Das Grundgesetz schützt Sozialleistungen – aber nu

Hoffentlich stimmt es, daß „die Klagen keine Chance haben dürften“…ansonsten sieht’s schlecht aus für Deutschland.

Sarah
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Quelle: (sueddeutsche.de)
Reformen: Ohne Geld-zurück-Garantie

Das Grundgesetz schützt Sozialleistungen – aber nur bedingt.
Von Nikolaus Piper

(SZ vom 18. März 2003) Wird der Reform-Aufbruch des Bundeskanzlers vor dem Verfassungsgericht enden? Der Sozialverband VdK und mehrere Gewerkschaften haben am vergangenen Wochenende angekündigt, notfalls in Karlsruhe gegen die geplante Begrenzung des Arbeitslosengeldes für ältere Arbeitnehmer und die Schnitte in den Leistungskatalog der Krankenkassen klagen zu wollen.

Die Drohung ist ernst zu nehmen, denn tatsächlich sind auch beitragsfinanzierte Sozialleistungen durch die Eigentumsgarantie aus Artikel 14 des Grundgesetzes geschützt – allerdings mit deutlichen Einschränkungen.

Am eindeutigsten ist die Lage bei den Renten. In mehreren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht zu Beginn der achtziger Jahre festgelegt, dass heutige und künftige Rentenansprüche eigentumsähnlichen Charakter haben und daher Schutz vor entschädigungsloser Enteignung genießen.

Dabei stuften die Richter jedoch ab: Sofern die Renten einen Gegenwert früherer Beiträge darstellen, ist der Schutz groß, darüber hinaus wird er deutlich geringer – hier gelten lediglich die Gebote des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit: Die Bundesregierung darf zum Beispiel den Rentenanstieg auf die Inflationsrate begrenzen, sie muss dies aber ausreichend begründen.

Wobei als Grund auch gilt, „die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen“.

Dieser Satz könnte relevant werden, wenn jemand mit einer Musterklage gegen die Begrenzung des Arbeitslosengeldes auf ein Jahr bis nach Karlsruhe gehen sollte. Tatsächlich hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss von 1986 einmal eine Einschränkung des Arbeitslosengeldes verhindert.

Damals wollte die unionsgeführte Bundesregierung die Wartezeit vor der erstmaligen Bezugsberechtigung von Arbeitslosengeld von 180 auf 360 Tage verlängern. Diesen Plan haben die Verfassungsrichter verworfen. Bei diesem Eingriff in das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld habe die Regierung nicht genügend „Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit“ vorgelegt.

Vergleichbare Entscheidungen zu den Leistungen der Krankenkassen gibt es nicht.
Eigentlich müssten die Krise der Sozialkassen und der drohende weitere Beitragsanstieg die geplanten Einschnitte ausreichend begründen. Bei der Rente gebe es keine „Geld-zurück-Garantie“, sagte der Staatsrechtler Wolfgang Rüfner einmal.

Der Satz müsste sinngemäß auch für Arbeitslosen- und Krankenversicherung gelten. „Es kann nicht sein, dass das Bundesverfassungsgericht den Status quo auf alle Zeiten festschreibt,“ meint Horst Siebert, der Präsident des Kieler Weltwirtschaftsinstituts. Hans-Werner Sinn, der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, sagt: „Eine gesetzliche Versicherung, die Verluste macht, muss ihre Ausgaben anpassen können.“

Der Staat hat seinen Versicherten zu viel versprochen; er könnte sein Versprechen nur um den Preis hoher wirtschaftlicher Schäden einhalten. Diese Tatsache müsste der Regierung bei der Reform des Sozialstaats eigentlich genügend Spielraum geben. Allerdings muss sie dabei Willkür vermeiden, die Verhältnismäßigkeit wahren und jede Entscheidung gut begründen. Unter dieser Voraussetzung dürften die Klagen keine Chance haben.