Das müsste eigentlich weiter unten auf mehrere Stellen verteilt stehen, aber der Einfachheit wegen, steht es hier.
Denken findet sicher nicht nur in Worten statt. Es gibt Versuche, bei denen gezeigt wird, dass das Auge und das Bewusstsein einige Hundert verschiedene Farbschattierungen wahrnehmen können. Und die Sprache stellt außer den sieben Regenbogenfarben samt einigen Abtönungen mit hell und dunkel kaum zwei Dutzend Bezeichnungen bereit, wenn man von den Nonsensbildungen der Modemacher absieht.
Dazu lohnt es sich nachzulesen: „Wiedersehen mit Whorf –Sprache & Denken“ in der Aufsatzsammlung: So kommt der Mensch zur Sprache von Dieter E. Sommer. Der ganze Band ist in diesem Zusammenhang lesenswert.
Zu Nike noch:
Es gibt Menschen, die bestimmte Worte untrennbar mit Farben :verknüpfen (es gibt für diese Fähigkeit auch einen :bestimmten Fachausdruck, der mir leider entfallen ist).
Damit ist wohl:
Synästhesie [griechisch], die Erscheinung, dass bei Erregung eines Sinnesorgans außer den ihm zugehörigen Empfindungen auch solche eines anderen Sinnesorgans auftreten, z. B. Farben beim Hören (audition colorée, Photismen) oder Klänge beim Sehen (Phonismen). Zahlreiche Wortverbindungen gehen auf Synästhesie zurück, z. B. „schreiendes Rot”, „warme Farbe”. In der Rhetorik und Literatur bewusst zur Metaphernbildung eingesetzt. E. Jaensch glaubte bestimmte Synästhetiker-Typen charakterologisch beschreiben zu können.
Und zu Eckard und Ann: eine meiner Lieblingspassage aus Hesses „Glasperlenspiel“, in der eine solche „private Assoziation“, die zwar mitteilbar, aber nicht nachvollziehbar ist, beschrieben wird.
Beste Grüße Fritz
Da wir an Dokumenten über Knechts erste Eliteschulzeit so arm sind, ziehen wir eine Stelle aus seinen späteren Vorlesungen über das Glasperlenspiel heran. Allerdings liegen von Knecht eigene Manuskripte zu diesen für Anfänger gehaltenen Vorlesungen nicht vor, ein Schüler hat sie nach seinem freien Vortrag stenographiert. Knecht spricht an einer Stelle über Analogien und Assoziationen im Glasperlenspiel und unter- scheidet bei den letztern zwischen „legitimen“, das heißt allgemeinverständlichen, und „privaten“ oder subjektiven Assoziationen. Er sagt dort: „Um euch ein Beispiel für diese privaten Assoziationen zu geben, welche ihren privaten Wert dadurch nicht verlieren, daß sie im Glasperlenspiel unbedingt verboten sind, erzähle ich euch von einer solchen Assoziation aus meiner eigenen Schülerzeit. Ich war etwa vierzehn Jahre alt, und es war im Vorfrühling, im Februar oder März, da lud ein Kamerad mich ein, eines Nachmittags mit ihm auszugehen, um ein paar Holunderstämmchen zu schneiden, die wollte er als Röhren beim Bau einer kleinen Wassermühle benutzen. Wir zogen also aus, und es muß ein besonders schöner Tag in der Welt oder in meinem Gemüt gewesen sein, denn er ist mir im Gedächtnis geblieben und hat mir ein kleines Erlebnis gebracht. Das Land war feucht, aber schneefrei, an den Wasserläufen grünte es schon stark, im kahlen Gesträuch gaben Knospen und erste aufbrechende Kätzchen schon einen Hauch von Farbe, und die Luft war voll Geruch, einem Geruch voll Leben und voll Widerspruch, es duftete nach feuchter Erde, faulendem Laub und jungen Pflanzenkeimen, jeden Augenblick erwartete man schon die ersten Veilchen zu riechen, obschon es noch keine gab. Wir kamen zu den Holundern, sie hatten winzige Knospen, aber noch kein Laub, und als ich einen Zweig abschnitt, drang mir ein bittersüßer, heftiger Geruch entgegen, der alle die andern Frühlingsgerüche in sich gesammelt, summiert und potenziert zu haben schien. Ich war ganz benommen davon, ich roch an meinem Messer, roch an meiner Hand, roch an dem Holunderzweig; sein Saft war es, der so dringlich und unwiderstehlich duftete. Wir sprachen nicht darüber, aber auch mein Kamerad roch lang und nachdenklich an seinem Rohr, auch zu ihm sprach der Duft. Nun, jedes Erlebnis hat eben seine Magie, und hier bestand mein Erlebnis darin, daß der kommende Frühling, schon beim Gehen über die feucht schwappenden Wiesenböden, beim Duft der Erde und Knospen von mir stark und beglückend empfunden, sich nun im Fortissimo des Holunderduftes zu einem sinnlichen Gleichnis und einer Bezauberung konzentrierte und steigerte. Vielleicht hätte ich, auch wenn dies kleine Erlebnis für sich allein geblieben wäre, diesen Geruch niemals mehr vergessen; vielmehr, jede künftige Wiederbegegnung mit diesem Geruch hätte mir wahrscheinlich bis ins Alter stets die Erinnerung an jenes erste Mal aufgeweckt, da ich den Duft bewußt erlebt hatte. Nun kommt aber noch etwas Zweites hinzu. Ich hatte damals bei meinem Klavierlehrer einen alten Band Noten gefunden, der mich gewaltig anzog, es war ein Band Lieder von Franz Schubert. Ich hatte darin geblättert, als ich einmal etwas lange auf den Lehrer warten mußte, und auf meine Bitte hatte er ihn mir für einige Tage geliehen. In meinen Freistunden lebte ich ganz in der Wonne des Entdeckens, ich hatte bis dahin nichts von Schubert gekannt und war damals ganz von ihm bezaubert. Und nun entdeckte im, am Tag jenes Holundergangs oder am Tage nachher, Schuberts Frühlingslied „Die linden Lüfte sind erwacht“, und die ersten Akkorde der Klavierbegleitung überfielen mich wie ein Wiedererkennen: diese Akkorde dufteten genau so wie der junge Holunder geduftet hatte, so bittersüß, so stark und gepreßt, so voll Vorfrühling! Von jener Stunde an ist für mich die Assoziation Vorfrühling – Holunderduft - Schubertakkord eine feststehende und absolut gültige, mit dem Anschlagen des Akkords rieche ich sofort und unbedingt den herben Pflanzengeruch wieder, und beides zusammen heißt: Vorfrühling. Ich besitze an dieser privaten Assoziation etwas sehr Schönes, etwas, das ich für nichts hergeben möchte. Aber die Assoziation, das jedesmalige Aufzucken zweier sinnlicher Erlebnisse beim Gedanken, Vorfrühling’, ist meine Privatsache. Sie läßt sich mitteilen, gewiß, so wie ich sie euch hier erzählt habe. Aber sie läßt sich nicht übertragen. Ich kann euch meine Assoziation verständlich machen, aber ich kann nicht machen, daß auch nur bei einem einzigen von euch meine private Assoziation gleichfalls zu einem gültigen Zeichen, zu einem Mechanismus wird, der auf Anruf unfehlbar reagiert und stets genau gleich abläuft.“