Der 1. englische König?

Hallo,

im Jahre 1066 wurde England von den Normannen erobert. Aus ihrer Linie wurden wenn ich das richtig gelesen habe, die englischen Könige gestellt.
Aber wie ist das möglich? Mit dem Mittelalter kenne ich mich nicht so gut aus und der Vergabe von Titeln. Die Normandie war zu jener Zeit ein Herzogtum und unterlag dem frz. König. Aber warum konnte England, das ja jetzt auch zum frz. Reich gehörte, einen eigenen „König“ haben? Warum dieser Titel? Gab es im frz. Reich mehr als einen König oder wie muss man sich das vorstellen? Das verwirrt mich alles !
Bin für jede Hilfe von euch sehr dankbar!!

Grüße
Jenna

Hallo,

Servus

im Jahre 1066 wurde England von den Normannen erobert. Aus
ihrer Linie wurden wenn ich das richtig gelesen habe, die
englischen Könige gestellt.
Aber wie ist das möglich? Mit dem Mittelalter kenne ich mich
nicht so gut aus und der Vergabe von Titeln. Die Normandie war
zu jener Zeit ein Herzogtum und unterlag dem frz. König. Aber
warum konnte England, das ja jetzt auch zum frz. Reich
gehörte, einen eigenen „König“ haben? Warum dieser Titel? Gab
es im frz. Reich mehr als einen König oder wie muss man sich
das vorstellen? Das verwirrt mich alles !
Bin für jede Hilfe von euch sehr dankbar!!

Also zunächst war William natürlich nicht der erste König von England. Je nachdem wie man den Titel definiert dürften entweder Offa oder Egbert der erste König gewesen sein.

Dein zweiter Fehlschluss ist dass William eine neue Linie begründete. Tatsächlich war er mit der englischen Königslinie aus Wessex über seine Tante Emma von der Normandie verwandt. Die war nämlich die Frau von König Æthelred und auch Mutter von König Eduard dem Bekenner.

Dein dritter Fehlschluss ist die Annahme, dass William England im Namen des Französischen Königs erobert hat. Er war natürlich Vasall von Heinrich I der ihn anfangs auch unterstütze. Allerdings wurde William bald mächtiger und besiegte Heinrich auch mehrfach auf dem Schlachtfeld. Dadurch war die Normandie defacto unabhängig (was später ja zum ständigen Streitobjekt zwischen England und Frankreich werden sollte) und William wagte sich dann nach England.

Ich hoffe damit konnten jetzt ein paar Unklarheiten ausgeräumt werden.

Grüße
Jenna

Mfg
Christoph

Hilfe, Tschuldigung!
Ich meinte nicht William den Eroberer. Sondern Edward III.
Ab wann kann ich nach der normannischen Eroberung von dem 1. englischen König sprechen, der nicht mehr unter irgendeiner herrschaft Frankreichs ist?
Sorry, das war sehr unglücklich ausgedrückt!

Grüße, Jenna

In dem wiki Artikel heißt es:

„Eduard III. (engl. Edward; * 13. November 1312 auf Windsor Castle; † 21. Juni 1377 im Sheen Palace, Richmond)[1]) entstammte der Dynastie der Anjou-Plantagenêt, und war von 1327 bis 1377 König von England und Wales und gilt als einer der bedeutendsten englischen Herrscher des Mittelalters“

Warum trug Edward III den Königstitel? Weil er schon frei von Frankreich war und somit auch KÖnig war?

Jenna

und weiter heißt es bei wiki: „Das englische Königshaus Anjou-Plantagenêt (frz. [ɑ̃ˈʒu-ˌplɑ̃ntɑʒə’nɛ], engl. [ɑːn’ʤuː-plæn’tæʤənɪt][1]) geht zurück auf Gottfried V., Graf von Anjou, genannt Plante Genêt (1139-1151), seit 1144 Herzog der Normandie. Das Königshaus stellte von 1154 bis 1399 in direkter Linie den englischen König.“

Wie kann ein Herzogtum in England einen eigenen König stellen?
Und ich verstehe immer noch nicht so ganz. Also die Normandie war unabhängig vom frz. König und hatte ihren eigenen, der über die Normandie und England herrschte?

Hallo.

