Definitionen

Hallo,
warum ist es eigentlich so schwierig, Definitionen zu finden, die allgemein gültig sind?

Beispiele:

  1. Religion. „Es gibt keine wissenschaftlich anerkannte Definition“ sagt Wikipedia. Einige Knüpfen den Begriff an den Glauben an einen oder mehrere Götter, der Buddhismus wird aber auch ohne Gott zu den Religionen gezählt.
  2. Gott: Frage 5 Theologen und du wirst mind. 4 verschiedene Antworten bekommen.
  3. Wesen: z.B. bei: Das Wesen des Menschen ist …
  4. Idee: In fast jeder philosophischen Schule hat der Begriff einen anderen Inhalt
  5. Sprache: Zeichensysteme, Körpersprache, Kommunikation, Interaktion, …
  6. Begriff: „Philosophische Begriffstheorien lassen sich zunächst in fünf Hauptfamilien einteilen (…)“ Wieder Wikipedia.

Mir geht es nicht darum, diese Begriffe hier zu diskutieren, sondern eine Erklärung für das Phänomen zu finden, dass im Gegensatz zu den Naturwissenschaften in den Humanwissenschaften Begrifflichkeiten nicht eindeutig sind.

Mit gespannten Grüßen
Castiglio

Hi,

das Problem liegt darin, dass man in der Wissenschaft,einzelne Dinge herunter brechen kann, z.B. in Form von Zahlen.

2 Äpfel + 2Äpfel= 4 Äpfel => 2+2=4

Es ist eindeutig. Es ist immer so.

Versuchen wir Dinge zu definieren, zu umschreiben, können wir sowas nicht einfach herunterbrechen.

Bsp. Der Tisch.
Was für ein TIsch ist es denn? Wie groß, welche Form etc.
Wir können hier nur auf alg. Sachen, Dinge herunterbrechen. Eben auf die Ebene „Allgemein“.

Versucht du jetzt Dinge zu umschreiben, die „Allgemein“-Ebene zu verlassen, wird es schwerer. Denn jeder sieht die Dinge etwas anders.

Doch manchmal machen sich Leute einfach zu viele Gedanken darum und kommen eben nicht auf den „Punkt“. Was das Ding an sich selbst ist.

Die Frage könnte auch im Deutschbrett stehen und dort evtl. besser rein passen.

mfg,

Hanzo

Hi.

warum ist es eigentlich so schwierig, Definitionen zu finden,
die allgemein gültig sind?

Weil wir Definitionen in der Natur nicht finden.
Wir müssen aber irgendwo anfangen daher stellen wir erst irgendwas in den Raum. Dann schön weiter einengen oder eben spalten, je nach dem. Virtuose Zirkel nennt man diese (einzige) Methode.
Übrigens wir können sogar (rekursiv) definieren was Definition ist:smile:

Gruß

Balázs

Lieber Castiglio

warum ist es eigentlich so schwierig, Definitionen zu finden,
die allgemein gültig sind?

Vielleicht, weil unsere gesprochene und geschriebene Sprache aus Worten besteht, die nicht so exakt sind wie die Mathematik. Es ist nicht so, dass die Naturwissenschaften exakt sind. Exakt ist nur die Sprache, die sie benutzen: Mathematik, die Sprache der Natur, der Ausdruck des „Ding an sich“ (zumindest in einem von mir gefühlten Sinne)
Mathematik lässt uns keinen Spielraum. Wo die Axiome formuliert wurden, zählt nur die strikt logische Ableitung aus dem Gegebenen. Alles beweisbar Redundante wird gestrichen, weggekürzt.
Ich habe schon oft versucht, Religion zu definieren. Weiter als die fehlerhafte Definition „Form der Anbetung“ bin ich nicht gekommen.


Mir geht es nicht darum, diese Begriffe hier zu diskutieren,
sondern eine Erklärung für das Phänomen zu finden, dass im
Gegensatz zu den Naturwissenschaften in den
Humanwissenschaften Begrifflichkeiten nicht eindeutig sind.

