Das Zeit-Raumverhältnis bei Gerold Prauss

Das Zeit-Raumverhältnis bei Gerold Prauss.

Zum Verständnis vorausgesetzt sei: Jede menschliche Erkenntnis ist Erkenntnis, eben auch Erkenntnisse über die Struktur solcher Erkenntnisse. Was hierbei als erwiesene Tautologie auftritt, ist als solche der Maßstab oder der Prüfstein für die Zirkelfreiheit und Widerspruchsfreiheit solcher Erkenntnis mit Erkenntnis.
Mit anderen Worten: Wie sehen alles durch die Brille unseres Erkenntnisvermögens quasi wie mit einem Nachtsichtgerät , denn auch das Licht ist Struktur unserer Erkenntnis. Wir leben eigentlich im Dunkeln.
Dieses Eigentliche, das Ansichsein von allem, was wir erkennen, also das Erkannte in seiner wahren Eigenart, hatte Kant als etwas niemals Erkennbares in ein Außerhalb verlegt und damit eine Lawine von Spekulationen darüber ausgelöst, was denn da „draußen“ nun wirklich los sei. Prauss mauert diese „Lücke“ konsequent zu: Denn auch das „Wissen“ um dieses Jenseits ist menschliche Erkenntnis und gehört zur Struktur menschlicher Erkenntnis.
Richtigkeit und Wirklichkeit einer Erkenntnis ergibt sich „faktisch, kontingent, will sagen, auch empirisch“ (Gerold Prauss, „Die Welt und wir“,Bd I/2, Seite 916-917) im Vergleich also mit anderer Erkenntnis und bleibt bis zur eventuell notwendigen Korrektur Behauptung. Denn jede Erkenntnis könnte Traum, Illusion oder Irrtum sein. Dem Solipsismus entgeht Prauss durch eine Naturdefinition, nach der menschliche Erkenntnis natürlich, also innerhalb der Natur möglich ist.

Dem allen war seit Kant Zeit und Raum als a priori vorausgesetzt oder zugrunde gelegt und führte zu vielerlei Widersprüchen. Als Zeitmodell diente seit eh, aber seit Aristoteles per Definition eine Linie, die sich am Jetztpunkt als Gegenwart in zwei Teile mit den unterschiedlichen Richtungen Zukunft und Vergangenheit teilt, was jedoch seit eh, frühestens belegt seit Zenon von Elea zu unlösbaren Widersprüchen zu anderen Erkenntnissen führt und ist nur für eine relative Zeit geeignet, nach der man nachträglich z.B. Bücher oder Ereignisse sortiert.
Als Model für tatsächlich erkennbare, bewusste und erlebbare Zeit von Jetzt als Voraussetzung einer Erkenntnis kann nach Prauss nicht eine Linie, also Ausdehnung mit Punkt sein, die Raum und damit auch Zeit bereits voraussetzt, sondern kann umgekehrt nur Punkt mit Ausdehnung bereits in sich sein, nämlich einmal, und zwar vorrangig dynamische Ausdehnung als Nacheinander, als Zeit, und dem asymmetrisch nachgeordnet Ausdehnung als Zugleich, nämlich als Linie, Fläche, Raum.
Dies Modell erreicht er widerspruchsfrei durch folgende geometrische Vorstellung, so wie wir uns auch einen Kreis, seinen Mittelpunkt usw. vorstellen:

Das Zeitmodell von Gerold Prauss: (Die Welt und wir“, Metzler, Bd 1/II, Seite 321-322)
„- - - - angenommen, mittels eines Kreidestücks zum Beispiel tue ich mit einer Hand genau das, was ich tue, wenn ich eine geometrisch ideale Linie in einem Zuge zeichne, lasse dabei aber mit der andern Hand unmittelbar im Anschluß an das Kreidestück noch einen Schwamm so folgen, daß durch diese Art von einem Zug bereits von vornherein nicht eine Linie, sondern immer wieder nur ein Punkt entspringt. Dann bildet sich dadurch ein Gegenstand, der zwar desgleichen geometrisch ideal und geometrisch existent sein muß, doch weder Punkt im Unterschied zu Linie noch Linie im Unterschied zu Punkt sein kann, sondern nur ein bestimmtes Zwischending dazwischen.