Die Herrscher im Mittelalter und vielen Jahrhunderten danach hatten meistens nicht nur ein Königreich oder ein Herzogtum, sondern oft mehrere. So war zum Beispiel der unabhängige König von Dänemark gleichzeitig auch Herzog von Holstein in Deutschland und als letzteres dem deutschen Kaiser unterstellt.

Das mit Normandie sollst du dich so vorstellen, das der Herzog von Normandie auf eigener Faust England eroberte und sich seitdem König von England und Herzog von Normandie nannte. Als König von England war er unabhängig, als Herzog von Normandie war er dem König von Frankreich formell unterstellt. Im Mittelalter war sowas normal.

Beste Grüsse,
TR

3 Like

Hi Tormod,

danke, jetzt habe ich es besser verstanden!!!

Eine offene Frage bleibt noch: warum hatte der KÖnig von Frankreich nichts dagegen, dass der Herzog der Normandie sich England selbst unter den Nagel reißt? Muss er nicht Angst vor dessen Machtvergrößerung gehabt haben?

Viele Grüße

Jenna

Wieder Hallo.

Natürlich hatte der König von Frankreich Angst - aber keine Macht. Frankreich, wie auch Deutschland und anderen europäischen Gebiete, war in Mengen von grösseren und kleineren Fürstentümern aufgeteilt, wie heute Deutschland in Bundesländern (nur damals viel mehr verworren). Die Fürsten waren formell dem König (Kaiser) untertan, reell oft reicher und mächtiger als ihn. Durch die Streitigkeiten zwischen König (Kaiser) und Fürsten wuchsen die heutigen europaïschen Staaten hervor. In Frankreich dauerte das bis dem siebzehnten Jahrhundert, in Deutschland bis 1871.

Ein interessantes Beispiel, wie man in den alten Zeiten Politik betrieben konnte, ist die Geschichte von Eleanor von Aquitanien, die mächtigste Frau des zwölften Jahrhunderts, auch Stammutter des Anjou-angevinische (?) Herrscherhauses. http://de.wikipedia.org/wiki/Eleonore_von_Aquitanien . Auch gern mehr googlen, eine wirklich tolle Frau!

Beste Grüsse,
TR

2 Like

Hallo,

derartige „Doppelloyalitäten“ waren in der Zeit vor der Herausbildung der Nationalstaaten nicht ungewöhnlich.
So waren z. B. die Grafen bzw. Herzöge von Württemberg immer wieder über fast 400 Jahre in Personalunion Grafen bzw. Herzöge von Mömpelgard (Montbeliard) und in dieser Funktion Untertanen des französischen Königs:
http://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%BCrttemberg-M%C3%B…
Als Ergebnis war Mömpelgard nach der Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes 1685 der einzige Teil Frankreichs, in dem bis zur französischen Revolution die Ausübung der protestantischen Religion zugelassen war (Allerdings durfte Mömpelgard keine Religionsflüchtlinge aus dem restlichen Frankreich aufnehmen)
Der jeweilige Herscher mußte halt seine Loyalitäten strikt trennen.

&Tschüß
Wolfgang

Hallo Jenna,
Du hast da offensichtlich ein völlig falsches Bild von dem, was „Herrschaft“ im Hochmittelalter bedeutete. Kein englischer König stand „unter irgendeiner Herrschaft Frankreichs“. Englische Könige besaßen französische Lehen und waren für diese Besitzungen dem französischen König lehenspflichtig. Es bestand also ein begrenztes Vasallitätsverhältnis - und das ist etwas völlig anderes als „Herrschaft“. Im Hochmittelalter begründete Vasallität kein persönliches Unterordnungsverhältnis (Untertänigkeit) mehr, da sich insbesondere die großen Kronlehen längst zu (nicht abgabepflichtigen) Benefizien gewandelt hatten. Rechtlich spricht man hier von einem dinglichen - also auf bestimmte Territorien bezogenen - Unterordnungsverhältnis.

Konkret bestand dieses Unterordnungsverhältnis (nicht Herrschaftsverhältnis) in einer Verpflichtung zur Heerfolge. D.h. der Lehensmann musste den Lehensgeber bei militärischen Unternehmungen durch Stellung von Truppen unterstützen. Der Umfang der Unterstützung war genau geregelt und an die Lehensgüter gebunden. Über die militärische Unterstützung konnte der König als Lehensgeber auch nicht einfach nach Gutdünken verfügen, etwa um Privatkriege zu führen - er hatte das Recht auf diese Unterstützung nur in Staatsangelegenheiten, nicht zur Wahrung persönlicher Interessen.

