Demenz - ständiges jammern, 'knurren'

Hallo liebe Foristen,

ich erhoffe mir hier Erfahrungswerte, wohlwissend, dass man bei Menschen natürlich kaum Vergleiche ziehen kann.

Meine Oma (93 Jahre) ist dement, mittlerweile so weit, dass nichts mehr zu ihr durchdringt. Sie sitzt im Rollstuhl und starrt leer vor sich hin, selten ist es noch möglich, Augenkontakt aufzubauen und noch seltener werden unverständlicher Worte artikuliert.
Aber seit einigen Monaten beginnt sie zunehmend, zu stöhnen. Vormittags noch ein bischen ruhiger, aber wenn sie von ihrem Mittagsschlaf aufsteht, kann es mittlerweile vorkommen, dass sie von 16 Uhr durchstöhnt, bis sie ins Bett gebracht wird - und noch einige Stunden darüber hinaus. Es geht also wirklich „ahhhhhhhhhhhhhh“ *luftholen* „ahhhhhhhhhhh“ *luftholen* „ehhhhhhhhhh“. Am besten vergleichen kann man das, auch wenn es furchtbar garstig ist, mit dem Stöhnen, das man aus Filmen von Zombies kennt.
Schmerzen scheint sie keine zu haben, oft hat sie dabei glasige Augen. Ich denke, es ist ihre Art, zu weinen. Alles was wir bisher versuch haben, bleibt wirkungslos. Ansprechen, Körperkontakt aufbauen, Essen/Trinken geben, etwas in die Hand geben - sogar einen Schnuller haben wir versucht. Es macht es nicht besser, es macht es nicht schlimmer.

Kennt das jemand von euch und hat es vielleicht sogar geschafft, die Person mit irgendwelchen Techniken zu beruhigen?

Und die zweite Frage(da ich nicht glaube, dass es eine positive Antwort auf die erste gibt): Ich wohne nicht zu Hause und komme nur manchmal zum Omasitten. Aber meine Mama kriegt täglich die volle Bandbreite ab. Nicht nur, dass man zusehen muss, wie es Oma offensichtlich scheiße geht, besonders dieses Geräusch macht zu schaffen. Die geht am Stock. Wie kann ich sie am besten davon überzeugen, Oma zumindest in ihr (Omas) Schlafzimmer zu „stellen“? Oma ist es egal, wo sie ist, und Mama wäre in unserem Wohnbereich wenigstens ein bischen entlastet. Aber sie empfindet das als Abschieben und fühlt sich verpflichtet. Dabei geht sie kaputt.

Vielen Dank fürs Lesen.
Beste Grüße
Lockenlicht

Hallo,

leider kenne ich das auch: Eine alte Dame die einfach nur ohne erkennbare Grund stundenlang schrie.
Was man dagegen machen kann, weiß ich nicht, aber meiner sehr dementen Oma hat es immer gut gefallen, wenn man Musik anmachte. Sie hat gerne und viel gesungen und konnte auch total viele Lieder. Wir haben immer so CDs mit deutschen Volksliedern angemacht, besonders Weihnachtslieder gefielen ihr. Vielleicht wollt Ihr das auch mal versuchen? Besonders beruhigend fand Oma übrigens Live-Gesang. Wir haben uns darum wenn es ging bei ihr versammelt und gesungen bis zur Heiserkeit. Manchmal hat sie dann sogar mitgesungen, obwohl sie auch gar nicht mehr redete oder anders reagierte.
Ich kann mir dement sein nun nicht so richtig vorstellen, aber ich stelle es mir als relativ beängstigenden Zustand vor. Darum schätze ich, dass man sich unter Umständen in einer Umgebung, die etwas Mutterleibähnliches oder irgendwas, was an so tiefsitzende, präverbale Erinnerungen wie nur möglich ansetzt noch am wohlsten fühlt.

Viele Grüße und alles Gute

Huhu,

danke für die Atwort.
Die Musik-Erfahrung haben wir auch gemacht. An Heiligabend 2010 sang sie plözlich eine ganze Strophe mit, obwohl sie schon lange keinen zusammenhängenden Satz mehr gesagt hatte.
Singen haben wir schon oft versucht, da gab es leider auch keine Reaktion. Zumindest lange nicht mehr. Ich habe heute auch mal überlegt, ihr Musik nah ans Ohr zu bringen (denn das Küchenradiogedudel ist zu leise - sie hörte schon ganz schlecht, als sie noch „da“ war) - aber das hat ihr nicht gefallen.

Ich finde es schon irgendwie tröstend, dass das noch wer kennt. Man muss sich echt zusammenreißen, damit man keine Agressionen entwickelt und sich immer wieder daran erinnern, dass sie das nicht aus Trotz oder Boshaftigkeit macht.

