Dauer der Überfahrt England - Amerika um 1800

Hallo!

Ich schreibe ein Buch und habe da noch eine Frage, was die übliche Reisedauer bei einer Überfahrt von England nach Amerika betrifft:

Im Internet hab ich bislang nur sehr vage und teils weit von einander abweichende Angaben gefunden: 30-40 Tage, 7-14 Wochen…

So weit ich weiß, kamen die ersten Passagier-Dampfschiffe erst um 1840 auf, was die Reisedauer auf 12 bis 15 Tage verkürzte.

Das macht Sinn, da man vorher allein auf den Wind angewiesen war, aber trotzdem wüsste ich gerne mit welcher Reisedauer die alten Segelschiffe VOR dieser Zeit in etwa benötigten.

Wie war außerdem die Unterbringung der Passagiere geregelt? Gab es bereits Klassentrennungen? Wo, und wie waren die Passagiere der unterschiedlichen Klassen untergebracht und wie und wo wurden sie während der Reise verpflegt?

Vielen Dank für Eure Antworten!

Liebe Grüße, Sina

Wende dich bitte an das deutsche schifffahrtsmuseum in bremerhaven . die können dir bestimmt weiterhelfen.
gruß wolfgang

nun ja, da stellt sich zuerst einmal die frage, mit was wird gesegelt, z. bsp. Clipper, Bark, Schoner etc. und dann natürlich die frage, welche route man nimmt. einige informationen wären hilfreich!

Liebe Sina Haug,

Vorbemerkung:
Mein Gebiet ist Schiffsbau, insbesondere Kriegsschiffsbau, nicht zivile Schifffahrt.

Trotzdem ein Verweis auf eine Quelle, die den Transport von Deutschen nach Amerika beschreibt. Leuten, die in die USA wollten, um dort zu leben, wird es nicht besser ergangen sein.

Vor und erst recht ab 1774 bis 1810 fanden von England aus nur Truppenversorgungen/ -transporte in die “abtrünnigen” Kolonien (also die USA) statt. Passagiertransporte im uns bekannten Stil gab es nicht. Wer in die USA wollte, musste sich direkt an einen Schiffbesitzer/-betreiber wenden und den Transport vereinbaren.
Die Fahrten waren in der Tat von Ihrer Dauer her nicht genau zu bestimmen, weil nicht nur das Wetter und Meeresströmungen als Unbekannte ins Kalkül gingen, sondern weil außerdem feindliche Nationen und Seeräuber die Routen unsicher machten.

In den folgenden Werken wird der Transport von Soldaten aus dem Bereich des heutigen Deutschlands in die USA geschildert.
Die Abhandlungen sind im engl. Teil von Wikipedia zu finden. Einen kleinen Ausschnitt habe ich als Kopie beigefügt.

Viele liebe Grüße,
Jörk Lichte

THE HESSIANS
and the other
GERMAN AUXILIARIES OF GREAT BRITAIN IN THE REVOLUTIONARY WAR
by
Edward J. Lowell
Harper and Brothers Publishers
New York1884

http://www.americanrevolution.org/hessians/hessindex…

AMERICANREVOLUTION.ORG
THE HESSIANS
CHAPTER V
FROM GERMANY TO AMERICA

six hundred and twenty-five men were thus shipped on April 22, 1778, at Stade. Making a quick passage, they arrived before Quebec towards the last of May

Seume, the captive poet, has left a graphic description of his experiences on shipboard. The men were packed like herring. A tall man could not stand upright between decks, nor sit up straight in his berth. To every such berth six men were allotted, but as there was room for only four, the last two had to squeeze in as best they might. „This was not cool in warm weather,“ says Seume. Thus the men lay in what boys call „spoon fashion,“ and when they were tired on one side, the man on the right would call „about face,“ and the whole file would turn over at once; then, when they were tired again, the man on the left would give the same order, and they would turn back on to the first side. The food was on a par with the lodging. Pork and pease were the chief of their diet. The pork seemed to be four or five years old. It was streaked with black towards the outside, and was yellow farther in, with a little white in the middle. The salt beef was in much the same condition. The ship biscuit was often full of maggots. „We had to eat them for a relish,“ says Seume, „not to reduce our slender rations too much.“ This biscuit was so hard that they sometimes broke it up with a cannon-ball, and the story ran that it had been taken from the French in the Seven Years’ War, and lain in Portsmouth ever since. The English had kept it twenty years or so, and „were now feeding the Germans with it, that these might, if it were God’s will, destroy Rochambeau and Lafayette. It does not seem to have been God’s will, exactly.“ Sometimes they had groats and barley, or, by way of a treat, a pudding made of flour mixed half with salt water and half with fresh water, and with old, old mutton fat. The water was all spoiled. When a cask was opened „it stank between decks like Styx, Phlegethon, and Cocytus all together.“ It was thick with filaments as long as your finger, and they had to filter it through a cloth before they could drink it. They held their noses strong while they drank, and yet it was so scarce that they fought to get it. Rum, and sometimes a little beer, completed their fare.
Thus crowded together, with close air, bad food, and foul water, many of them insufficiently clothed, these boys and old men, students, shopkeepers, and peasants tossed for months on the Atlantic. Much of the suffering of the voyage was doubtless inevitable, and many of the recruits were already inured to hardship. But much of what they underwent was the result of wanton carelessness or grasping avarice. What shall we say of the British Quartermaster’s Department, which sent these men to sea without proper food or drink? What of the Duke of Brunswick, who despatched his subjects to Canada without shoes and stockings that would hold together, and without overcoats? Men have often borne such hardships cheerfully for a cause that they understood and loved. But these poor fellows suffered in a quarrel that was not their own, and simply to provide means to pay the debts, or minister to the pleasures of their masters. It is well for us to know something of their sufferings; to know what despotism means.