Gerade die englischen Könige (insbesondere die der angevinischen Dynastie) waren so mächtig, dass die Lehnspflicht (die, da dinglich, natürlich nur für die Territorien im französischen Königreich bestand) seitens der französischen Könige im Streitfall gar nicht durchgesetzt werden konnte. Als Herrscher Englands (beachte auch hier die dingliche Bindung der Lehnspflicht) waren die englische Könige selbstverständlich souverän (wenn man einmal von einem Spezialfall wie John Lackland absieht, der England zu einem päpstlichen Lehen machte).

In Rangfragen war die hochmittelalterliche Etikette peinlich genau. Als Souveräne waren die Könige von England und Frankreich absolut gleichrangig. Dass der englische König französische Lehen hielt, beeinträchtigte seinen Rang nicht. Es gab ihm vielmehr einen ganz erheblichen Einfluss auf die französische Politik - was letztendlich zum hundertjährigen Krieg führte.

Das hier:

Ab wann kann ich nach der normannischen Eroberung von dem 1. :englischen König sprechen, der nicht mehr unter irgendeiner :herrschaft Frankreichs ist?

geht also völlig an der Realität vorbei. Anders herum wird ein Schuh draus - Du könntest allenfalls fragen, ab wann die englische Krone die Herrschaft über Territorien Frankreichs verloren hatte. Da könnte man verschiedene Daten in der Endphase des hundertjährigen Krieges nennen. Am sinnvollsten wäre wohl das Jahr 1453. Calais blieb freilich bis 1559 noch englisch.

Freundliche Grüße,
Ralf

1 Like

Zusatzfrage
Zwei Könige, und einer der beiden ist dem anderen in einer zusätzlichen Funktion untergeordnet. Dass es das gab, wurde hier erörtert.

Gab es so etwas auch je in wechselseitiger Beziehung? Also dass sich zwei Könige gegenseitig in jeweils einer anderen Funktion untergeordnet waren? Mir fällt kein Beispiel dafür ein. Gibt es welche?

Hallo Tychiades,

danke für deine Antwort!

Englische Könige besaßen französische Lehen und
waren für diese Besitzungen dem französischen König
lehenspflichtig. Es bestand also ein begrenztes
Vasallitätsverhältnis - und das ist etwas völlig anderes als
„Herrschaft“.

Ich stelle meine hierauf neu. Ab wann (Jahr) hörte die Lehenspflicht auf (der englische Könige gegenüber den französischen?) Welcher englische König hatte keine Lehen mehr vom frz. KÖnig?

Konkret bestand dieses Unterordnungsverhältnis (nicht
Herrschaftsverhältnis) in einer Verpflichtung zur Heerfolge.
D.h. der Lehensmann musste den Lehensgeber bei militärischen

Unternehmungen durch Stellung von Truppen unterstützen. Der

Umfang der Unterstützung war genau geregelt und an die
Lehensgüter gebunden. Über die militärische Unterstützung
konnte der König als Lehensgeber auch nicht einfach nach
Gutdünken verfügen, etwa um Privatkriege zu führen - er hatte
das Recht auf diese Unterstützung nur in
Staatsangelegenheiten, nicht zur Wahrung persönlicher
Interessen.

Ein gewisses Unterordnungsverhältnis gab es in gewissem Maße doch, wie du schreibst. Ich habe das aber, wie du gesagt hast, mit einem nicht dazu passendem Verständnis von Herrschaft durcheinander gebracht.

Ich finde deine Antwort übrigens sehr informativ und habe mich sehr gefreut.
Ich würde auch gerne mehr darüber nachlesen. Leider habe ich kein einziges Buch im Sinn, in dem ich genau über diese mittelalterlichen Strukturen nachlesen kann. Speziell auf die englische Geschichte bezogen wäre dies optimal.

Kennt jemand ein Buch, indem ich diese Sachen nachlesen kann (möglichst einfach erklärt) ?

