DDR-Flucht und Wohnung

Hallo liebe Experten,

ich würde gern folgendes wissen:

Was ist wohl mit den persönlichen Gegenständen - Hausrat, Kleider, Tagebücher u.ä. - passiert, wenn eine Familie so gegen 1952/53 aus der DDR geflohen ist.
Damals gab es ja noch keine Mauer. Soweit ich weiß, ist die Familie also nach Westberlin gefahren und hat dort einen Aufnahmeantrag gestellt. Dabei sind viele Dinge natürlich zurückgeblieben.

Ich wüsste also gern, ob es dafür eine Behörde gab zu dieser Zeit, die in solchen Fällen die Wohnung duchsucht und einfach gewisse Dinge beschlagnahmt hat, oder ob das mehr privat gelaufen ist.
Also der Vermieter (gab es private Vermieter?) hat ja keine Miete mehr bekommen, die Kinder gingen nicht mehr zur Schule, die Mutter selbst fehlte bei der Arbeit, Nachbarn haben evtl. was bemerkt…

Was ist in solchen Fällen mit der Wohnung (und vor allem den darin befindlichen Sachen) passiert?

Viele Grüße,

Larymin

Hallo Larymin,

Was ist wohl mit den persönlichen Gegenständen - Hausrat,
Kleider, Tagebücher u.ä. - passiert, wenn eine Familie so
gegen 1952/53 aus der DDR geflohen ist.

Wenn Du dich tatsächlich auf diesen Zeitraum beschränkst, dann gilt dafür die Verordnung zur Sicherung von Vermögenswerten:
http://www.verfassungen.de/de/ddr/vermoegenssicherun…
Zumindest „entschärft“ wurde diese Bestimmung durch die am 11. Juni 1953 in Kraft getretene „Verordnung über die in das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik und den demokratischen Sektor von Groß-Berlin zurückkehrenden Personen“
http://www.verfassungen.de/de/ddr/rueckkehrerverordn…
Damit diese Verordnung überhaupt Sinn machte, wurde in der nachfolgenden „Anordnung über die Behandlung des Vermögens der Personen, die die Deutsche Demokratische Republik nach dem 10. Juni 1953 verlassen“
http://www.verfassungen.de/de/ddr/vermoegensverordnu…
nicht mehr so direkt von Enteignung, sondern von „treuhänderischer Verwaltung“ gesprochen.

Ich wüsste also gern, ob es dafür eine Behörde gab zu dieser
Zeit, die in solchen Fällen die Wohnung duchsucht und einfach
gewisse Dinge beschlagnahmt hat, oder ob das mehr privat
gelaufen ist.

Keine Ahnung, ob tatsächlich jemals jemand, wie dort erwähnt, einen persönlichen Bevollmächtigten eingesetzt hat. Ich glaube eher nicht, zumal das Verschweigen einer geplanten „Republikflucht“ ein Straftatbestand war. Und nun mache mal klar, daß Du als eingesetzter Bevollmächtigter vorher nichts von der geplanten Flucht gewusst hast…
Insofern wird also fast immer der Rat des Kreises die zuständige Behörde für die „treuhänderische Verwaltung“ gewesen sein. Der Flüchtling hatte davon natürlich nichts.
Wie das allerdings in der Praxis mit der alten Kommode von Bauer Maier gehandhabt wurde, vermag ich nicht zu sagen. Ich denke jedoch nicht, daß diese oder ähnlicher Plunder irgendwo eingelagert wurde. Du darfst auch nicht vergessen, daß 1952/53 kaum jemand wesentliche Vermögenswerte besaß. Wenn doch, hat er die sicher vor der Flucht in leichter zu transportiende Werte (Gold o.ä.) umgewandelt.
Was die von dir erwähnten Tagebücher betrifft: wenn jemand so dämlich war, die zurückzulassen und nicht zu verbrennen, so hatte die Stasi höchstes Interesse an solchen Dingen, aus der sie die näheren Begleitumstände der Flucht feststellen konnte, wenn möglich. Schließlich waren dort eventuell Freunde und Bekannte vermerkt, denen die Firma Horch & Guck anschliessend ihre spezielle Aufmerksamkeit widmen konnte.

Viele Grüße
Marvin

Hallo Marvin!

Wow, das ist wirklich eine super Antwort, und sie hilft mir schon viel weiter!
(Ich war etwas beschäftigt in den letzten Wochen, deshalb antworte ich dir leider jetzt erst…)

Ja, ich hab mir schon gedacht, dass da das Kleinmobiliar wahrscheinlich nicht großartig „eingelagert“ oder sonst auffindbar behandelt worden ist.

Aber tatsächlich geht es mir um die Tagebücher. Wobei ich ja noch nicht mal weiß, ob es überhaupt relevante Mengen gab.
Aber mein Großvater, der in der NS-Zeit Richter gewesen ist, und daher zu der fraglichen Zeit längst im Gefängnis der DDR saß, der hat ausführlichst und penibel Tagebuch geführt. Wohl Zeit seines Lebens.

Und diese Tagebücher sind natürlich erst ab seiner Entlassung und Ausreise nach Westdeutschland vorhanden. Mich interessieren aber vor allem die aus der Zeit des Nationalsozialismus. Ich möchte einfach gerne seine Einstellung zu diesen Geschehnissen und auch seine persönliche Geschichte darin nachvollziehen können.

Deshalb bin ich eher erfreut als alles andere, dass die Stasi sich für diese Dinge - sofern sie den Krieg und die Wirren danach überhaupt überstanden haben - interessiert hat. Die haben sie nämlich eventuell aufgehoben und bestimmt waren sie nicht wichtig genug als das man sie nach Ende der DDR krampfhaft vernichtet hätte.

Ich denke, ich werde mal bei der entsprechenden Behörde nach einer Stasi-Akte meines Großvaters fragen. Dort müssten dann ja auch die Tagebücher liegen.

Nochmal vielen Dank! :smile:

Viele Grüße,
larymin