Die Dauer einer Reise per Seegler war sehr vom Wetter abhängig. Die Seegler seegelten oft von England südlich bis etwo Breite 33 Grad Nord,dann westlich und schliesslich Nordwestlich falls das Ziel New York war. Solche Reise konnte oft zwei Monate dauern. Im Hochsommer folgte man manchmal direkten Kursen und dann dauerte die UÜberfahrt oft halb so lang. Auch Dampfschiffe waren im 19 Jahrhundert sehr vom Wetter abhänglich es gab ja keine Wetter Vorhersage. - Was das Essen anbetraf so gab es für längere Zeit keine Möglichkeit frisches vitaminreiches Essen anzubieten, da es keine Kühlung gab. Gegen Skorbut wurde Sauerkraut gegessen. Über Wohnverhältnisse kann ich nur raten, dass es sehr wenige Kabinen gab und die Mehrzahl der Passagiere in Schlalsälen schlief, wahrscheinlich meist in Hängematten. Wie viele Kabinen es auf solchen Schiffen gab, kann ich nichtsagen. Meist waren die Resenden ja Emigranten!

Hallo Sina!

Musste selbst erstmal nachschlagen: in der Tat ist das Aufkommen der Linienschiffahrt für Passagiere in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stark verknüpft mit der Dampfschiffahrt und hybriden Segel-/Dampfschiffen um 1840. Von diesen (wenig appetitlichen und seeehr unkomfortablen) Überfahrten gibt es auch prominente Schilderungen durch z.B. Charles Dickens, der die Überfahrt auf der „Britannia“ 1842 „genießen“ durfte.
Größere „Menschenbewegungen“ über die Meere auf regulärer Basis gab es vorher wenig, abgesehen von den Kreuzzügen und den Verbindungen der Spanier in ihre eroberten Kolonien. Die Auswanderungswellen in die neuen amerikanischen Kolonien brachten eine passagierstechnische Massenbewegung in Gang, angefangen mit Schiffen wie der Mayflower 1620 (ca. 8 Wochen Fahrzeit) Segler und frühe Dampfer beförderten immer auch Fracht. Ende des 18. Jahrhunderts tauchen die ersten Reisebeschreibungen von „zivilen“ Passagieren auf, die auf Frachtschiffen mitsegelten. Reiche Kaufleute, Forscher und hochgestellte Persönlichkeiten sind seit jeher mitgesegelt. Auch Truppenbewegungen werden seit jeher mit Schiffen geregelt, gleichwohl es nicht wirklich um zivile Linienschiffahrt ging.
Über das Leben auf einem „Truppentransporter“ 1780 schrieb Johann Gottfried Seume, ein Söldner, der in Amerika die Unabhängigkeitsbewegung bekämpfen sollte. Aus den ursprünglich veranschlagten 4 Wochen Überfahrt wurden 22 (!) unter erbärmlichsten Umständen mit verfaultem Wasser und verdorbenem Essen. Er findet es erstaunlich, dass trotzdem „nur“ 27 Männer von ca. 500 bei der Überfahrt an Mangelernährung und Krankheiten sterben… Tja.

