Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl usw.
Hi Mirea
zunächst: herzlich willkommen im Psychobrett.
Der Ausdruck „Selbstbewußtsein haben“ bzw. „es fehlt an Selbstbewußtsein“ ist zwar in die Umgangssprache eingegangen und durchaus üblich, aber er entspricht ganz und gar nicht dem, was damit (in der Umgangssprache) eigentlich gemeint ist.
Zunächst die eigentliche Bedeutung: Bewußtsein kann man philosophisch (wohin es eigentlich gehört) bestimmen als wechselseitige Bestimmtheit eines „Ich“ (Subjektes) an einem Gegenstand (Objekt). D.h. ohne Objekt (des Denkens) kein Ich und ohne Ich kein Objekt. Das Ich ist somit - dadurch, daß es sich an einem Gegenstand (Objekt) gegen diesen unterscheidet - zugleich „Träger“ des Bewußtseins.
Selbstbewußtsein ist dann diejenige Form des Bewußtsein, bei der das Bewußtsein selbst wieder Objekt eines Bewußtseins ist. Das Ich wird dadurch, daß es von seinem Bewußtsein weiß, zum Selbstbewußtsein - ist kompliziert, ich weiß, deshalb streiten sich nachwievor die Philosophen darum…
Das Wesentliche am Selbstbewußtsein ist nun aber (das kann ich hier nicht ohne Weiteres erklären, wäre zu kompliziert), daß es nicht für sich alleine (be)stehen kann: Seine Bedingung ist, daß es anderen Selbstbewußtsein(en) gleichrangig begegnet. Selbstbewußtsein (im Unterschied zu Bewußtsein) hat ein (denkendes) Subjekt nicht allgemein, sondern nur dadurch, daß es einem anderen (denkenden) Subjekt ebenfalls Selbstbewußtsein anerkennt. Dieses wechselseitige Anerkennen ist bei Kant und dann (konkreter durchdacht) bei Hegel die Basis für den Begriff der (z.B. politischen) „Mündigkeit“: Sie ist nur durch die Anerkennung des anderen als Mündigem bestimmt, und nicht „an sich“ vorhanden. Das gehört zu den Grundgedanken der Philosophie der sog. „Aufklärung“ und ist die Bedingung für die Demokratie.
Was aber umgangssprachlich mit „Selbstbewußtsein“ gemeint ist, ist etwas anderes: Das ist tatsächlich das, was Du schon andeutest, nämlich Selbstsicherheit, Selbstvertrauen, Selbstwert(gefühl). An Selbstsicherheit kann es jemandem z.B. fehlen, an Selbstvertrauen ebenfalls. Das ist dann der Fall, wenn das Vertrauen auf sich (auf sein Können, auf seine Erfahrung, oder auf seine Wertschätzung durch andere vor allem!) einmal gründlich gestört worden ist.
Gestörtes Selbstvertrauen ist also ein internalisierter (einverleibter) Mangel an Vertrauen durch andere. Fehlender Selbstwert ein Mangel an Wertschätzung durch andere. Fehlende Selbstsicherheit allerdings kann auch ohne Wechselwirkung mit anderen entstehen, wenn einem z.B. einmal eine Handlung, Bewegung mißglückt ist…
Ein weitverbreiteter Irrtum ist der, daß man Selbstwert und Selbstvertrauen für sich alleine produzieren könne - ohne daß es durch Wechselwirkung mit anderen auf die Probe zu stellen sei. Das macht genau das aus, was von anderen dann oft als „Eingebildetsein“ enttarnt wird: Es ist tatsächlich wörtlich genommen ein selbstproduziertes Selbstbild, das meist (daher das negative Attribut „eingebildet“) ja gerade die Resonanz oder besser das Feedback durch andere ignoriert. Das Alltagsbewußtsein entlarvt dieses nur durch Ignorieren der anderen gewonnene Selbstbild mit erstaunlicher psychologischer Sensibilität.
Insofern bestätigt sich wiederum im Hintergrund der Zusammenhang mit der oben angedeuteten philosophischen Bestimmung des Begriffs „Selbstbewußtsein“: es existiert nicht für sich alleine. Somit ist derjeneige, der „Selbstbewußtsein“ hat, einer, der vorzugsweise anderen mit Achtung und Wertschätzung begegnet, nicht aber derjenige, der sich einbildet, das Feedback anderer nicht zu benötigen.
Mangelndes Selbstwertgefühl ist - wie man jetzt leicht sieht - (meist - nicht immer) eine Folge davon, daß jemandem (häufig bereits als Kind durch die Eltern) keine Wertschätzung im ausreichende Maße entgegengebracht wurde.
Gruß
Metapher