Demenz ab wann und wie handeln

Hallo,

meine Schwiegermutter wird zunehmend dementer. Momentan scheint sie sich selbst noch pflegen zu können, die Nahrungsmittel im Kühlschrank sind frisch eingekauft, auch die Wohnung hat sie mit ihren knapp 80 Jahren so weit wie möglich im Griff.

Aber 1. vergisst sie Termine, sie kennt ihren eigenen Geburtstag nicht mehr, nicht mehr den ihrer Söhne, vergisst ihr geliebtes Kegeln.

  1. Sie behauptet Sachen die nicht stattgefunden haben. So war sie vor einiger Zeit beim Friseur um sich die Haare für die Hochzeit ihres einen Sohnes machen zu lassen, nur er hat gar nicht geheiratet.

Gestern rief sie dann ganz aufgelöst bei meinem Schwager an, bei ihr wäre eingebrochen worden, man hätte ihr den Fernseher einfach ausgetauscht. Mein Schwager ist dann hin, der Fernseher war der alte, sie hatte eine Fernbedienung von der keiner weiss woher sie kommt auf dem Tisch liegen, dazu die alte Rechnung des Fernsehers von 2003 und war den Tränen nahe, weil sie den Fernseher doch 1. nicht bestellt hat und 2. auch nicht zahlen möchte. Mein Schwager hat sie dann drüber aufgeklärt wie alt der Fernseher und die Rechnung wären, und nachher war es ihr peinlich, sie hat ihren Fernseher dann wiedererkannt.

Zum Arzt geht sie auch nicht mehr, das hat sie gestern zugegeben, vorher hatte sie immer behauptet sie gehe hin. Leider ist der Hausarzt momentan im Urlaub wir können also nichts prüfen. Sie hatte schon Herzinfarkte und nun wissen wir nicht ob sie ihre Medikamente nimmt und woher sie sie hat (vielleicht hat der Arzt auch ein Rezept ausgestellt ohne sie mal wieder zu sehen)

Soviel zur momentanen Situation.

Aber: Woran erkennen wir wenn Schwiegermutter tatsächlich nicht mehr alleine leben kann? Wir haben natürlich Angst, dass auch mal was schlimmeres passiert wie ein „vertauschter Fernseher“. Unsere erste Lösung ist der Nachbarin zumindest mal einen Schlüssel zu geben, dass sie rein kann und gleichzeitig uns verständigen, falls ihr was komisch vorkommt.

Aber wie gesagt, wann ist der Punkt erreicht an der man sie betreuen lassen muss? Wie können wir das feststellen? Oder was kann ein normaler Hausarzt denn untersuchen. Gestern war mein Schwager soweit ihn an Ort und Stelle anzurufen, damit er auch mal mit Schwiegermutter spricht und nachdem sie es auch eingesehen hat, dass es wohl langsam nötig wird. Aber er ist ja nicht da. Und in 2 bis 3 Tagen hat sie den Vorfall wohl wieder vergessen, wie schon einige Sachen vorher.

Das Problem ist, dass es nur zeitweise ist, es gibt auch gute Tage. Aber sie weigert sich z.B. einen Pflegedienst oder so rein zu lassen. Wir wollten auch schon Essen auf 4 Rädern organisieren, dann kommt wenigstens einmal am Tag jemand ins Haus, aber auch da weigert sie sich. Ebenso läd sie niemand mehr ein, oder eine Stunde vor dem Termin wieder aus und ist stinksauer wenn man einfach kommt. Sie schiebt Krankheiten wie Durchfall usw. vor, damit man nicht vorbeischneit.

Es gäbe noch so viel zu sagen, aber das sprenkt langsam eure Geduld,

danke für Tipps

Ute

Hallo, Ute,
da hilft wohl nur, dass ihr häufig, möglichst täglich nach ihr schaut. Ich kenne das von meiner Schwiegermutter, die auch zunehmend unter dem Verlust ihres Kurzzeitgedächtnisses zu leiden beginnt. Und tatsächlich leidet sie darunter, denn es ist ihr sehr peinlich, wenn sie mal wieder etwas vergessen hat. Schimpfen hat da keinen Zweck, sie tut es ja nicht absichtlich und man erreicht damit nichts außer schlechter Stimmung und Bockigkeit.