Die Einführung von Eisentanks zur Frischwasserversorgung brachte leichte Verbesserung für ein dringendes Problem bei langen Überfahrten. Dennoch mussten zumindest die schleimigsten Bestandteile des Trinkwassers an Bord immer herausgefischt werden, das Wasser hatte immer Brackcharakter und stank nach Jauche, früh wurde schon Schwefel eingesetzt, um das Wasser haltbarer zu machen - aber bestimmt nicht leckerer oder bekömmlicher… Dennoch wurden Essen und Trinkwasser streng bewacht und in Rationen ausgeteilt, man wusste nie, wie lange das immer faulige Essen und Wasser reichen mussten.
Die Verlustzahlen der ersten Auswanderersegler sind erschreckend. Ab 1826 gab es in Bremen die erste deutsche Transatlantiklinie mit regelmäßigen Verbindungen nach New York und die Verlustzahlen unter den Passagieren sprechen Bände: zwischen dem 9. September und dem 21. Oktober 1853 liefen 16 europäische Segelschiffe im New Yorker Hafen ein, von 6418 Passagieren waren 334 an Bord gestorben! Im November desselben Jahres kamen 1141 Passagiere von 13762 Überfahrenden nicht lebend an.
Es waren die bitterarme Auswanderer auf der Suche nach einem neuen Leben - unter grauenhaftesten Bedingungen „erkauft“ mit der Überfahrt. Die Reisedauer spielte eine erhebliche Rolle beim Überlebenskampf, da die Segelschiffe auf Gedeih und Verderb den Naturgewalten ausgeliefert waren. So konnte die Seereise weder zeitlich bestimmt noch risikolos gestaltet werden. Auch waren die ersten „Passagierschiffe“ den Sklavenschiffen nicht unähnlich, die rechtlichen Schritte des Auswanderergesetzes zeigen es: 1849 wurde eine Mindesthöhe für das sog. „Zwischendeck“ angeordnet, stolze 1,83 m hoch MUSSTE es fortan sein! Luxus ist anders. Auch war alles stark marineorientiert organisiert (Aufstehen, Essen, „Hygiene“ waren peinlich genau geregelt und straff durchgeführt). Die durchschnittliche Reisezeit variierte zwischen 1856 bis 1865 von durchschnittlich 42 Tagen (das „beste“, weil reisetechnisch kürzeste Jahr 1857) bis zu durchschnittlich 52 Tagen (das schlechteste, weil längste Jahr 1864). Es war auch keine Seltenheit, dass Segler 96 Tage ( „Howard“ , 1858) und bis zu 140 Tage brauchten - oder einfach von Stürmen oder sonstigen Naturgewalten versenkt wurden. Ausreichend Rettungsboote? Fehlanzeige. Das war noch 1912 schlecht geregelt… Die ersten Linienverbindungen konnten auch immer nur die Abfahrt bekanntgeben, die Ankunft war ungewiss.
Klassentrennungen wurden zuerst auf den Dampfschiffen eingeführt, wobei wahrscheinlich schon eher eine „Eisenbahnmentalität“ mitspielt, die es Anfang des 19. Jahrhunderts auch noch nicht gab. Könige, Admiräle, Kapitäne und andere Mitreisende waren jedoch seit jeher besser untergebracht als Mannschaft und Passagiere. Das bürgerliche Zeitalter begann erst Anfang des 19. Jahrhunderts und damit auch die weitere Entwicklung einer Klassengesellschaft jenseits der Maßstäbe von Herrscher und Untertan.

Solltest du noch spezifischere Angaben wünschen,
melde dich bitte.
Viel Erfolg bei deinem Buchprojekt,
lg
A.

PS: Reiseberichte aus dem 19. Jh. können dir bei der Recherche behilflich sein, die sind mannigfaltig in verschiedenen Heimatmuseen in Briefform erhalten. Auch eine gute Schiffsrecherche (Bark, Schoner etc.) tut Not. Handelsgeschichte und Schiffsregister erzählen Bände über Verpflegung, Kosten und Namen der Schiffe.

Hallo
Ich kann Dir dabei leider keine hundertprozentig korrekte Antwort geben, da sich mein Wissen mehr Richtung Binnenschifffahrt erstreckt.

Das ab 1840 die Dampfschiffahrt aufkam, ist so auch meines Wissens richtig. Vorher war man auf den Wind angewiesen, hier gab es jedoch Unterschiede zwischen den alten Rahseglern (z.B. die „Santa Maria“ von Kolumbus), welche nur bei achterlichen Winden segeln konnten und den späteren Großseglern, welche auch bis auf ca. 45° gegen den Wind kreuzen konnten. Wann genau diese Änderung stattfand, weiß ich nicht.
Somit werden alle Zeitangaben inetwa stimmen, ca. 2-3 Wochen mit Dampfschiffen und bis zu 10 Wochen mit den Seglern. Wie gesagt, dass hing immer von den Winden und der Route ab.
Auch gab es Unterschiede in der Beförderung der Passagiere, diejenigen mit Geld kamen in den Achterkajüten unter, speißten dann meist auch mit den Offizieren, die mit weniger Barvermögen meist in Hängematten in und um die Laderäume, wobei dann auch dort oder an Deck gespeist wurde.

So, alle Angaben könne, müssen aber nicht stimmen :wink:, aber vieleicht findet sich ja ein Experte auf genau diesem Gebiet.

LG Hanno