Defintion Freiberufler

Moin,

ich habe hier ein Einzelunternehmen, Schwerpunkt Webdesign, Hochzeitsfotographie, Flyererstellung usw. Da der Unternehmer nicht steuerlich vertreten ist, hat er sich als Gewerbetreibender angemeldet. Demzufolge muss er Gewerbesteuer bezahlen. M.E. ist er Freiberufler?! Stimmt das? Was muss der Unternehmer tun, um als Freiberufler anerkannt zu werden? Er ist im Moment mit EÜR unterwegs, aber das ist wohl nicht relevant.
Im Moment ist der Gewinn unter 24.500€. Gewerbesteuer fällt also im Moment sowieso nicht an. Aber ich würde gern für die Zukunft eine vernünftige Grundlage schaffen und am liebsten die Gewerbesteuerpflicht abschaffen.

Soon

Die aufgezählten Tätigkeiten sind typische gewerbliche. Da gibt es kaum eine Chance, diese als freiberufliche steuerlich anerkennen zu lassen. Zumindest ein Berufsabschluss für eine freiberufliche Tätigkeit müsste vorliegen. Siehe auch https://www.steuerberaterin-muenchen.com/unternehmer_.html

Weil? M.E. ist das eine ganz klassische künstlerische Tätigkeit. §18 ist mir ein Begriff. Allerdings gibt es, wie z.B. bei der KSK keinen abschließenden Katalog. Genau das war meine Frage. Deine Antwort befriedigt mich nicht.

Soon

Servus,

das hier

ist seit ungefähr 30 Jahren obsolet. Vorreiter waren damals Programmierer, die in der Gründerzeit der IT niemand nach einem abgeschlossenen Studium fragte, wenn sie den Job machen konnten. Von denen haben mehr als einer die Frage bis zum BFH durchgeklagt, und es gibt Grundsatzurteile, die auf sämtliche Katalogberufe anwendbar sind (vielleicht mit Ausnahme der Schiffslotsen, weil es in diesem Beruf niemanden ohne einschlägige Ausbildung gibt). Es kommt auf die tatsächlich ausgeführte Tätigkeit an, nicht auf die Zettel, die jemand überm Bett hängen hat.

Schöne Grüße

MM

Servus,

er muss selbständig künstlerisch (als Fotograf) oder einem Ingenieur ähnlich (als Webdesigner) tätig sein. Im Webdesign kann das klappen, wenn er zeigen kann, dass er nicht bloß mit vorhandenen Softwaremodulen Oberflächen gestaltet, sondern selbst programmiert, und dass die technisch-fachlichen Anforderungen an seine Tätigkeit denen entsprechen, die an die Tätigkeit eines Informatikers oder eines Wirtschaftsingenieurs gestellt werden. Das lässt sich hinkriegen, wenn man erreicht, dass der Einspruch gegen den ersten Gewerbesteuermessbescheid nicht von der Rechtsbehelfsstelle per Einspruchsentscheidung abgebügelt wird und dann zum Finanzgericht geht, sondern dass gleich bei der Veranlagung eingelenkt und ein Gutachter zu dem Thema befragt wird. Ich habe das in einem früheren Leben mal für eine Sandkastenfreundin hingekriegt, deren höchste formale Qualifikation ein abgebrochenes Studium der Romanistik war, und die im 2nd- und später 3rd-Level-Support für IBM /36 (in den letzten Jahren dieses Systems von IBM ‚outgesourced‘) an der Hotline saß: Sobald sie ein bissle mit dem wohlwollenden Gutachter fachsimpeln konnte, bestätigte ihr dieser gerne, dass ihre Tätigkeit derjenigen eines Informatikers ähnelte, und ein fünfstelliger Betrag an Gewerbesteuer war vom Tisch.

Schwierig bis unmöglich wird es mit Hochzeitsfotografie und Flyererstellung, weil es da um typische Auftragstätigkeiten geht, die ihrer Natur nach nicht künstlerisch sein können, weil dabei kein eigenständiges Werk geschaffen wird, sondern eben die Vorgaben des Auftraggebers umgesetzt werden.