Fußnote 4: Wenn es Ihnen nicht genau genug ist, dieses Zeit-Modell vermittels Kreidestück und Schwamm und Tafel zu gewinnen, können Sie es absolut-exakt durch eine bloße Forderung erzeugen. Widerspruchsfrei ist es nämlich, folgendes zu fordern: Angenommen werde das dynamische Erzeugen einer geometrisch-idealen Linie in einem Zug als das dynamische Ausdehnen eines geometrisch-idealen Punktes. Durch ein solches Ausdehnen sei dann auch eine Richtung dieses Ausdehnens sowie die zu ihr umgekehrte Richtung festgelegt. Und da ein solches Ausdehnen ja kontingent sei, lasse dann auch zusätzlich noch folgendes sich annehmen: In einem Zug erfolge solches Ausdehnen, indem genau so viel an Ausdehnung, wie dabei in der einen Richtung je und je entstehe, in der umgekehrten Richtung dabei je und je vergehe. Diese Forderung führt absolut-exakt zu dem Ergebnis jenes geometrisch-idealen Zwischendings von Punkt und Linie.“

Dieser Punkt beinhaltet in seiner Dynamik also widerspruchsfrei Zeit ohne Zeitablauf, Raum ohne Raumausdehnung und Bewegung ohne Bewegtes wie auch das Jetzt als ursprüngliches Selbstbewußtsein noch vor jeder bewussten Erkenntnis. Von diesem Punkt baut sich in drei Stufen jede menschliche Erkenntnis auf, wie „Dies ist ein Tisch.“, „Dies ist rot.“ oder „Dies ist rund.“
Dieser dynamische Punkt, der immer nur ein Werden ohne Gewordenes sein kann, unterscheidet sich ganz grundsätzlich von dem herkömmlichen statischen Begriff, der als Ausdehnung mit Punkt verstanden wird, und wird damit zu einem neuen Begriff.

Die Frage ist, ob sich nach allen Erkenntnissen moderner Physik „Punkt mit Ausdehnung“ als dynamisches Zeit-Raumverhältnis anders denken lässt.
© Friedhelm Schulz

Das Zeit-Raumverhältnis bei Gerold Prauss.

Unklarheiten.:

Friedhelm schrieb:

Als Model für tatsächlich erkennbare, bewusste und erlebbare
Zeit von Jetzt als Voraussetzung einer Erkenntnis kann nach
Prauss nicht eine Linie, also Ausdehnung mit Punkt sein, die
Raum und damit auch Zeit bereits voraussetzt, sondern kann
umgekehrt nur Punkt mit Ausdehnung bereits in sich sein,
nämlich einmal, und zwar vorrangig dynamische Ausdehnung als
Nacheinander, als Zeit, und dem asymmetrisch nachgeordnet
Ausdehnung als Zugleich, nämlich als Linie, Fläche, Raum.
Dies Modell erreicht er widerspruchsfrei durch folgende
geometrische Vorstellung, so wie wir uns auch einen Kreis,
seinen Mittelpunkt usw. vorstellen:

Frage:
Ich frage mich, wie die Zeit zweidimensional als Linie oder
Punkt dargestellt werden könnte.

Friedhelm antwortet:

Natürlich nicht. Sowenig, wie eine Linie, eine Fläche oder Raum wahrnehmbar und darstellbar ist, ist natürlich erst recht die ursprüngliche Zeit nicht darstellbar, sondern nur denkbar und vorstellbar. Und um die widerspruchsfreie Denkbarkeit geht es. Der wahrnehmbare Strich z.B. auf einer Tafel als Substanz, Masse oder Körper dient ausschließlich als Model nur der Veranschaulichung, der Begriffsbildung und der Mitteilung.

Frage:

Zeit ist Bewegung die ohne Raum
nicht denkbar wäre und als solche nur dreidimensional
darstellbar.