Es ist auch gefährlich. Wir hatten vor kurzem erst per Zufall entdeckt, dass sie vergessen hatte, den Herd auszuschalten und eine Platte fröhlich vor sich hinschmurgelte. Da hätte leicht die Bude abfackeln können. Nun leben wir mit den Schiegereltern zusammen und so können wir kleinere und größere Missgeschicke meist ausbügeln.

Also bleibt Euch nichts anderes übrig, als Euch intensiv, regelmäßig und häufig um die alte Dame zu kümmern. Auch eine Vorsorgevollmacht wäre sicher hilfreich. Klemmt Euch hinter den Hausarzt, wenn der wieder da ist, auf solche „Respektspersonen“ reagieren die Senioren meist noch mit Einsicht.

Grüße
Eckard

Hallo,

Du beschreibst hier den klassischen Konflikt aller Angehöriger von an Demenz Erkrankten. Leider gibt es hierzu keine pauschal richtige Antwort, und was besonder schlimm ist, Du kannst in dieser Situation nichts richtig machen. Greifst Du mit Betreuungsanregung (falls keine Vorsorgevollmacht existiert) und Wohnungsauflösung und Heimeinweisung ein, wirst Du auf massive Ablehnung nicht nur der Betroffenen stoßen, machst Du es nicht, und es passiert etwas, kommt es auf das Selbe hinaus. Du kannst eigentlich nur beten, dass nichts passiert, bis es so weit ist, dass es zu keiner Gegenwehr mehr kommt. Ich weiß, wovon ich rede.

Es gibt aber durchaus im Detail Dinge, die sich u.U. anbieten, und auf die man achten sollte. Nach Möglichkeit tägliche Besuche und mehrmals täglich Telefonate. Wenn persönliche Besuche nicht drin sind, kann man hierfür auch einen Pflegedienst (Pflegebedürftigkeit feststellen lassen) oder eine bezahlte Gesellschafterin einsetzen.

Gefahren im Haushalt sollte man versuchen zu minimieren. Z.B. auf Essen auf Rädern bestehen, und den Herd abklemmen. Zudem kann man mit einfachen Hilfsmitteln wie z.B. einem zentral aufgehängten Whiteboard für wichtige Termine und Anweisungen (z.B. zu den Medikamenten) in Kombination mit einer elektrischen Uhr mit Kalenderfunktion, und in der Wohnung verteilten Hinweiszetteln etwas erreichen.

Gegenüber einer Heimeinweisung ist natürlich die Versorgung in den eigenen vier Wänden immer die bessere Wahl. Als zweitbeste Lösung bietet sich die Versorgung in der eigenen Familie an. D.h. wenn ein Umzug zu einem der Kinder möglich ist, ist dies die bessere Alternative. Es ist immer wieder zu beobachten, dass die Heimunterbringung einen massiven Schub auslöst. Dagegen kann die intensive Beschäftigung im Haushalt eines Kindes sogar zu einer Verzögerung oder zeitweisen Besserung führen.

Weitere Alternative sind privat geführte Wohngemeinschaften, wie sie von einigen Pflegediensten betrieben werden, und die ebenfalls auch intensive Mitarbeit der Angehörigen setzen. Da die Erkrankten mit zunehmender Erkrankung oft in der Vergangenheit leben, wird in diesen Wohngruppen oft in der Zeit gelebt, in der auch die Bewohner leben. D.h. es werden die Filme aus der Zeit gesehen, es läuft die passende Musik, und die Bewohner gehen den Tätigkeiten nach, in denen sie tätig waren (soweit möglich). D.h. die Bewohner sind z.B. in die Zubereitung des Essens eingebunden, kümmern sich um den Garten, die Wäsche, … Auch diese Anforderungen führen oft zu einem gewissen Aufschub.

Gruß und viel Kraft vom Wiz

Hi Ute,
Termine vergessen, und geburtstage vergessen, ist eigetnlich nicht so schlimm,

wichtig ist nur dass sie zu den wichtigen terminen(z.b. arzt) von euch (als familie) möglichst hingebracht wird, sollte sie sich weigern (und das wird früher oder später passieren) dann einfach ruhig bleiben einwenig warten, vllt zur pinnwand schlendern und erschreckend tun:

oh mama du hast ja heute ein termin! lass und da mal hingehen.

