Ein Freund aus Moldavien lernt deutsch und hat mich gefragt warum man im Deutschen „das Mädchen“ sagt aber nicht „die Mädchen“.
Ich habe ihm geantwortet, dass der Papa immernoch hofft, dass „Es“ ein Bub wird, aber ich denke mal, dass das nicht richtig ist…
OT: ai > ä
Wie kommt es eigentlich, dass aus einem ai ein ä wird?
Das ist ja bei Fremdwörtern aus dem Griechischen genauso; auch mit οι (z.B. Dämon, Ökologie).
Mädchen… entstand im 17. Jahrhundert durch Konsonantenerleichterung aus Mägdchen (daneben Mä[g]dgen), ist also eigtl. Verkleinerungsbildung zu Magd, das früher „unverheiratete oder noch unberührte Frau“ bedeutete.
Maid… geht zurück auf mhd. meit, das durch Zusammenziehung aus mhd. maget … entstanden ist.
Wie kommt es eigentlich, dass aus einem ai ein ä wird?
Das ist ja bei Fremdwörtern aus dem Griechischen genauso; auch
mit οι (z.B. Dämon, Ökologie).
Das ist in der Tat oft so. Auch in vielen indischen Sprachen oder z.B. im Mongolischen passiert es, dass aus einem zugrundeliegenden /ai/ ein [ɛː] oder etwas ähnliches wird. Oft wird auch aus einem /au/ dann ein [ɔː]. Kennt „man“ auch aus dem Gotischen, wo AI für langes offenes [ɛː] geschrieben wurde.
Und warum ist das so? Nun, ein [i] ist ein hoher Vokal, der dazu neigt, umliegende Vokale ebenso nach oben zu ziehen (so ähnlich sind die Umlaute im Deutschen entstanden). In schneller Rede verschmilzt daher ein /ai/ oft und bildet einen mehr oder weniger langen Vokal genau zwischen /a/ und /i/ — und dort liegt eben das /ɛ/.
Ähnlich dann auch beim /oi/, wobei da das /i/ eher als Vordervokal wirkt und das /o/ nach vorn zum /ø/ zieht. Ich denke, das war im Griechischen auch einen Zwischenstufe, bevor das /ø/ dann ganz zum /i/ angehoben wurde. Heute wird das οι ja einfach als [i] gesprochen.
Dass das auch perzeptorisch irgendwie zusammenhängt, zeigen Sprachen wie das Georgische, das keinen ü-Laut besitzt. Werden dort aber z.B. deutsche Namen transkribiert, wird dieser Laut durch die Buchstabenkombination (-iu-) wiedergegeben, da das dem Laut [yː] oder [ʏ] am nächsten kommt.
Du immer mit Deinen exotischen Sprachen
Wir haben doch auch ein Beispiel direkt vor der Haustür, nämlich bei den Franzosen. Die Buchstabenfolge ai wurde im Französischen früher auch [ai] gesprochen (ich weiß nicht, bis wann), im modernen Französisch ist daraus ein [ɛ] geworden, manchmal auch ein [e].
Es kommt noch besser: die heutige Buchstabenfolge ai geht sehr oft zurück auf eine ältere Schreibweise oi, die zunächst auch [oi] gesprochen wurde. Lautlich hat sich aus diesem oi teilweise die Aussprache [wa] entwickelt, teilweise [wɛ].
Die Aussprache [wa] ist erhalten geblieben; die Aussprache [wɛ] hat sich weiterentwickelt zum heutigen [ɛ] bzw. [e]. Schöne Beispiele für die unterschiedliche Entwicklung sind der Vorname François [frãswa] und das Nomen/Adjektiv français [frãsɛ], die beide auf die alte Schreibung F/françois zurückgehen.
Und nebenbei: im Dialekt der Region Poitou-Charente, in Québec ebenfalls , wird die Buchstabenfolge oi auch heute noch als [wɛ] gesprochen.
Ein François wird dort nicht [frãswa] genannt, sondern [frãswɛ]. Und wenn François eine Geschichte erzählt, dann ist das keine [istwar], sondern eine [istwɛr]