Es sollte also rechtzeitig vor Erreichen des Freibetrags beim Gewerbeertrag dafür gesorgt werden, dass die Webdesign-Tätigkeit aus dem ganzen beruflichen Zusammenhang herausgelöst und abgetrennt wird, von der eigenen Kasse bis zur Aufteilung der Strom- und Internetkosten muss das richtig getrennt sein. Dann besteht die Möglichkeit, wenigstens den Betrieb „Webdesign“ mit 18er Einkünften zu führen, während die Auftragsfotografie und die Flyererstellung eben 15er bleiben.

Schöne Grüße

MM

Die in § 18 aufgezählten Berufe sind sogenannte Katalogberufe. Der Katalog - vom Gesetzgeber aufgestellt - ist Richtlinie für die Eingruppierung. Darüber hinaus gibt es in den EStH zu § 15 noch eine Aufzählung katalogähnlicher Berufe, die entweder zu den gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeiten gezählt werden. (Darauf verweist auch der Artikellink von mir.)

Für die klassischen Katalogberufe ist einerseits ein Berufsabschluss vergleichbar einem Ingenieur ein wichtiges Indiz (keinesfalls „seit ungefähr 30 Jahren obsolet“). Zudem wird auch die Tätigkeit selbst bewertet. Wer beispielsweise als Informatiker auf der Ebene eines Betriebssystems programmiert, wird für diese Tätigkeit überwiegend als Freiberufler anerkannt. Wer mit der gleichen Qualifikation nur auf der Ebene von Anwendungssoftware programmiert, wird derzeit ganz überwiegend gewerblich eingeordnet (siehe EStH).

Bei der Einordnung geht es weder um meine noch um Deine Meinung, sondern um die durch Gesetz oder Urteil festgelegte Differenzierung, wie sie von den Finanzbehörden angewendet wird. Gesetzliche Festlegungen sind für alle Steuerpflichtigen verbindlich; Urteile sind Einzelfallentscheidungen. Du müsstest also anhand einzelner Urteile recherchieren und begründen, dass die dort genannten Bedingungen auf Deinen Fall anwendbar sind. Mit einer „Meinung“ kommst Du da kaum weiter; nicht mal ein Gutachten allein ist hinreichend. Aufgrund Deiner Angaben in der Fragestellung ist eine hinreichende Antwort hier im Forum nicht möglich, schon gar nicht verbindlich.

Einen abschließenden Katalog wird es nicht geben, weil sich die Berufe und beruflichen Tätigkeiten ständig verändern.

Da ich seit über 10 Jahren Steuerfachangestellte ausbilde, kenne ich die steuerlichen Vorschriften ganz gut udn weiß, wovon ich rede.

Danke euch beiden. Dann wird es wohl nix mit Freiberufler.

Soon

Servus,

aha, daher weht der Wind. Und was ein Indiz ist, kannst Du ja im Duden nachschlagen, falls Dir das Wort nichts sagt.

Sehr, sehr viele Worte für „Habe mich geirrt“. Das sollte knapper gehen.

Hinweis: Lies doch mal BFH XI R 9/03 v. 4.05.2004 und BFH XI R 11/06 v. 14.06.2007. Nicht, dass Du Deinen Azubis weiterhin falsche Dinge erzählst, es wäre schade.

Schöne Grüße
´
MM

1 Like

Interessante Urteile. Danke dir.

Die von Dir genannten Urteile bestätigen nur, dass es sich um Einzelfallentscheidungen unter ganz konkreten Bedingungen handelt, beispielsweise: „Im Streitfall hat das FG in tatsächlicher Hinsicht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass die theoretischen Kenntnisse des Klägers in ihrer Breite und Tiefe denjenigen eines an einer Fachhochschule oder Hochschule ausgebildeten Ingenieurs entsprechen.“

Allgemein gilt für die Finanzbehörden nach wie vor EStH 2017 H 15.6:

EDV-Berater übt im Bereich der Systemsoftware regelmäßig eine ingenieurähnliche Tätigkeit aus. Im Bereich der Entwicklung von Anwendersoftware ist die Tätigkeit des EDV-Beraters nur dann als selbständige Tätigkeit zu qualifizieren, wenn er die Entwicklung der Anwendersoftware durch eine klassische ingenieursmäßige Vorgehensweise (Planung, Konstruktion, Überwachung) betreibt und er über eine Ausbildung, die der eines Ingenieurs vergleichbar ist, verfügt (> BFH vom 4.5.2004 - BStBl II S. 989 )“.

