tages durchsetzen würde… :wink:

Ja, warum einfach wenn’s auch kompliziert geht. :wink:

In dem Sinne, „Mirab - his sails unfurled“ bzw. שלום

Petra

P.S. Nee … ich hab immer noch keine hebräischen Buchstaben. Das war der google translator

Hallo,

Der Witz ist aber doch, dass wir tatsächlich in sehr starkem Maße metaphorisch sprechen. Ähnliche Phänomene lassen sich daher in nahezu allen Sprachen gerade auch am Beispiel der konzeptionellen Metaphern sehen - wir bemerken sie nur oftmals nicht.

Sage ich beispielse: „Ich habe keine Ahnung, wohin diese Diskussion führen könnte“, dann benutze ich gleich zwei konzptionell metaphorische Bereiche. Einerseits den Besitz, den ich auf die „Ahnung“ ausübe, andererseits die Reise, die den Endpunkt eines Gespräches bezeichnet.

Sage ich: „He fell in love“ dann sehe ich „Liebe“ als Gefäß, denn „in“ beschreibt das „Container-Schema“, also die Situation in der eine Entität, die von einer anderen Entität umfasst ist.
Letzten Endes sind nahezu alle Sprachen voll von „Bildern“, wenngleich diese nicht immer deutlich als solche hervortreten und sichtbar sind. Weshalb haben beispielsweise Fremdsprachenlerner oftmals solche Schwierigkeiten beim Erlernen der Präpositionen? Ganz einfach weil die Referenzrahmen der Metaphern oft unterschiedlich sind.

MFG Cleaner

Hallo nochmal,

als ich noch einmal in Ruhe über die Geschichte nachgedacht habe, ist mir eine im Grunde genommen relativ simple (wenn auch leicht ketzerische) Erklärung für die „Problematik“ dieser Metaphersprache gekommen: Das eigentliche Problem ist nicht die hohe Anzahl an Metaphern in dieser Sprache, sondern die Unzulänglichkeit des famosen Universalübersetzers.

Denn auch wenn diese Wesen in der Außenansicht in komplexen Bildern sprechen, benutzen sie vermutlich in ihrer Eigenansicht eine ganz normale Sprache. Um das mal runterzubrechen auf ein konkretes Beispiel, das unserer Lebenswelt ein wenig näher ist: Wenn ein Israeli mich mit den Worten ברוך הבא (baruch ha-ba’) in seinem Haus begrüßt, sagt er zwar theoretisch die Worte „Gesegnet (sei) der Kommende“, meint damit aber nichts anderes als „Herzlich willkommen“.

Ergo: Theoretisch sollte der Universalübersetzer, wenn er denn die einzelnen Partikeln dieser Sprache erkennen und übersetzen kann, auch die Metaphern entschlüsseln können. Dass er das ganz offensichtlich nicht kann, ist in gewisser Weise eine prophetische Botschaft. Denn schon Anfang der 1990er schien ein Autor zu ahnen, dass einmal so lustige Dinge wie der Google-Translator erfunden würden, dass diese theoretisch helfen würden, aber spätestens dann nur Müll auswerfen, wenn man Sätze eingibt, die komplexer sind als „Ich lese ein Buch“. Aber eigentlich ist das ja auch eine gute Nachricht für die Übersetzer unter uns: Trotz der grandiosen Technologie, die es im 23. Jahrhundert geben wird, werden maschinelle Übersetzungen selbst dann noch extrem fehleranfällig sein. :wink:

Gruß,
Stefan

Hallo,

Der Witz ist aber doch, dass wir tatsächlich in sehr starkem
Maße metaphorisch sprechen.

im Grunde genommen gebe ich Dir recht. Natürlich benutzen wir tagtäglich theoretisch unzählige Metaphern.

Letzten Endes sind nahezu alle Sprachen voll von „Bildern“,
wenngleich diese nicht immer deutlich als solche hervortreten
und sichtbar sind.

Und genau das ist das große Aber bzw. der Punkt, den ich mit dem Sprachwandel meinte: Die eigentlichen Bilder haben sich in Jahrhunderten des Sprachwandels so stark „verwaschen“, dass wir uns heutzutage keine Gedanken mehr darüber machen, dass wir eine Ahnung „besitzen“, dass Englischsprecher „in die Liebe hinein fallen“ usw. – zumal ja diese Beispiele auch zeigen, dass die einzelnen Partikeln nach wie vor (anders als in dieser hypothetischen Sprache, von der Petra es hatte) ihre eigenständige Bedeutung beibehalten haben und auch außerhalb dieses metaphorischen Kontexts benutzt und verstanden werden.

Gruß,
Stefan

Hallo,
Ich habe mich das auch immer gefragt. Und ich denke, das Problem liegt evtl. an einer ganz anderen Stelle: sollte die Sprache wirklich komplett aus Metaphern bestehen, wie werden dann Dinge ausgedrückt wie „Ein viertel Impulsgeschwindigkeit, Kurs: 47.215.“, „Es ist jetzt genau 0:49 Uhr.“ oder „Das macht dann zwo fuffzich. Zahlen Sie bar oder mit Karte?“,

Und: wenn in dieser Kultur immer diese ganzen Geschichten bekannt sein müssen, wie werden diese dann erzählt? Theoretisch müssten alle Metaphern aus weiteren Metaphern und immer so weiter bestehen. Matrjoschka-Prinzip.

André – seine Hände wedelnd.