Friedhelm:
Zeit ist nur ein Teil, ein Faktor der Bewegung: Weg pro Zeiteinheit. Die Redensart „Wir bewegen uns durch die Zeit; von einem Jahr zum anderen.“ macht für den Alltag vielleicht Sinn, steckt aber rein logisch voller Widersprüche, die Prauss natürlich auf tausend Seiten offen gelegt hat. Wäre die Zeit als Bewegung z.B. ein Karren, der uns mitnimmt, so müssten wir nicht nur selbst aufsteigen, sondern wir müßten zugleich alle Menschen, die Erde und den ganzen Kosmos und damit auch den Raum als Gepäck mitnehmen und letztendlich auch den Weg, den dieser Karren fahren soll. Logisch nicht haltbar. Denn welchen Weg sollten wir nun nehmen.
Denn es ist der Raum, der Zeit voraussetzt und nicht umgekehrt, wie Du sagst. Ohne Jetzt kein Hier.

Frage zu folgendem Zitat:

„- - - - angenommen, mittels eines Kreidestücks zum Beispiel
tue ich mit einer Hand genau das, was ich tue, wenn ich eine
geometrisch ideale Linie in einem Zuge zeichne, lasse dabei
aber mit der andern Hand unmittelbar im Anschluß an das
Kreidestück noch einen Schwamm so folgen, daß durch diese Art
von einem Zug bereits von vornherein nicht eine Linie, sondern
immer wieder nur ein Punkt entspringt. Dann bildet sich
dadurch ein Gegenstand, der zwar desgleichen geometrisch ideal
und geometrisch existent sein muß, doch weder Punkt im
Unterschied zu Linie noch Linie im Unterschied zu Punkt sein
kann, sondern nur ein bestimmtes Zwischending dazwischen.

Frage:

Kann man dieser zweidimensionalen Bewegung eine räumliche
zuordnen? Ein Punkt ist keine geometrische, sondern eine
mathematisch abstrakte Form. Eine Linie ist nur die Begrenzung
zwischen zwei Punkten. Was Prauss da vorschlägt, ist der Versuch
auf einer Fläche eine Form darzustellen, die Bewegung
voraussetzt. Das ist aber nicht möglich. Falls ich mich hier
irren sollte, mußt Du mir etwas Nachhilfeunterricht geben.

…das waren nur einige Bedenken meinserseits :smile:

Friedhelm antwortet:

Diese Schwierigkeit mit dem Prausschen Model hast nicht nur Du, wie Du im Internet leicht nachprüfen kannst. Das Model dient ja nur der Veranschaulichung, der Begriffsbildung und der einfacheren Mitteilung. Natürlich gibt es erst mal die begriffliche Schwierigkeit, sich Punkt mit Ausdehnung vorzustellen, und zwar Ausdehnung auch noch in zweierlei Weise, einmal Ausdehung als Zugleich (Raum) und Ausdehnung als Nichtzugleich im Sinne eines anisotropischen Nacheinander’s (Zeit).(Zeit kennt nur eine Richtung.)
An einer Stelle spricht sogar Prauss selbst von einem Zwischending von Punkt und Linie.
Zur Hilfe sollte man sich vielleicht zuerst diese Tafel als durchsichtige Mattscheibe vorstellen, so dass man auf der Rückseite nur diesen Punkt sieht, wo die Kreide diese Mattscheibe berührt, der mit der Bewegung zu wandern scheint. Man weiß jedoch, es ist niemals derselbe Punkt sondern immer wieder ein anderer Punkt ist.

Aber natürlich ist ein Punkt per geometrischer Definition ohne Masse, Fläche oder Ausdehnung und kann nur gedacht werden. Aber jeder dieser gedachten Punkte beim Entstehen und Vergehen (das Praussche Intervall) ist quasi bereits auf dem Sprung zum zeitlich nächsten und hat dies als Zeit in sich, zum anderen aber auch und zwar als Jetzt und Zugleich ist er quasi auf dem Sprung zu einem räumlichen Woanders, ohne deswegen bereits selbst räumliche Ausdehnung zu bekommen oder zu haben. Widerspruchsfrei denkbar und denknotwendig ist bei Letzterem eben das Wohin des Auf-dem Sprung-seins aus sich heraus eben auch im räumlichen Sinne außerhalb von sich denkbar.

Ganz herzlich

Friedhelm Schulz

Hallo Friedhelm

Danke für Deine indirekte Antwort. Ich hatte diese Fragen gestellt oder Einwände gemacht, das ist richtig.

