Das Paradies ist anderswo

Hallo,

wer hat auch das o. g. Buch von Mario Vargas Llosa gelesen?

Es behandelt die Lebensläufe zweier Personen: von Flora Tristan, einer frühen französischen Arbeitsrechtlerin und Kämpferin für Frauenrechte, und des Malers Paul Gauguin. Dies immer abwechselnd: ein Kapitel für Tristan, eins für Gauguin, und das, obwohl keine Beziehung zwischen den beiden besteht. Zwar ist Paul Gauguin der Enkel von Flora Tristan, aber die beiden sind sich nie begegnet, als Gauguin geboren wurde, war Tristan schon tot. Gauguin erwähnt sie zwar einige wenige Male, weiß aber, da er sich nie für Politik interessiert hat, nur wenig über sie. Einen Grund, die beiden Lebensläufe zu verknüpfen, gibt es also nicht.

Ich fand beide Lebensläufe interessant, auch die Art, wie Vargas Llosa sie beschreibt, aber der ständige Wechsel ging mir auf die Nerven. Ich fand es schwer, nach jedem Neuanfang eines Kapitels zurücküberlegen zu müssen: wie ging noch mal das vorletzte Kapitel aus? Wo in Ihrem / seinem Leben bin ich jetzt? Nachdem ich vier oder fünf Kapitel auf die Weise hinter mich gebracht hatte, habe ich das Buchprinzip ignoriert: Ich habe erst den Lebenslauf von Gauguin gelesen, indem ich immer ein Kapitel ausließ, und dann den Lebenslauf von Flora Tristan.

Was mich jetzt interessiert, ist:

Weiß oder ahnt oder vermutet jemand, warum der Autor die beiden Lebensläufe derart kapitelweise miteinander verknüpft hat?

Warum, wenn er beide beschreiben wollte, hat er das nicht in zwei voneinander getrennten Büchern gemacht?

Falls er der Meinung war, die Bücher würden dann zu „dünn“ (alle Bücher, die ich von ihm kenne, sind rund 500 Seiten stark), hat er es nicht einfach in Teil 1: „Flora Tristan“ und Teil 2: „Paul Gauguin“ eingeteilt?

Habt Ihr das Buch konsequent von Anfang bis Ende gelesen, oder seid Ihr, wie ich, auch zweiteilig vorgegangen?

Falls letzteres: Wie habt Ihr Euch dabei gefühlt?

Grüße
Carsten

hallo carsten,
beim Googeln fand ich die Meinung einer vom Spiegel zitierten Rezensentin: - um zu zeigen, wie schwer es für beide gewesen sei, zu Nachruhm zu finden … beide seien auf der Suche nach utopischen Zielen gewesen …
Könnte es sein, beides trifft auf den Autoren zu?

Also ich würde direkt den Verlag Suhrkamp anschreiben und versuchen, den/ die Lektor/in anzusprechen, der/die dieses Buch für den Verlag lekturiert hat.
VG, S.I.

Hallo,

beide seien auf der Suche nach utopischen Zielen gewesen …

das trifft auf Gauguin zu, Tristans Ziele waren idealistisch, aber nicht utopisch.

So oder so aber sehe ich keinen Grund, kapitelweise abwechselnd über die eine und den anderen zu berichten.

Ich bin gespannt, ob sich doch noch jemand findet, der das Buch auch gelesen hat und berichtet, ob er genauso vorgegangen ist wie ich.

Grüße
Carsten

Spekulativer Kommentar
Moin Carsten,

das Buch von Vargas Llosa kenne ich nicht. Aber da dieser Autor seit ca. 40 Jahren immer mal wieder in mein Leben eindringt, habe ich mir ein paar Rezensionen durchgelesen. Dabei habe ich keine Antwort auf die Frage gefunden, warum V.L. die beiden Lebensläufe miteinander verknüpft hat, aber ohne Grund hat er dies gewiss nicht getan.

Nun spekuliere ich mal: das Buch ist ein Roman. Es handelt sich also nicht um zwei isolierte Biographien, die einfach scheibchenweise geschnitten und ineinandergeschoben wurden. V.L. hat sich bestimmt etwas dabei gedacht, als er die Biographien von Paul Gauguin und Flora Tristan miteinander verwob.
Du hast das Buch als reine Biographie von zwei Personen gelesen, was Dein gutes Recht ist. Es gibt aber (eben weil das Buch ein Roman ist) ganz bestimmt noch andere Lesarten.

Könnte es sein, dass die aufeinanderfolgenden Kapitel jeweils ein bestimmtes Entwicklungsstadium, eine Lebensauffassung, Geisteshaltung der Personen widerspiegeln, sei es nun kontrastierend oder durch die erzählerische Darstellung von Parallelen?
Flora reist durch Frankreich, um ihr Ideal von einer gerechten Gesellschaft zu verbreiten. Paul reist nach Tahiti, um dort sein Ideal von einer freien Gesellschaft zu finden – da gibt es bestimmt Aspekte, in denen sich beide Biographien bei der Suche nach einem Paradies miteinander verknüpfen.
Wie gesagt, das ist reine Spekulation von mir.

Falls er der Meinung war, die Bücher würden dann zu „dünn“
(alle Bücher, die ich von ihm kenne, sind rund 500 Seiten
stark) (…)

Das war bestimmt kein Grund, denn V.L. hat auch dünnere Bücher geschrieben. Gelesen habe ich

  • Der Geschichtenerzähler
  • Der Hauptmann und sein Frauenbataillon
  • Lob der Stiefmutter

In Deinem zweiten Kommentar schreibst Du „Tristans Ziele waren idealistisch, aber nicht utopisch.
Frag mal im Philosophie-Brett nach dem Unterschied zwischen Ideal und Utopie. Du wirst wahrscheinlich einen wortreichen Artikelbaum pflanzen, von dem man sehr viel Gesülze und sehr wenig Gehalt ernten wird.
Vielleicht kann man sogar amüsiert-voyeuristisch zuschauen, wie die Fetzen fliegen … ;-»

Grüße
Pit