Depression?

Hi,

angeregt durch einen Beitrag zu Sylvia Seidel stellen sich mir gerade viele Fragen, auch weil ich parallelen zu meinem Leben sehe (Nein, ich bin kein Kinderstar :wink:

Im Bericht wurde gesagt, sie war einsam, hatte Liebeskummer und finanzielle Sorgen. Ich denke, dass alles zusammen ist schon ein ordentlicher Batzen, der es einem schwer macht das Leben zu ertragen.
Weiter wurde gesagt, sie litt wahrscheinlich an Depressionen, was eine körperliche Erkrankung ist.
Dass Depressionen eine echte Krankheit ist, ist mir bekannt. Meine Frage: Eigentlich dachte ich immer, dass Depressionen ohne äußerlichen Anlass entstehen. Also eigentlich ist alles gut, aber der Erkrankte empfindet es halt nicht so.

Können Depressionen denn auch durch äußerliche Anlässe entstehen? Oder ist das einfach nur eine - für die Aussenwelt - bequeme Diagnose? Ich meine, wenn alles um einen herum Mist ist, bleibt es Mist. Was nutzt mir dann eine ärztliche Behandlung? Damit ich mit Therapie besser mit dem Mist umgehen kann? Juchhe, glücklich zu sein, obwohl alles nix ist?

Freu mich auf Diskussion
ohneziel

Ich denke nein. Verzweiflung, Kummer, Einsamkeit… sind weder Auslöser noch Merkmale einer pathologischen Depression. Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit, Phantasielosigkeit sind die klassischen Symptome. Auslöser der Depression, die zu den schlimmsten und schwierigsten psychischen Erkrankungen überhaupt zählt, ist vermutlich ein (leider auch vererbbarer) genetischer Defekt.

Gruß Tom

Hallo ohneziel,

Können Depressionen denn auch durch äußerliche Anlässe
entstehen? Oder ist das einfach nur eine - für die Aussenwelt

  • bequeme Diagnose? Ich meine, wenn alles um einen herum Mist
    ist, bleibt es Mist. Was nutzt mir dann eine ärztliche
    Behandlung?

Das ist so eine Frage um Henne und Ei.

Klar ist nur, dass sie sich als Stoffwechselstörung des Gehirn nachweisen lässt.

Möglicherweise wird in Zukunft die Epigenetik weitere Erklärungen liefern können:
http://de.wikipedia.org/wiki/Epigenetik

Bei der Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) scheint ein epigenetischer Mechanismus beeits nachgewiesen zu sein.
Bei PTBS braucht es eine bestimmte gentische Disposition und eine Stresssituation welche dann dieses Gen einschaltet.

Es benötigt also anfänglich 2 Parameter um PTBS auszulösen.
Allerdings zeigt die Epigenetik, dass der Schaltzustand eines Gens auch weitervererbt werden kann und nicht nur das Gen als solches.

Mal sehen, wie deine Frage in 10-20 Jahren beantwortet werden wird.

MfG Peter(TOO)

Hallo ohneziel,

historisch gehen unterschied man zwischen drei Typen von Depressionen:

  1. endogene Depressionen (heute würde man diese eher als mittel-, bzw. schwere Depressionen bezeichnen. Mit endogen wird auf den veränderten Gehirnstoffwechsel bzw. auf eine „organische“ Ursache verwiesen.)
  2. neurotische Depressionen (heute eher leichte bzw. mittelschwere Depressionen, verursacht durch chronischen Stress, bestimmte (frühkindliche) Lernerfahrungen und/oder belastende Lebensereignisse in der Vergangenheit.
  3. reaktive Depressionen (diese werden im aktuellen gültigen Klassifikationssystem (ICD 10) nicht mehr als Depressionen klassifiziert, sondern als Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion. Reaktive Depressionen bzw. Anpassungsstörungen werden durch ein klar zu bezeichnendes Ereignis in der Gegenwart ausgelöst. Beispiele sind klassischerweise Trennung, Tod einer nahen Bezugsperson, Arbeitslosigkeit usw. Formal erfüllen die Symptome die einer leichten Depression, aber es lässt sich eben ein klares Auslöseereignis finden.)

Zusammenfassend kann man sagen, dass Depressionen durchaus durch äußere Umstände (mit-) bedingt sind bzw. sein können. Bei der reaktiven Depression bzw. Anpassungsstörung ist das sogar klar erforderlich, um die Diagnose vergeben zu können. Aber auch bei den schweren (oder endogenen) Depressionen können kritische Lebensereignisse eine depressive Episode mitbedingen, bzw. aufrechterhaltend wirken.

Die therapeutische Zielsetzung ist dann natürlich nicht, schlimme Lebensereignisse ungeschehen zu machen, sondern den Betroffenen dabei zu helfen, mit diesen Ereignissen besser umzugehen. Charakteristischerweise haben Depressive nämlich oftmals verzerrte Kognitionen, die sie denken lassen, dass nur sie immer (und immer wieder) von solchen Ereignissen betroffen sind usw. Vielleicht auch, dass sie es verdient haben, immer wieder vom Schicksal „bestraft“ zu werden. In schweren Fällen kann sich das hin zu einem Wahn steigern: Versündigungswahn bzw. Verarmungswahn sind beispielsweise oftmals typische Themen bei wahnhaften Depressionen.