Aber ich bezweifle, daß der Raum-Zeit-Begriff überhaupt getrennt werden kann und das er denkerisch befriedigend gelöst werden kann. Deshalb habe ich alles wieder gelöscht.

Mir sagt der folgende buddhistische Satz viel mehr aus, als jede intellektuelle Überlegung: „Wie die Wellen eines Flusses,
die langsam fließen und niemals zurückkehren,
vergehen die Tage des menschlichen Lebens
und kommen nicht wieder zurück.“

Trotzdem war Deine Erklärung hilfreich.

gruß
rolf

Das Zeitmodell von Gerold Prauss: (Die Welt und wir“, Metzler,
Bd 1/II, Seite 321-322)
„- - - - angenommen, mittels eines Kreidestücks zum Beispiel
tue ich mit einer Hand genau das, was ich tue, wenn ich eine
geometrisch ideale Linie in einem Zuge zeichne, lasse dabei
aber mit der andern Hand unmittelbar im Anschluß an das
Kreidestück noch einen Schwamm so folgen, daß durch diese Art
von einem Zug bereits von vornherein nicht eine Linie, sondern
immer wieder nur ein Punkt entspringt. Dann bildet sich
dadurch ein Gegenstand, der zwar desgleichen geometrisch ideal
und geometrisch existent sein muß, doch weder Punkt im
Unterschied zu Linie noch Linie im Unterschied zu Punkt sein
kann, sondern nur ein bestimmtes Zwischending dazwischen.

Fußnote 4: Wenn es Ihnen nicht genau genug ist, dieses
Zeit-Modell vermittels Kreidestück und Schwamm und Tafel zu
gewinnen, können Sie es absolut-exakt durch eine bloße
Forderung erzeugen. Widerspruchsfrei ist es nämlich, folgendes
zu fordern: Angenommen werde das dynamische Erzeugen einer
geometrisch-idealen Linie in einem Zug als das dynamische
Ausdehnen eines geometrisch-idealen Punktes. Durch ein solches
Ausdehnen sei dann auch eine Richtung dieses Ausdehnens sowie
die zu ihr umgekehrte Richtung festgelegt. Und da ein solches
Ausdehnen ja kontingent sei, lasse dann auch zusätzlich noch
folgendes sich annehmen: In einem Zug erfolge solches
Ausdehnen, indem genau so viel an Ausdehnung, wie dabei in der
einen Richtung je und je entstehe, in der umgekehrten Richtung
dabei je und je vergehe. Diese Forderung führt absolut-exakt
zu dem Ergebnis jenes geometrisch-idealen Zwischendings von
Punkt und Linie.“

Dieser Punkt beinhaltet in seiner Dynamik also
widerspruchsfrei Zeit ohne Zeitablauf, Raum ohne
Raumausdehnung und Bewegung ohne Bewegtes wie auch das Jetzt
als ursprüngliches Selbstbewußtsein noch vor jeder bewussten
Erkenntnis. Von diesem Punkt baut sich in drei Stufen jede
menschliche Erkenntnis auf, wie „Dies ist ein Tisch.“, „Dies
ist rot.“ oder „Dies ist rund.“
Dieser dynamische Punkt, der immer nur ein Werden ohne
Gewordenes sein kann, unterscheidet sich ganz grundsätzlich
von dem herkömmlichen statischen Begriff, der als Ausdehnung
mit Punkt verstanden wird, und wird damit zu einem neuen
Begriff.

Die Frage ist, ob sich nach allen Erkenntnissen moderner
Physik „Punkt mit Ausdehnung“ als dynamisches
Zeit-Raumverhältnis anders denken lässt.
© Friedhelm Schulz

Hallo Friedhelm,

auf mich wirkt das sehr spannend. Dieses Bild mit der Tafel gefällt mir sehr gut, eine Idee von stetig fließender Zeit zu bekommen.
Als Mathestudent musste ich allerdings erst einige Male schlucken als ich von einem „Punkt mit Ausdehnung“ lesen mußte.
In der Physik existiert folgendes Problem: Zu einem Zeitpunkt läßt sich entweder die Geschwindigkeit (mit Richtung) eines Teilchens oder der genaue Aufenthaltsort des Teilchens angeben. Niemals beides für denselben Zeitpunkt. Unschärferelation…