(Aber EDV-Beratung liegt nach den Angaben des Fragestellers nicht vor.)

Als gewerblich gilt ebd. u.a.:

Fotograf, der Werbeaufnahmen macht; Werbeaufnahmen macht auch, wer für Zeitschriften Objekte auswählt und zum Zweck der Ablichtung arrangiert, um die von ihm oder einem anderen Fotografen dann hergestellten Aufnahmen zu veröffentlichen (> BFH vom 19.2.1998 - BStBl II S. 441 )“;

„Eine künstlerische Tätigkeit liegt vor, wenn die Arbeiten nach ihrem Gesamtbild eigenschöpferisch sind und über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe erreichen (> BFH vom 11.7.1991 - BStBl 1992 II S. 353 ). Dabei ist nicht jedes einzelne von dem Künstler geschaffene Werk für sich, sondern die gesamte von ihm im VZ ausgeübte Tätigkeit zu würdigen (> BFH vom 11.7.1960 - BStBl III S. 453 )… Im Übrigen ist aber bei der Entscheidung der Frage, ob ein bisher freiberuflich Tätiger Gewerbetreibender wird, nicht auf die möglicherweise besonders gelagerten Umstände eines einzelnen VZ abzustellen, sondern zu prüfen, ob die allgemeine Tendenz zur Entwicklung eines Gewerbebetriebes hingeht (> BFH vom 24.7.1969 - BStBl 1970 II S. 86 ).“

Salü,

das Thema „Auftragsfotografie“ ist seit siebzehn Stunden abschließend behandelt, das brauchst Du nicht mehr wiederzukäuen.

Ebenfalls ist ausführlich dargelegt, dass ein Einzelunternehmer, der zwei Tätigkeiten selbständig ausübt, selbstverständlich bei ausreichend getrennten Betrieben gleichzeitig mit einem Gewerbebeterieb einen freien Beruf ausüben kann.

Und unter welchen Bedingungen eine Tätigkeit als Webdesigner als selbständige Tätigkeit gem. § 18 Abs 1 ESt G gilt, ist ebenfalls schon ausführlich dargelegt, da brauchst Du nicht mehr hinterherzukommen wie die alte Fasnacht.

Von Deiner Seite stand einzig noch offen die Behauptung im Raum

und das ist ganz schlicht und ergreifend falsch.

Da kannst Du Wortwolken loslassen, so viel Du magst. Eine Begründung für diese Behauptung kannst Du nicht bringen - schlicht, weil es für eine falsche Behauptung keine Begründung gibt.

Die Formulierung

die Du brav aus den EStH übernommen hast (warum hast Du eigentlich das Urteil nicht gelesen, auf das sich EStH 2017 H 15.6 bezieht?), und die beiläufig in diesem Thread schon eine ganze Weile steht (rate mal, wo? Kommst Du drauf?) wäre übrigens vollkommener Nonsens, wenn, wie Du behauptest, ein Webdesigner nur dann freiberuflich tätig wäre, wenn er mindestens einen Bachelorgrad in Informatik hat.

Aber was solls - jeder, der sich für die Frage interessiert, kann in diesem Thread lesen, worauf es da ankommt, und Du kannst meinetwegen weiterhin glauben, ohne einschlägigen formalen „Berufsabschluss“ könne niemand freiberuflich tätig sein. Mandanten, denen Du so ein Zeugs erzählst, werden schon wissen, was sie damit anfangen.

Schöne Grüße

MM

1 Like