Ich glaube, Mathematik ist eine Sprache, die sich auf genau definierte „Atome“ zurückführen lässt.
Etwas genaueres gibt es nicht. Alles andere wird ungenauer.
Übersetzt in ein alltägliches Beispiel:
Was ist ein Haufen Erbsen?
1000 angehäufte Erbsen sind sicherlich ein Haufen. 500 auch, 250 auch, 125 auch, 50? Ja, auch, 25? Eher ein Häuflein, aber nicht für alle, 10? Nein, oder? Nehmen wir an, wir sollten den Mindest-Haufen definieren. Wir legen die Zahl 7 fest. Das ist kein Problem. Mein Problem besteht darin, nicht erklären zu können, warum 6 Erbsen kein Haufen mehr sind…
Unsere ungenaue Sprache als Ausdruck unserer ungenauen Gedanken; diese Konstellation birgt schon Bewegung in sich.
Mathematik ist eisern und nicht verhandelbar.
Punkt.

Viele Grüße
Voltaire

Hallo Castiglio,

Mir geht es nicht darum, diese Begriffe hier zu diskutieren, sondern eine Erklärung für das Phänomen zu finden, dass im Gegensatz zu den Naturwissenschaften in den Humanwissenschaften Begrifflichkeiten nicht eindeutig sind.

einer Erklärung kannst du dich schon annähern, wenn Du die Begriffe ‚Naturwissenschaften‘ und ‚Humanwissenschaften‘ mit den Begriffen ‚empirische Wissenschaften‘ und ‚hermeneutische Wissenschaften‘ ersetzt. Um es mit Diltheys bekannter Formel auszudrücken: „Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir.“

Nun beziehen sich Begriffe in empirischen Wissenschaften auf objektive Sachverhalte, sie sind damit eindeutig. Begriffe, die sich auf menschliches Denken, Vorstellen und Verstehen beziehen, beziehen sich auf subjektive Sachverhalte - hier muss eine Eindeutigkeit des Begriffs erst hergestellt werden (bzw. eine größtmögliche Annäherung an das Ideal der Eindeutigkeit), um einen solchen subjektiven Sachverhalt kommunizieren zu können. D.h. der Begriff muss definiert werden - was in diesem Fall eben keine eindeutige Zuordnung von Begriff zu objektivem Sachverhalt sein kann, sondern lediglich eine Beschreibung des subjektiven Sachverhaltes, der ein Wiedererkennen, eine Identifikation im eigenen subjektiven Erfahren ermöglichen soll.

Begriffe haben somit grundsätzlich unterschiedliche Funktion in empirischen und hermeneutischen Wissenschaften. Im ersten Fall sind sie sprachliches Abbild, Symbol eines objektiven Sachverhaltes (im empiristisch-realistischen Sinn), im zweiten „Platzhalter“, Kürzel für eine Beschreibung einer subjektiven Erfahrung (eine subjektive Empfindung, ein Gedanke, eine Vorstellung …). Im ersten Fall ist der Bezug auf den Sachverhalt (das mit dem Begriff zu Begreifende) ein unmittelbarer, im zweiten Fall ist er mittelbar.

Offensichtlich ist im zweiten Fall der Begriff sehr viel diffuser, unschärfer. Er wird dadurch aber auch vielseitiger, er kann ohne weiteres auch als ‚Platzhalter‘ für eine etwas andere Beschreibung eines etwas anderen subjektiven Sachverhaltes eingesetzt werden. Das ist auch gut so, denn mögliche subjektive Sachverhalte sind unbegrenzt, während es die zur Verfügung stehenden Begriffe nicht sind und ein simples ‚Neuerfinden‘ von Begriffen letzlich Sprache als Kommunikationsmedium unbrauchbar machen würde.

Wichtig ist es lediglich, dass die Begriffe auf eine nachvollziehbare Beschreibung bezogen werden (‚definiert‘ werden) und dass sie innerhalb des jeweiligen hermeneutischen Systems (in dem die verwendeten Begriffe aufeinander bezogen sind) konstant (also mit gleichbleibender Bedeutung) verwendet werden.

Um Deine Beispiele aufzugreifen - deswegen ist es sinnvoll, im Gespräch mit Anderen über Gott und die Welt zunächst einmal die Frage zu stellen: „Was verstehst du unter ‚Gott‘? … unter ‚Religion‘, unter ‚Idee‘?“ usw. usf.

Freundliche Grüße,
Ralf

Eindeutigkeiten sind Sonderfälle

warum ist es eigentlich so schwierig, Definitionen zu finden, die allgemein gültig sind?
eine Erklärung für das Phänomen zu finden, dass im Gegensatz zu den Naturwissenschaften in den Humanwissenschaften Begrifflichkeiten nicht eindeutig sind.