WICHTIG: es nützt nichts wenn du/ ihr aggressiv/frustriert werdet und euch zofft, schlimmer noch das kann dazu führen(wenn das öfters passiert) dass sie eine depression entwickelt.

es kann auch mal sein dass ihr auf einmal geld fehlt, was aber nciht sein kann, und dann behauptet ihr hättet ihr geld gestohlen, macht euch nichts draus. hilft ihr nach dem geld zu „suchen“. und nach ein paar minuten wechselt das thema. sie wird es bis dahin schon vergessen haben.

bewundert sie für alles was sie getan hat, wie z.b.
sie ließt zeitung, und die zeitung ist verkehrt herrum, statt zu sagen:
" du ließt zeitung? aber du hättst das ganz falsch herrum!!!"

solltet ihr lieber sagen :

„oh, das ist ja schön, du ließt zeitung!“ ANERKENNUNG für das was sie noch selbst tun kann.

ihr müsst auch lernen in ihr nicht mehr eine person zu sehen die euch alles zeigt und beibrigt(eben wie eine autoritäre mutter), sondern versucht in ihr eine liebe mutter zu sehen die krank ist und die eure hilfe und unterstützung braucht, dieser schritt ist nicht so einfach für viele angehörige, vor allem dann wenn sie einmal eine sehr selbstsichere selbstbewusste frau war.

das mit der nachtbarin ist eine gute sache! also da habt ihr schon mal alles richtig gemacht.

es könnte sein wenn sie euch wieder auslädt dass iihr etwas peinlich sein könnte, krankheiten sind dazu da um euch wirklich nur fern zu halten. respektiert das erstmal.nach einer stunde ruft vllt wieder an und fragt ob ihr vorbeischauen könnt.

GANZ WICHTIG: näht name adresse und eine telefonnummer an ihre kleidung bzw. gebt ihr ein armband wo ihre daten draufkleben.

manche patienten finden nicht mehr nach hause zurück verirren sich und sterben an hungerstod! das ist schon alles vorgekommen!

ich weiß nicht was für einen arzt ihr habt, aber er sollte sich schon mit demenz auskennen. frag ihn wie schwer ihre demenz ist, auf grund dessen gibt er euch medikamente, wir haben in unserer einrichtung schon oft patienten gehabt die falsche medikamente bekommen haben,

(z.b. sie haben eine mittelschwere demenz bekommen aber das medikament für eine leichte demenz.)

weil die ärzte sich damit nicht auskennen.und einfach irgendwas verschreiben, was damit zu tun hat aber eigentlich ungeeignet ist.

geht auch noch zu einer demenzberatungsstelle für angehörige. in berlin gibt es so etwas nun weiß ich nciht ob es bei euch auch so etwas gibt aber man kann sich im internet darüber denke ich schlau machen.

demenzpatienten zu betreuen ist keine leichte aufgabe, vor allem nciht für die angehörigen, ich wünsche dir/euch viel kraft und verliert nicht den mut für die zu kämpfen vor allem wenns nochmal so sein sollte dass sie ein herz/hirninfakt bekommt.

wenn du fragen hast und ich sie dir beantworten kann dann immer gerne, einfach schreiben

liebe grüße Hong

Hallo,

erstmal danke für eure vielen Tipps. Wir werden nach dem Urlaub ihres Arztes gleich mal Kontakt zu ihm aufnehmen. Er hat sehr viele ältere Patienten und ist auch für ein Altersheim bei uns zuständig, ich hoffe also er kennt sich aus oder hat einen Kollegen an den er verweisen kann.

Schwiegermuttern will momentan zumindest auf keinen Fall umziehen. Wir haben selber so wenig Platz, zu uns möchte sie schon gleich gar nicht kommen. Schon ein Besuch zu Weihnachten ist wie eine Strafe für sie. Umziehen könnten wir auch nicht so einfach, da es unser eigenes Hexenhaus ist. Aber wenn es schlimmer wird kann ich mir schon eine Art betreute Wohngruppe für sie vorstellen. Vor ein paar Jahren war sie Feuer und Flamme, als Nachbarn ins betreute Wohnen gezogen sind, jetzt wo sie selber immer älter wird kommt für sie nur noch ein Umzug in Frage und zwar der auf den Friedhof, dass hat sie oft genug erwähnt.