Soviel auf die Schnelle.
LG
TAndrija

Hi zusammen,

danke für eure erkenntnisreichen und teilweise wirklich ausführlichen Antworten.

Also, können Depressionen im Prinzip durch äußerliche Umstände entstehen. Hm. Wenn dieser äußerliche Umstand nun nicht „nur“ ein einzelnes Ereignis ist, sondern eine andauernde Situation, die sich auf mehreren Ebenen einfach nur als quälend und aussichtslos zeigt, was dann tun?

Ich habe bereits erwähnt, ich sehe Parallelen zu mir. Einsamkeit, Liebeskummer, finanzielle Probleme ziehen sich gerade zu einer extrem belastenden unerträglichen Situation zusammen. Und ich denke oft, ob ich zum Arzt/Psychotherapeuten gehen soll. Aber genau das finde ich nicht gerade berauschend. Also der Gedanke, mit Hilfe von Tabletten sich mit der Situation anfreunden zu können und glücklich zu sein? Baut auch nicht wirklich auf.

Klar, man könnte sagen, wenn Du glücklich bist, strahlst Du das aus, und jede Menge Deiner Probleme werden sich von alleine lösen. Nur das glaube ich nicht wirklich. Vieler meiner Sorgen sind äußerlichen Umständen geschuldet, die sich einfach nicht ändern lassen.

Von meinem „inneren Kampf“ bekommt mein Umfeld auch nicht all zuviel mit. Ich gehe auch oft unter Menschen, gehe auf Partys, mache Sport, bin auch kulturell interessiert und aktiv.
Wenn ich aber dann alleine zuhause sitze, und mir der ganze Sch… durch den Kopf geht, könnte ich nur noch heulen.

Übrigens, nicht dass jemand das denkt: Selbstmordgefahr besteht zu 100 % nicht. Da bin ich wirklich nicht der Typ für.

Aber ansonsten reichlich ratlos …

gruß
ohneziel

Hallo ohneziel,

Also der Gedanke, mit Hilfe von Tabletten sich mit der
Situation anfreunden zu können und glücklich zu sein? Baut
auch nicht wirklich auf.

Die Pillen musst du wie Krücken betrachten.
Je nach Art der Verletzung braucht man sie kürzer oder länger und manchmal gar nicht.

Klar, man könnte sagen, wenn Du glücklich bist, strahlst Du
das aus, und jede Menge Deiner Probleme werden sich von
alleine lösen. Nur das glaube ich nicht wirklich. Vieler
meiner Sorgen sind äußerlichen Umständen geschuldet, die sich
einfach nicht ändern lassen.

Es geht mehr darum ob das Glas halb voll oder halb leer ist.
Die Sachlage ist bei beiden Betrachtungen die Selbe!

Was in deiner Vergangenheit geschehen ist, kann keiner mehr ändern!
Was sich aber änden lässt ist dein Einstellung zu diesen Vorfällen und was sie dadurch bei dir auslösen.

Aber das bekommt man nur mit fachlicher Hilfe hin.

MfG Peter(TOO)

Von meinem „inneren Kampf“ bekommt mein Umfeld auch nicht all
zuviel mit. Ich gehe auch oft unter Menschen, gehe auf Partys,
mache Sport, bin auch kulturell interessiert und aktiv.
Wenn ich aber dann alleine zuhause sitze, und mir der ganze
Sch… durch den Kopf geht, könnte ich nur noch heulen.

Hierzu ist anzumerken, dass ein Mensch mit echter Depression derartiges wohl nicht von sich behaupten würde. So jemand ist nicht aktiv, sondern wird extrem passiv. Interesse an Sport oder Kultur ist dann meist auch nicht mehr vorhanden.

Mit etwas nicht klarkommen, Zweifel und Ängste, das sind Dinge, die bei jedem Menschen vorkommen. Sie sind sogar maßgeblich für bedeutsame Anteile an unserem Verhalten und für unsere Persönlichkeit.

Was soll man noch zu deinen Ausführungen sagen? Wahrscheinlich bist du normaler, als du denkst.

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Hallo,

Ich meine, wenn alles um einen herum Mist

ist, bleibt es Mist. Was nutzt mir dann eine ärztliche
Behandlung? Damit ich mit Therapie besser mit dem Mist umgehen
kann? Juchhe, glücklich zu sein, obwohl alles nix ist?

Freu mich auf Diskussion
ohneziel

Es geht wohl eher darum, zu wissen, was einem gut tut und was nicht!!!
Dafür ist die Therapie (war bei mir so). Dann kann man bewusst zu MIST-Situationen nein sagen!
Zu lernen was man im Leben ändern muss und kann und zu lernen mit Dingen zu leben, die man nicht ändern kann(wobei Umstände immer änderbar sind, wenn man nur Mut hat!)

GRüße
Ayse