Liebe Grüße
Lockenlicht

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Schmerzen
Huhu,
nachdem ich Schmerzen im Eingangsartikel ausgeschlossen hatte, habe ich nun mal gegooglet. Eher aus Interesse, ob es mehr Betroffene gibt, die vielleicht Strategien entwickelt haben.

Ich bin allerdings immer wieder darauf gestoßen, dass sowas doch die Artikulation von Schmerzen sein kann. Auch andere Anzeichen treffen zu. Das werde ich morgen mal mit meiner Mutter besprechen - dass man zumindest mal VERSUCHT, ob es vielleicht doch ganz andere Ursachen als gedacht hat.

Nur, falls jemand mal diesen Threat findet und sich ähnliche Fragen wie ich stellt.

Hi,
auch wenn ihr Schmerzen eher ausschliesst - ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mensch mit über 90 Jahren der sich ausschliesslich zwischen Bett und Rollstuhl bewegt keine Schmerzen hat. Der Körper wird zunehmend steifer, Muskeln und Sehnen verkürzen sich und es gibt keine Ausgleichsbewegungen mehr.
Ich würde den Hausarzt auf die Situation ansprechen und ihn bitten versuchsweise für 2 Wochen ein mittelstarkes Schmerzmittel zu verschreiben. Das sollte dann auch regelmässig gegeben werden - nicht nur wenn eure Oma „brummt“. Nach zwei Wochen sollte sich - falls es wirklich Schmerzen sind - eine Veränderung zeigen.

Noch eine Möglichkeit wäre die Blasenentleerung. Falls eure Oma mit Inko (Windel) versorgt ist kann es sein, dass sich die Blase schmerzhaft mit Urin füllt und der Schliessmuskel erst aufmacht wenn die Harnblase sehr voll ist. Dann gibt es auch noch die Überlaufblase - die Blase ist ständig gefüllt und es „tröpfelt“ immer nur etwas vor sich hin.
Ihr könntet - wenn eure Oma im Bett liegt - vorsichtig über die untere Bauchhälfte streichen und vorsichtig drücken…wenn sie bei Druck auf die Blase von aussen erkennbar reagiert könnte hier das Problem sein.

Hier bekommen Angehörige von dementiell erkrankten Menschen ganz hervorragende Beratung: http://www.deutsche-alzheimer.de/

viele Grüße und alles Gute

Susanne

Huhu Sue,

vielen Dank für deine Antwort! Ich werde das alles so weiterleiten. Vielleicht kann ich meine Mama auch mal ins Internet scheuchen, aber das wird eher schwierig:smile:
Dann kann sie sich die Seite mal ansehen. Ich bin mir sicher, dass es sie besser erreicht, wenn sie es selber läse, als wenn ich es ihr erzähle. Da kommt dann eher an „hab ich irgendwo im Internet gelesen und nun weiß ich besser als du, wie die Handhabung läuft“ .

Wir kriegen das hin, vielen Dank!

In letzter Zeit kamen einige Berichte im TV über Medikamente und ihre Wirkungen im Alter.

Unter anderem auch eine Dame in einem Altersheim die die von dir erwähnten Laute von sich gab und unter starker Unruhe litt
Ich glaub es war diese Sendung:
http://www.wdr.de/tv/diestory/sendungsbeitraege/2012…

Es wurde ein Altersheim gezeigt, dass sich von dieser chemischen Gewalt gelöst hat und eine Geriatrische Klinik die sich damit beschäftigt.

Google mal nach Priscus-Liste
und lies auch hier nach
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=3…

Grüße
Krümelchen

Hi,

du hast ja hier schon ein paar wertvolle Tipps gekriegt.
Was ich nur noch anmerken wollte, da du gefragt hast, was man für Techniken anwenden kann:

Demente Menschen leben nicht im hier und jetzt, sondern im dort, wenn du verstehst was ich meine. Deswegen ist logisches Handeln und Denken auch nicht sehr hilfreich. Unsere Maßstäbe von Logik und unser Verstehen von Verhalten wird dir da nicht viel weiterhelfen.

Durch die Demenz, die schrittweise erfolgt, verliert der Betroffene nach und nach so ziemlich jedes gesellschaftliche Verhalten. Es fängt lustig an mit „Ach, die Oma… hat sie wieder den Löffel anstelle die Gabel benutzt“ an und endet damit, das Opa mitten im Weihnachtsfest grundlos ausrastet.

Anfangs bemerken die Betroffenen den geistigen Zerfall, da staut sich Wut und Hilflosigkeit an. Aus dem Grund sind die meisten anfangs auch sehr garstig und stur.

Später, wenn die sehr alten Demenzerkrankten Menschen, in ihrer Erkrankung weiter fortgeschritten sind, reduzieren sich die verbalen Äußerungen auf Bewegungen. Sie leben im „dort“ in einem gewissen Zeitfenster. Sie machen quasi eine „geistige Zeitreise“ in die Vergangenheit, weil das Langzeitgedächnis so ziemlich das letzte ist, was sich verabschiedet.