Weil alle Begriffe eine Geschichte haben. Und diese ist durch Traditionen, Schulen, Richtungen geprägt. Insbesondere gehören dazu ja auch die Begriffe „Begriff“, „Definition“, „Beweis“ usw. usw.

Die interessantere Frage ist, wieso das in der Mathematik und den theoretischen und emprischen Naturwissenschaften anders ist. Der Grund dafür liegt darin, daß in der Geschichte der Philosophie wiederum einige Definitionen eben doch eindeutig waren (Beispiel der Begriff des Widerspruchs durch Aristoteles Met 1005b und ff. oder der Begriff des Axioms durch Euklid) und darauf aufbauend Methoden entwickelt werden konnten für Weiteres: Z.B., für Verfahren der Definition, Methoden der Schlußfolgerung, des Beweisens und Widerlegens usw. Darauf wiederum aufbauend Kriterien für rationales und nichtrationales Denken, die besonders in der Periode der Scholastik entwickelt wurden.

Dies waren die Voraussetzungen für ein ganz spezielles Teilgebiet der Philosophie: Die sog. formale Logik (die übrigens selbst ebenfalls wiederum eine Geschichte hat, die sich seit Aristoteles bis in die Gegenwart hinhzieht). Und in der gibt es Eindeutigkeiten. Und auf dieser bauen die Mathematik und die Begriffsbildungen der anderen Wissenschaften auf.

Die formale Logik ist aber i8m Bereich des Denkmöglichen nur eine kleine Insel. Das besondere sind also die Eindeutigkeiten und nicht umgekehrt.

Gruß
Metapher

Hallo,

@Ralf: Du stellst das Problem recht gut dar: ich komme mit Natur- und Humanwissenschaften daher, du hingegen willst die Begriffe mit Empirischen und Hermeneutischen Wissenschaften ersetzen. Damit erweckst du den Eindruck, dass ich die Begrifflichkeiten falsch gewählt habe und Natur nur empirisch bzw. Humanes nur hermeneutisch erklärbar ist. Oder: Natur ist messbar, der Rest nicht, nur verstehbar.
Du hast das sicherlich nicht ganz so gemeint, aber du versuchst doch (grob formuliert), meine benutzten Begrifflichkeiten durch deine/andere zu ersetzen.
Ich kann es nebenbei auch nicht nachvollziehen, da die Empirischen Sozialwissenschaften anerkannt sind und nur in der Hypothesenbildung hermeneutisch arbeiten.

Deutlich wird, dass wir aus verschiedenen Hintergründen heraus diskutieren und nun erstmal um das Terrain kämpfen, auf dem wir uns auseinandersetzen wollen. Dies hat mit dem zu tun, was Metapher mit der Geschichte von Begriffen versucht hat zu erklären.

Ich denke, das Grundproblem liegt darin, dass Menschen seit Urzeiten Erklärungen für Unbekanntes (Blitz, Donner) suchen und unterschiedliche Deutungen finden. Richtigkeit wird durch Mehrheit entschieden, also sucht jeder, der eine Deutung gefunden zu haben glaubt, nach anderen, die diese Deutungen teilen (evtl. auch so: „wenn du das nicht auch so siehst -glaubst-, bekommst du nichts von der Beute ab“).
So entstehen Schulen, Denkrichtungen, die ihre eigene Erklärung für richtig halten und alle anderen für unrichtig.
Dass diese Bedeutung/Erklärung nicht so leicht aufgegeben werden kann, zeigt die Kath. Kirche, die die Erkenntnisse Galileis jahrhundertelang nicht anerkannt hat (bzw. das ganze Brimborium drumherum).

Die Überführung der Subjektivität in die Objektivität, wie du weiter unten richtig schreibst, lieber Ralf, endet eben leider in der Gemeinschaft, in der man sich gerade befindet. Damit bleibt sie teil-objektiv und eben weiter subjektiv auf einer anderen Ebene. Aber eben nicht objektiv für die Gesamtheit der Menschen, die sich auf anderen Gebieten (Naturwissenschaften) schon auf eine Objektivität geeinigt hat.

Meine Frage ist nun, wo man ansetzen könnte, um diese Insellösungen aufzubrechen und in einen übergreifenden Konsens zu überführen.
Appelle? Symposien? Diskurse? Übergreifende Meinungsführerschaft? Autorität?
Mir kommt das Ganze so mittelalterlich, hinterwäldlerisch vor.

Gruß
C.