Der A.c.I - Latein

Hallo,
auf youtube habe ich folgendes video gesehen:

http://youtu.be/X4xh13Mh594

Dort wird gesagt, der A.c.I gilt für alle Tempora und Modi. ich verstehe das nicht. In meinem Lehrbuch find ich das nicht so.
Für jede Antwort bin ich sehr dankbar.
Gruss,
Leon

Tut mir leid, aber darauf kann ich leider nicht antworten.
Mit lateinischer Grammatik stehe ich auf Kriegsfuss :wink:)
Ich kenne mich gut aus mit Zitaten und Übersetzungen, aber grammatikalisch hatte ich schon in der Schule größte Probleme…
Liebe Grüße
Barbara

Hallo Leon

Das Video-Tuturial, das Du angibst, ist leider nicht viel wert. Der Sprecher unterschlägt viele wichtige Eigenschaften der Konstruktion A.c.I., übersetzt inkorrekt und ist sich der deutschen Entsprechungen nicht bewusst.
Nun zu Deiner Frage: Was der Sprecher wohl sagen will (aber eben nicht sagt), ist, dass das Verb, von dem der A.c.I. abhängig ist, nämlich das konjugierte Verb, in allen Tempora und Modi stehen kann. Insgesamt ist diese Aussage aber nichts wert, denn sie gilt für alle konjugierten Verben. Beachte sie deshalb besser nicht.
Wenn Du magst, erkläre ich Dir in einem zweiten Mail gerne diese Konstruktion in ihren basalen Eigenschaften.
So viel mal vorab:

  1. der A.c.I. ist eine SATZWERTIGE KONSTRUKTION, KEIN SATZ!
  2. er ist abhängig von einem (konjugierten) Verb des Hörens, Sehens, Fühlens, Denkens, Sagens u. ä.
  3. im Deutschen existiert er nur nach den Verben SEHEN und HÖREN.
  4. für die Übersetzung gibt es strikte Regeln, die einzuhalten sind und die Aussage des Videos, „dass“ sei zu vermeiden, ist nicht haltbar!
    Wenn Du Interesse an mehr Informationen hast, schreib mir, ich erkläre Dir gerne mehr.
    Besten Gruss
    André

Hallo,

Ich habe mir das Video zwar nicht angeschaut, aber die Sache mit dem Aci ist ganz einfach: es handelt sich immer um eine Konstruktion Akkusativ + Infinitiv . Infinitive gibt es im lateinischen in verschiedenen Zeiten und Modi: z.B. Infinitiv Präsens aktiv, aber auch perfekt aktiv oder auch Präsens passiv. Das Grundprinzip bleibt immer gleich: Akkusativ + Infinitiv, nur die zeit bzw. Der Modus des Infinitivs kann variieren.
Hoffe, geholfen zu haben,
Maike

Das heißt nichts anderes, als dass das übergeordnete Verb in alle Tempora und Modi gesetzt werden kann, also aus scio kann sciam, scirem, sciebam, sciam, scivi usw. werden.
Im AcI selbst gibte es dann nur das Zeitverhältnis Gleichzeitigkeit, Vorzeitigkeit, Nachzeitigkeit.

Gruß
Klaus Pradel

Hallo Leon!

Was youtube hier sagt, mag richtig gemeint sein, ist aber höchst mißverständlich formuliert.

Der AcI arbeitet - wie der Name sagt - mit einem Infinitiv als Prädikat des in ihm enthaltenen dass-Satzes (das Subjekt dazu ist eben der Akkusativ) und hat also zwar mit Tempora (Zeiten: Inf.Praes., Inf.Perf., Inf.Fut.) etwas zu tun, nicht aber mit Modi (Indikativ, Konjunktiv, Imperativ).

Gemeint ist vielleicht, dass der übergeordnete Satz, von dem der AcI abhängt, ein Prädikat in allen Tempora und Modi haben kann. Das ist aber selbstverständlich und hat wiederum mit dem AcI selbst nichts zu tun.