An dieser Stelle sieht man unmittelbar die Probleme mit dem aristotelischem Zeitbild. Prauss passt an der Stelle ganz gut, denke ich. Wenn man sein Modell annimmt und sich fragt, was sich über ein Teilchen zu einem Zeitpunkt (also ausgedehnt) aussagen lässt…
Oder anders formuliert, warum unscharf? -nun weil ein Zeitpunkt immer etwas ausgedehntes ist, also eine der Variablen Zeit oder Raum ausgedehnt ist wenn die andere genau betrachtet werden soll.

Ist alles jetzt ein bisschen ins blaue gequatscht, aber ich musste einfach was antworten.

Ich habe noch eine Frage:

Dieser Punkt beinhaltet in seiner Dynamik also
widerspruchsfrei Zeit ohne Zeitablauf, Raum ohne
Raumausdehnung und Bewegung ohne Bewegtes …

So wie ich dich verstanden habe eigentlich genau anders. Der Punkt beeinhaltet zugleich räumliche Bewegung und zeitlichen ablauf. Der Zeitpunkt kann nicht von beidem getrennt betrachtet werden, denn ein Zeitpunkt ist quasi immer ein Intervall. Entweder in der Koordinate Zeit oder im Raum.
Ich kann sagen: Zu Zeitpunkt 1 ist etwas an der Stelle im Raum gewesen.
Beachte: ist gewesen! nicht ist.
Oder ich kann sagen: zu einem Zeitpunkt hat sich der Punkt an der Tafel in die Richtung mit der Geschwindigkeit bewegt.

Oder meinst du, das der Punkt gerade so die Zeit ohne Ablauf, Raum ohne Bewegung beinhaltet? also quasi der Zeitablauf manfestiert sich eben in der Raumausdehnung, wenn ich den Punkt im Hinblick auf die Zeit betrachte, usw…

Liebe Grüße,

Schlorz.

Entschuldige, Rolf, daß ich Dich nicht direkt ansprach! Ich konnte nicht wissen, aus welchem Grund Du Deine Nachfrage wieder gelöscht hattest.
Der Vergleich mit der buddhistischen Weltsicht zeigt, wie tief man bereits vor Tausenden von Jahren empfand.
Aber auch die Griechen:
panta rhei, griechisch, „alles fließt“, besagt ähnliches, ist aber
nicht, wie meist angenommen wird, ein Ausspruch des griechischen Philosophen Heraklit, sondern nur eine spätere Formulierung seiner Lehre, es gebe in der Welt nur ein ewiges Werden und Vergehen und alles beharrende Sein beruhe auf Täuschung.
Gerade das Gegenteil lehrte Parmenides. (aus dem Internet)

Schönen Gruß
Friedhelm

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Das Zeitmodell von Gerold Prauss: (Die Welt und wir“, Metzler,
Bd 1/II, Seite 321-322)

Hallo Friedhelm,

auf mich wirkt das sehr spannend. Dieses Bild mit der Tafel
gefällt mir sehr gut, eine Idee von stetig fließender Zeit zu
bekommen.
Als Mathestudent musste ich allerdings erst einige Male
schlucken als ich von einem „Punkt mit Ausdehnung“ lesen
mußte.
In der Physik existiert folgendes Problem: Zu einem Zeitpunkt
läßt sich entweder die Geschwindigkeit (mit Richtung) eines
Teilchens oder der genaue Aufenthaltsort des Teilchens
angeben. Niemals beides für denselben Zeitpunkt.
Unschärferelation…

An dieser Stelle sieht man unmittelbar die Probleme mit dem
aristotelischem Zeitbild. Prauss passt an der Stelle ganz gut,
denke ich. Wenn man sein Modell annimmt und sich fragt, was
sich über ein Teilchen zu einem Zeitpunkt (also ausgedehnt)
aussagen lässt…
Oder anders formuliert, warum unscharf? -nun weil ein
Zeitpunkt immer etwas ausgedehntes ist, also eine der
Variablen Zeit oder Raum ausgedehnt ist wenn die andere genau
betrachtet werden soll.

