Grundlegung der Demokratie durch Solon
Hi.
Die Demokratie ist keine Erfindung des christlichen
Abendlandes
… sondern, was den Kerngedanken betrifft, der attischen Antike. Allerdings spielte bei der Abfassung des Gründungsdokuments des ersten demokratischen Staates (USA) tatsächlich auch die föderative Verfassung der Irokesen-Stämme eine inspirierende Rolle. In summa waren es die attische Demokratie, der englische Parlamentarismus, die attisch-demokratisch inspirierte Theorie von Rousseau und eben die Irokesen-Verfassung, welche die moderne Demokratie anregten.
Ähnlich wie der Monotheismus bei den Israeliten entstand die attische Proto-Demokratie in einer extremen politischen Krisensituation (im Falle Attikas soziale Spannungen, die die Polisgesellschaft an den Rand des Untergangs führten). Als Krisenmanager wurde Solon zum Initiator der Proto-Demokratie, indem er die feudalistische Staatsordnung Attikas abschaffte und eine protobürgerliche an ihre Stelle setzte.
Solon war von einer den Kosmos durchdringenden Harmonie, Wohlordnung und Gerechtigkeit, der Eunomia, zutiefst überzeugt. Zwar stand er mit seinen Anschauungen noch auf dem Boden des Mythos Hesiodscher Prägung und hielt Recht in erster Linie für ein Werk der Götter - bis zu den Sophisten war noch ein weiter Weg. Anders aber als Homer und Hesiod, die für die Realisierung der irdischen Gerechtigkeit allein die Macht der Götter in Anspruch nahmen, sprach Solon den Menschen einen spezifisch politischen Freiraum zu, innerhalb dessen sie unabhängig von göttlicher Intervention aktiv sein konnten, um ihre Ansprüche auf Gerechtigkeit durchzusetzen. Auf diese Weise schuf er wenn nicht den Begriff, so doch das Faktum der politischen Verantwortung des Subjekts, der Verantwortung für das Wohl der Polis, denn auf dieses Wohl zielte letztlich die irdische Rechtsprechung. Recht wurde hier schrittweise säkularisiert. War die Gerechtigkeit zwar noch in der absoluten Rechtsordnung des Zeus verankert, so konnte sie doch bereits vom solonischen Subjekt selbsttätig aktualisiert werden, was Solon mit der Forderung ausdrückte, dass der Bürger um Gerechtigkeit auf der Basis einer abstrakt-rechtlichen Polisordnung eigenverantwortlich kämpfen müsse, statt träge bei Göttern Beistand zu erflehen. Hier erfolgte ein wichtiger Schritt der Emanzipation des Menschen heraus aus den Interpretationszwängen der mythischen Religion und, in gesellschaftlicher Hinsicht, aus den ökonomischen Zwängen der bis dato herrschenden aristokratischen Sozialordnung. Auffällig ist, dass Entmythisierung in diesem hochbedeutsamen historischen Fall Hand in Hand geht mit einem Zuwachs an Selbstverantwortung und an politisch-ökonomischem Freiraum für alle Bürger Attikas. Diese Konstellation ist paradigmatisch.
Rechtsprechung hatte für Solon somit den Zweck, das Wohl der Polis zu garantieren; in methodischer Hinsicht fungierte sie als Medium des harmonischen Ausgleichs zwischen divergierenden individuellen Interessen, als Mittel der Schlichtung streitiger Angelegenheiten nach dem Kriterium des rechten Maßes: Maßlosigkeit und Habgier, diese antisozialen Übel, sollten eingedämmt und eine weises Maß der Lebensführung gefördert werden. Bei alldem darf nicht vergessen werden, dass Solon die Sklaverei rundweg akzeptierte. Ein allgemeines Menschenrecht und Weltbürgertum war für Solon kein Thema, sein exklusives Ziel vielmehr das Gedeihen der athenischen Polis und ihrer freien Bürger. Auch in diesem Punkt brachten erst die Sophisten eine freiere Perspektive ins Gespräch.
Chan