Lg
Jenna

noch eine Zusatzfrage von mir
Wieviele Adelige trugen denn außer dem englischen König noch den Königstitel und besaßen Lehen des französischen Königs? (Also standen in einem vergleichbaren Verhältnis wie der engl. König zum französischen in jener Zeit ab 1066)

LG
Jenna

Kaiser Heinrich VII. aus dem Haus Luxemburg und sein Sohn König Johann (der Blinde) von Böhmen waren beide Lehensrentner der französischen Krone (d.h. das Lehen bestand in Geld, nicht in Land). König Johann von Böhmen fiel 1346 in der Schlacht von Crécy (als Blinder sollte man sich aus solchen Sachen besser heraushalten), wo er in Erfüllung seiner Lehenspflicht auf Seiten des französischen Königs gegen die Engländer kämpfte. Auch sein Sohn, der spätere Kaiser Karl IV., nahm an dieser Schlacht teil.

König Karl I. von Sizilien (und dem Anspruch nach auch von Jerusalem) war als Graf von Anjou und Maine Lehensträger der französischen Krone, als Graf der Provence und von Forcalquier Lehensträger des heiligen Römischen Reichs (den Lehenseid leistete er allerdings seinem Bruder, dem französischen König).

Gruß,
Ralf

1 Like

Literaturtipp zum Mittelalter
Hallo Jenna,

immer wieder informativ und zielführend:

Wilhelm Volkert: Adel bis Zunft. Ein Lexikon des Mittelalters. München 1991, ISBN 3-406-35499-8 Buch anschauen

Gruß,
Andreas

Hallo Tychiades,

danke für deine Antwort hierauf!

Wie erwarb man den Titel „König“? Nur durch Vererberung und nur der 1.geborene Sohn oder konnte man den Königstitel auch anderweitig vererben?
D.h. dass die Anzahl der Könige auch zunehmen konnte?

Grüße
Jenna

Hi Andreas,

danke für den Buchtipp! Aber ist das nicht ein Lexikon? Ist natürlich eine sehr gute Idee. Ich frage mich nur, ob ich als „Geschichtslaie“ damit nicht etwas überfordert bin. Eine zusammenhängende Geschichte wäre vielleicht besser für den Anfang mit guten Erklärungen! Kennst du da zufällig ein gutes Buch (auch für Kinder und Jugendliche wenn es sein muss)?

Lg
Jenna

Ich stelle meine hierauf neu. Ab wann (Jahr) hörte die
Lehenspflicht auf (der englische Könige gegenüber den
französischen?) Welcher englische König hatte keine Lehen mehr
vom frz. KÖnig?

1328 erhob Heinrich III. nach dem Tod Karls IV. Anspruch auf den französischen Thron. Er war der letzte englische König, der einem französischen König als Vasall gehuldigt hatte (1325). England erkannte die Nachfolge der Valois nie an, die englischen Könige führten noch bis 1801(!) offiziell u.a. auch den Titel ‚King (bzw. Queen) of France‘.

Ein gewisses Unterordnungsverhältnis gab es in gewissem Maße
doch, wie du schreibst.

Aber kein persönliches. Das ist der entscheidende Punkt.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Jenna,

Wie erwarb man den Titel „König“?

das kommt ganz auf das ‚wann‘ und das ‚wo‘ an. Da bestanden die unterschiedlichsten Modelle neben- und z.T. gegeneinander. Grundsätzlich gab es sowohl Erb- (Frankreich, England …) wie auch Wahlmonarchien (Deutschland, Polen …).

Gruß,
Ralf

Servus

Wie erwarb man den Titel „König“? Nur durch Vererberung und
nur der 1.geborene Sohn oder konnte man den Königstitel auch
anderweitig vererben?
D.h. dass die Anzahl der Könige auch zunehmen konnte?

Einfache Antwort: durch Macht. Einem König nutzt das ganze Gottesgnadentum nichts wenn er nicht stark genug ist um seine Vasallen im Zaum zu halten. Daher gab es auf Verrat gegen den König auch die schlimmsten Strafen.
Vgl: http://de.wikipedia.org/wiki/Hanged,_drawn_and_quart…

Die Geschichte ist voll von Konflikten zwischen dem König und Vasallen bzw. fremden Invasoren.

Auf ‚legalem‘ Wege konnte man durch Erbschaft oder Wahl an einen Titel kommen. Oder man gründet einfach sein eigenes Königreich (dazu muss man aber auch die Macht haben das durchzusetzen)
vgl: http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.p/p854294.htm

Grüße
Jenna

Mfg
Penegrin