Deine Oma ist im Augenblick in Phase III - Wiederkehrende Bewegungen und Geräusche. Diese Menschen stöhnen und jammern stundenlang. Oder sie hauen mit der Faust immer auf den Tisch oder falten stundenlang Servietten zusammen.

Du hast ja selber gemerkt, als ihr Weihnachten gefeiert hattet, das Oma eine ganze Strophe mitgesungen hat, obwohl sie selten sonst gesprochen hat. Dieses Lied hat sie vermutlich bereits in ihrer Kindheit gesungen, der Reiz kam zufällig von aussen. Das aktivierte Erinnerungen von früher. Das Lied verbindet sie mit einer schönen Situation in ihrer Jugend.

Was kann man machen?
Zunächst einmal braucht man Informationen.
Was hat Oma - als sie noch fitter war - gerne gemacht? Vielleicht Handarbeit? Oder war sie in der Landwirtschaft? Hat sie gerne gebacken und gekocht? Hat sie gerne Märchen erzählt? Usw.
Aufgrund dieser Biographiearbeit kann man nun versuchen die knurrende Oma zu aktivieren. Erinnerungen wachrufen. Das kann man mit allem möglichen machen: Bilder, Geräusche, Gerüche, Gegenstände…

Vielleicht reagiert sie darauf und das knurren wird weniger, wünschenswert wäre, das es ganz weggeht und sie wieder ein paar Wörter sagt. Ich bin mir sicher jeder von eurer Familie reisst sich ein Bein aus um Oma bestmöglichst zu versorgen. Aber man kann mit ein paar Tricks mehr machen.

Hört sich vielleicht im ersten Augenblick blöd an, aber man kann mit der Oma „mitknurren“. Das nennt man „spiegeln“.
Man imitiert die Knurrgeräusche der Oma, sodass man ungefähr die Gleiche Tonlage hat. Versucht dabei Augenkontakt aufzunehmen, versucht ihrer Körperspannung aufzunehmen und sie zu spiegeln. Erfolg hat man, wenn Oma den Augenkontakt erwiedert, vielleicht sogar lächelt oder von sich aus Körperkontakt aufnimmt.

Demente Menschen in dieser Phase sind sehr dankbar für Berührungen und für echt (nicht gespielte) Emotionen.

Grundlage dieser ganzen Techniken ist die sogenannte „Validation“ nach Naomi Feil. Ich habe mal ein paar youtube links mit reingenommen, damit du dir ungefähr vorstellen kannst, was damit alles möglich sein kann:

http://www.youtube.com/watch?v=CrZXz10FcVM
http://www.youtube.com/watch?v=iBGUtUdeH88

und in deinem Fall:
http://www.youtube.com/watch?v=9_6k2eu_0tk&feature=r…

GDA

Hallo LadyL.,

ich hatte vor ca. zwei Jahren ein ähnliches Problem! Die Vermieter meiner Einliegerwohnung waren schon über 80J. alt!
Ja und dann wurde der Mann des Vermieters dement! Dies drückte sich auch darin aus das er Nachts um 2h laut nach seiner Frau (die neben ihm lag) gerufen hat so das es im ganzen Haus zu hören war!

Ich möchte damit sagen, dass man versuchen sollte sich da zumindest Stundenweise helfen zu lassen wenn das möglich ist!
Es gibt in den Städten und größeren Gemeinden Tagespflegeeinrichtungen!
Die holen die Senioren u.U. auch ab!
So das sie zumindest Vormittags versorgt sind! Meine These wenn die alten Menschen zusammen etwas tun, animiert das eine Oma eher da mit zumachen, innerhalb ihrer Möglichkeiten!
Wenn man versucht alles persönlich zu regeln könnte es da schon schwierig werden denn nicht selten könnte man schon einmal aus der Haut fahren! Um nicht von aggressiv zu reden!
Ansonsten kommt man wie beschrieben, weiter wenn man auf die Vergangenheit zielt alte Musik, es gibt bestimmt noch ein paar alte Bilder aus der Jugend! Ich musste mir immer alte Kriegs-/Nachkriegsgeschichten anhören!
Auch wenn man ein Haustier (Katze/ kleiner Hund) hat hilft das einmal kurzfristig!
Allerdings sollte man schon in der Nähe sein, nicht das es der Katze nach einer gewissen Zeit schlecht ergeht …
In wie weit es möglich ist zum Beispiel Gesellschaftsspiele udgl. …?
Dies einmal ganz grob zum Thema u.U. kann so eine Pflegekraft in einer Tagesbetreuung auch einmal Hilfestellung leisten! Was sinnvoll und möglich ist in so einer Situation! Bevor man den Boden verliert!
Auch eine Urlaubsbetreuung ist mitunter möglich!

Viele Grüße
Joe