Der youtube-Mann verwendet im Vorbeigehen den Begriff „Zeitverhältnis“, der unbedingt hierher gehört. Er gibt an, wann die Handlung des AcI-Prädikats sich im Vergleich zu der des übergeordneten Satzes abspielt: zugleich (gleichzeitig), früher (vorzeitig) oder erst später (nachzeitig). Dieses Zeitverhältnis bestimmt, ob der Inf.Praes., der Inf.Perf. oder der Inf.Fut. im AcI zu verwenden ist. Dazu im youtube-Beispiel:

  • das „Wissen“ (scio, scivi) steht irgendwo in der Zeit, je nach Satzzusammenhang (heute, vor drei Tagen, übermorgen o.a.).
  • im AcI wird angegeben, ob ich weiß, dass er im Augenblick gerade kommt (gleichzeitig > venire) oder dass er schon gekommen ist (vorzeitig > venisse) oder dass er erst später auftauchen wird (nachzeitig > venturum esse), immer vom Zeitpunkt meines Wissens aus betrachtet, egal wann sich das abspielt oder abgespielt hat.

Verstanden?
Ich helfe gerne weiter.

E.M.

Salve, Leon!
Ich bitte um Verständnis, dass ich mich nicht mit youtube auseinandersetze.
Ihnen helfe ich gern, indem ich klare Feststellungen treffe:

  1. Die verschiedenen Infinitive im Lateinischen (L) stehen nicht für ein Tempus, sondern für ein Zeitverhältnis. Der sog. Infinitiv Präsens (Aktiv oder Passiv) ist ein Infinitiv der Gleichzeitigkeit, der sog. Infinitiv Perfekt ist ein solcher der Vorzeitigkeit. Gleichzeitigkeit und Vorzeitigkeit (und Nachzeitigkeit) sind Zeitverhältnisse.
  2. Zu einem Verhältnis gehören als Minimalbedingung zwei. Die eine Größe ist die Haupthandlung (das Prädikat); die andere Größe ist die Nebenhandlung (der Infinitiv).
  3. Ein Infinitiv im Aci wie „laudare“ bezeichnet die Gleichzeitigkeit des Lobens mit z.B. der Haupthandlung „gaudebat“ - „freute sich“.
  4. Es liegt also Gleichzeitigkeit in der Vergangenheit vor, „laudare“ wird mit Präteritum „lobte(n)“ übersetzt.
  5. Steht die Haupthandlung im Präsens, liegt Gleichzeitigkeit in der Gegenwart vor. Der Infinitiv wird mit Präsens übersetzt usw. mit sinngemäßer Anwendung auf die Infinitive der Vorzeitigkeit bzw. Nachzeitigkeit.
    6.Da der lateinische Infinitiv keine Modusmarkierung kennt, muss aus dem Zusammenhang entschieden werden, wie es heißen muss: Marcus dixit magistrum fratrem laudavisse : Markus sagte, dass der Lehrer seinen Bruder gelobt hatte (oder habe)/ Konjunktiv der Distanz.
    Ich hoffe, ich konnte behilflich sein.
    Vale!
    Sallust