Ist alles jetzt ein bisschen ins blaue gequatscht, aber ich
musste einfach was antworten.

Hallo Schlorz,
nein, Dein Vergleich ist wunderbar. Die Affinität moderner Philosophie zur modernen Physik ist sicher nicht zufällig. Die Zielrichtung des Zeitmodels bei Prauss ist die logisch konsistente Herleitung von Bewußtsein, Erkenntnis, Absicht bis zur Handlung.
Ob sein Model auch für die empirische Physik tragfähig ist, kann ich nicht sagen, wo heute durchaus auch Begriffe wie

  1. „Absicht“, „Was will ich messen?“
    2.„Handlung“, „Wie stelle ich meine Instrumente auf?“

in einem Ergebniszusammenhang stehen

Ich habe noch eine Frage:

Dieser Punkt beinhaltet in seiner Dynamik also
widerspruchsfrei Zeit ohne Zeitablauf, Raum ohne
Raumausdehnung und Bewegung ohne Bewegtes …

So wie ich dich verstanden habe eigentlich genau anders. Der
Punkt beeinhaltet zugleich räumliche Bewegung und zeitlichen
ablauf.

Das siehst Du genau richtig; nur daß eben „Bewegung“ Zeitliches und Räumliches bereits zusammenfaßt: Weg pro Zeiteinheit.
Dies ist jedoch eine andere Zeit, eine objektivierte Zeit, die wir von der Uhr ablesen können; die erst nachträglich errechnet oder erschlossen der Veränderung als Zeit aufgetragen wird.

Bei diesem Model gilt es, zwei ganz unterschiedliche Arten von Auseinander in ihrem Verhältnis denkbar zu machen.
Es geht um die widerspruchsfreie Denkbarkeit.

Du schreibst weiter:

Der Zeitpunkt kann nicht von beidem getrennt
betrachtet werden, denn ein Zeitpunkt ist quasi immer ein
Intervall. Entweder in der Koordinate Zeit oder im Raum.
Ich kann sagen: Zu Zeitpunkt 1 ist etwas an der Stelle im Raum
gewesen.
Beachte: ist gewesen! nicht ist.
Oder ich kann sagen: zu einem Zeitpunkt hat sich der Punkt an
der Tafel in die Richtung mit der Geschwindigkeit bewegt.

Wenn Du Dir diese Tafel mal als durchsichtige Mattscheibe denkst, bei der man auf der Rückseite nur den Punkt sieht, wo die Kreide die Tafel berührt, dann sieht es in der Tat so aus, als ob sich der Punkt bewegt. Aber man weiß, es ist immer eine andere Kreide, es ist immer ein anderer Punkt ohne Dauer und räumliche Ausdehnung, obwohl er beides beinhaltet; er ist Werden und Vergehen ohne Bestehen, Bewegung ohne Bewegtes.
Physikalisch und empirisch ist es sowohl ein Paradox wie auch ein Sorites, wie es bereits der Mathematiker, Dein Kollege Zenon von Elea, feststellte: Unendlich viele solcher Punkte aneinander gereiht ergeben eben weder eine Linie oder etwas Räumliches, noch einen Zeitablauf. Bei Prauss geht es jedoch um Erkenntnis. Erkenntnis, ein Gedanke hat eben keine räumliche Ausdehnung, (zum Glück!) und kein „Hier“, wie es bereits Kant feststellte.

Oder meinst du, das der Punkt gerade so die Zeit ohne Ablauf,
Raum ohne Bewegung beinhaltet? also quasi der Zeitablauf
manfestiert sich eben in der Raumausdehnung, wenn ich den
Punkt im Hinblick auf die Zeit betrachte, usw…

Richtig, der Punkt manifestiert als Ganzes Bewegung aber ohne Bewegtes, ohne daß er sich bewegt. Es ist Entstehen und Vergehen ohne Bestehen.
Darin enthalten ist, wie gesagt: Weg pro Zeiteinheit, d.h. genauer Auseinander als Nacheinander, - Zeit quasi auf dem Sprung - wie auch an der Zeit gekoppelt Auseinander als Zugleich wie jede räumliche Ausdehnung innerhalb unseres empirischen Denkens und Erkennens.

Liebe Grüße ebenfalls,
Friedhelm