Da ich auch z.B. den Herd als eines der größten Probleme ansehe, vielleicht schaffen wir es nach dem Arzttermin, dass sie Essen auf Rädern bekommt. Dann könnten wir da wenigstens den Herd abstellen, das wäre schon mal eine Hilfe.
Auch mit einer Betreuung müssten wir mal sehen, wir leben alle nicht so nah an ihr, dass wir täglich hin könnten, wir sind alle berufstätig. Sie hätte auch schon mal das Angebot gehabt zumindest mal eine Zeitlang zur Probe zu ihrer viel jüngeren Schwester zu ziehen, ob dann für immer hätte sich zeigen müssen. Aber da will sie auch nicht hin, da dort ja alte Schulkameraden von ihr noch leben könnten und komische Fragen stellen.

Es ist alles nicht einfach.

Grüße Ute

Liebe Ute,

ich stand vor gut einem Jahr vor einer ähnlichen Frage: Der 85-jährige Lebensgefährte meiner Oma (körperlich top fit) hatte sichtlich abgebaut. Die Demenzerscheinungen waren schon ein Jahr vorher deutlich (und ich musste lange auf ihn einreden, damit er wenigstens nicht mehr Auto fährt), aber es „ging“ im Zusammenspiel mit meiner Oma noch recht gut. Aber ich „ärgere“ mich auch ein wenig über mich, dass ich ihn nicht direkt zum Arzt geschafft habe, da mir die Ärzte später sagten, dass eine gute und frühzeitige Medikation das Fortschreiten um bis zu fünf Jahre verlangsamen kann. Aber dazu war der Mann noch zu sehr „Herr seiner Sinne“ und völlig uneinsichtig.

Der erste Schritt war, dass wir ihn auf Pflegestufe I haben ansetzen lassen, so dass täglich der Pflegedienst zum Waschen und zur Prüfung der Medikamenten-Einahme kam (er hat damals ein Präparat bekommen, bei dem es sehr wichtig war, dass er es pünktlich einnimmt).

Der zweite Schritt ging dann ganz schnell: Er musste wegen einer Blasenentzündung ins Krankenhaus, wo auch weitere Tests gemacht wurden. Die Aussage der Ärzte war eindeutig: Pflegefall Stufe III - er müsse ins Pflegeheim (er hat sich im KH ständig den Katheter rausgerissen und ist „spazieren gegangen“).

Meine Mutter hat die Betreuung übernommen, er hat gar nicht mehr mitbekommen, wo er sich befand, erkannt hat er keinen mehr. Er wollte sich auch nicht mehr bewegen - lag ergo die restlichen Monate seines Lebens (er ist jetzt Mitte August an einer Lungenentzündung gestorben) nur noch im Bett.

Mit dieser Erfahrung kann ich nur sagen: Warte nicht zu lange! Eine frühzeitige Medikation kann Deiner Schwiegermutter noch schöne Jahre schenken. Natürlich will sie nicht ausziehen, aber je früher es passiert, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie es auch als „Chance“ sieht und die neuen Anregungen noch wahrnehmen kann.

Meine Oma ist in der Zwischenzeit zu meiner Mutter gezogen - auch wenn sie mit ihren 88 Jahren noch sehr fit ist und auch selbst noch kocht. Natürlich war es für sie eine enorme Umstellung, aber ich merke auch, dass es ihr besser geht und sie auch ruhiger geworden ist, da für den Fall der Fälle für sie gesorgt sein wird.

Viele Grüße

Kathleen

Ein *chen hier - stellvertretend für deine vielen hilfreichen und einfühlsamen Postings. Danke dafür.

igel

Hallo Ute,

danke für Tipps

vielleicht helfen die Argumente hier http://www.sueddeutsche.de/muenchen/118/486533/text/ bei der Entscheidung auch für Deine Schwiegermutter?

Gruß, Karin