Das Video ist zum Teil fehlerhaft bzw. ungenau mit den grammatischen Fachbegriffen. Du solltest besser Deine Lehrbuchgrammatik zu Rate ziehen!
Vermutlich meint der Autor mit „der AcI gilt für alle Tempora und Modi“ die Zeitverhältnisse:
Das Hauptsatzprädikat kann in jedem beliebigen Tempus stehen. Der Infinitiv des AcI wird unterschiedlich übersetzt, je nachdem welcher Infinitiv (Präs = Gleichzeitigkeit; Perf = Vorzeitigkeit oder Fut = Nachzeitigkeit) verwendet wurde.
Um das Beispiel aus dem Video zu nehmen:
Scio (HS-Prädikat, Präsens) te venire (Inf- Präs: gleichzeitig): Ich weiß, dass du kommst.
Scio (HS-Prädikat, Präsens) te venisse (Inf Perf; vorzeitig) - Ich weiß, dass Du gekommen bist.
Sciebam te venire: Ich wusste(HSPrädikat,Impf), dass du kamst(venire Inf. Präs; gleichzeitig gegenüber Perfekt; Übersetzung mit Präteritum).
Sciebam te venisse: Ich wusste (HS Prädikat Impf) dass du gekommen warst (Inf. Perf; vorzeitig gegenüber Impf; Übersetzung mit Plusquamperfekt).
Mit dem Inf. Futur funktioniert es entpsrechend; Zeitverhältnis ist da Nachzeitigkeit.
Wenn Du es für die Schule brauchst, reicht es erst mal, Inf.Präs und Perf im AcI korrekt übersetzen zu können; der Inf. Futur ist relativ selten und wird erst in höheren Klassen gebraucht :wink:
Genauso verhält es sich mit der Übersetzung von AcIs, wenn das HS-Prädikat im Konjunktiv steht.

Hallo Leon,

die meisten Bücher stellen das verkürzt dar, und das auch nicht immer gut.

Schauen wir uns zunächst nochmal das Verb an. Nehmen wir das Verb videre=sehen:

»Video« → Aber video was? Sehen ist ein transitives Verb, d.h. es hat ein Akk.-Objekt. Das kann z.B. ein Hase sein (lepus, Akk. ist leporem), Du (tu, Akk. Ist te) oder er (is, Akk. ist eum).
Also:
Leporem video.
Te video.
Eum video.

Aber ich kann auch »Dich kommen« sehen. Da habe ich nun zum Akk.-Objekt »Dich« (te) den Infinitiv »kommen ergänzt«. Packt man auf diese Weise einen Infinitiv hinzu, ist es ein »Akkusativ mit Infinitiv«, auf Latein accusativus cum inifinitivo, kurz: ACI.
Das sieht dann so aus:
video te venire = Ich sehe Dich kommen.
Te explicare audio = Ich höre Dich erklären.
Eum currere video = Ich sehe ihn rennen.
(Die Verben stehen meistens hinten, aber das ist für uns jetzt egal.)

Hast Du das verstanden, müssen wir uns jetzt nur noch die Sache mit den Zeiten angucken.

Es ist ganz einfach:
Du kannst von drei „Positionen“ aus (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) auf eine Handlung in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft blicken. 3x3, das macht 9 Möglichkeiten.

Schauen wir uns das mal am Beispielt an. Nehmen wir die Gegenwart als Position bzw. Wahrnehmungspunkt:

  • Video te venisse. = Ich sehe, dass Du gekommen bist.
  • Video te vernire. = Ich sehe, dass Du kommst (oder: ich sehe Dich kommen).
  • Video te venturum esse. = Ich sehe, dass Du kommen wirst. [Ich erkenne es etwa an irgendwelchen Vorzeichen.]

Bitte beachte an letzerem Beispiel: Da videre einen Akk. fordert und te auch schon im Akk. steht, kann venturus nicht mehr auf -us enden, sondern muss kongruent (also übereinstimmend) im Akk. stehen und endet daher hier auf -um (feminin auf -am, im Plural noch einmal anders).

Vergleichen wir nun die drei Bespielsätze miteinander:
Einmal ist das erblickte Geschehen (Du kommst) RELATIV zum Verb vorzeitig (Infinitiv Perfekt: venisse).
Einmal ist das erblickte Geschehen (Du kommst) RELATIV zum Verb gleichzeitig (Infinitiv Präsens: venire).
Einmal ist das erblickte Geschehen (Du kommst) RELATIV zum Verb nachzeitig (Infinitiv Futur: venturus esse, aber hier in den Akk. auf -um usw. flektiert!).

