Hallo Jenna,
Du hast da offensichtlich ein völlig falsches Bild von dem, was „Herrschaft“ im Hochmittelalter bedeutete. Kein englischer König stand „unter irgendeiner Herrschaft Frankreichs“. Englische Könige besaßen französische Lehen und waren für diese Besitzungen dem französischen König lehenspflichtig. Es bestand also ein begrenztes Vasallitätsverhältnis - und das ist etwas völlig anderes als „Herrschaft“. Im Hochmittelalter begründete Vasallität kein persönliches Unterordnungsverhältnis (Untertänigkeit) mehr, da sich insbesondere die großen Kronlehen längst zu (nicht abgabepflichtigen) Benefizien gewandelt hatten. Rechtlich spricht man hier von einem dinglichen - also auf bestimmte Territorien bezogenen - Unterordnungsverhältnis.
Konkret bestand dieses Unterordnungsverhältnis (nicht Herrschaftsverhältnis) in einer Verpflichtung zur Heerfolge. D.h. der Lehensmann musste den Lehensgeber bei militärischen Unternehmungen durch Stellung von Truppen unterstützen. Der Umfang der Unterstützung war genau geregelt und an die Lehensgüter gebunden. Über die militärische Unterstützung konnte der König als Lehensgeber auch nicht einfach nach Gutdünken verfügen, etwa um Privatkriege zu führen - er hatte das Recht auf diese Unterstützung nur in Staatsangelegenheiten, nicht zur Wahrung persönlicher Interessen.
Gerade die englischen Könige (insbesondere die der angevinischen Dynastie) waren so mächtig, dass die Lehnspflicht (die, da dinglich, natürlich nur für die Territorien im französischen Königreich bestand) seitens der französischen Könige im Streitfall gar nicht durchgesetzt werden konnte. Als Herrscher Englands (beachte auch hier die dingliche Bindung der Lehnspflicht) waren die englische Könige selbstverständlich souverän (wenn man einmal von einem Spezialfall wie John Lackland absieht, der England zu einem päpstlichen Lehen machte).
In Rangfragen war die hochmittelalterliche Etikette peinlich genau. Als Souveräne waren die Könige von England und Frankreich absolut gleichrangig. Dass der englische König französische Lehen hielt, beeinträchtigte seinen Rang nicht. Es gab ihm vielmehr einen ganz erheblichen Einfluss auf die französische Politik - was letztendlich zum hundertjährigen Krieg führte.
Das hier:
Ab wann kann ich nach der normannischen Eroberung von dem 1. :englischen König sprechen, der nicht mehr unter irgendeiner :herrschaft Frankreichs ist?
geht also völlig an der Realität vorbei. Anders herum wird ein Schuh draus - Du könntest allenfalls fragen, ab wann die englische Krone die Herrschaft über Territorien Frankreichs verloren hatte. Da könnte man verschiedene Daten in der Endphase des hundertjährigen Krieges nennen. Am sinnvollsten wäre wohl das Jahr 1453. Calais blieb freilich bis 1559 noch englisch.
Freundliche Grüße,
Ralf