Nun haben wir von der Gegenwart aus geschaut. Wir können aber auch von der Vergangenheit (Perfekt/Imperfekt) aus schauen mit »vidi« oder von der Zukunf (Futur) aus mit »videbo«.

Insgesamt ergeben sich damit folgende 9 Möglichkeiten:

1a. Vidi te venisse. = Ich sah, dass Du gekommen bist.
1b. Vidi te vernire. = Ich sah, dass Du kommst (oder: ich sehe Dich kommen).
1c. Vidi te venturum esse. = Ich sah, dass Du kommen wirst. [Ich erkannte es etwa an irgendwelchen Vorzeichen.]

2a. Video te venisse. = Ich sehe, dass Du gekommen bist.
2b. Video te vernire. = Ich sehe, dass Du kommst (oder: ich sehe Dich kommen).
2c. Video te venturum esse. = Ich sehe, dass Du kommen wirst. [Ich erkenne es etwa an irgendwelchen Vorzeichen.]

3a. Videbo te venisse. = Ich werde sehen, dass Du gekommen bist.
3b. Videbo te vernire. = Ich werde sehen, dass Du kommst (oder: ich sehe Dich kommen).
3c. Videbo te venturum esse. = Ich werde sehen, dass Du kommen wirst. [Ich werde es etwa an irgendwelchen Vorzeichen erkennen.]

Wenn Du die Sachen miteinander vergleichst, wird Dir nun sehr klar sein, dass Du in den Fällen 1 bis 3 immer denselben relativen Bezug a bis c hast. Die Zukunfsperspective © unterschlagen allerdings viele Grammatiken und Lehrbücher.

Und jetzt noch einmal Beispiele:

  • Video puerum ascendere. = Ich sehe den Jungen hinaufsteigen.
  • Audio puellam cantare. = Ich höre das Mädchen singen.

Natürlich kann ein Infiniv aus dem ACI auch wiederum ein Objekt haben:

  • Nunc intellego te nos prodidisse. = Nun verstehe ich, dass Du uns verraten hast.
  • Caesar eos petiturum esse patefecit. = Er eröffnete, dass Cäsar sie angreifen werde.

So, das ist es im Groben, und es sollte Deine Frage beantworten. ACI-Auslöser habe ich jetzt nicht erwähnt, das findest Du ja in Deinem Buch, und es war ja auch nicht Deine Frage.

Tipp: Nachdem ich jetzt ein Stündchen in Deine Frage inverstiert habe, inverstiere doch fairerweise auch ein Stündchen und erkläre es Dir nochmal selbst in einer Tabelle oder Zeichung. Gerne mit anderen Beispielen. Das festigt den Stoff, danach bist Du fit.

Viel Erfolg & beste Grüße,

Heiko W.

Hallo, lieber Lateinanfrager, 11.5.12
es ist so, daß der ACI für alle Tempora, aber nicht für alle Modi gilt.
Siehe Rubenbauer: Lateinische Grammatik § 167 ff.
Gruß
Lateinexperte

Hallo,

ich halte diese Aussage für nicht gelungen.
Der AcI drückt verschiedene Zeitverhältnisse aus (Vorzeitigkeit, Gleichzeitigkeit), aber hat mit Modus eigentlich nichts zu tun.
Z.B. Video servum laborare. Ich sehe, dass der Sklave arbeitet.
Video servum laboravisse. Ich sehe, dass der Sklave gearbeitet hat.

Mehr fällt mir zu dieser seltsamen Aussage nicht ein.

Viele Grüße,

Lella

Hallo! Also

Video te venire. Ich sehe, du kommst.
Video te venisse. Ich sehe, du bist gekommen.
Video te venturum esse. Ich sehe, du wirst kommen.

D.h. Inf. Präs. drückt Gleichzeitigkeit, Inf. Perf. Vorzeitigkeit, Inf. Fut. Nachzeitigkeit aus.
Alles klar?
LG hylax