Der Fall Gedeon

Heute wurde bekannt, dass der baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon nicht aus der AfD ausgeschlossen wird. So hat das Landesschiedsgericht entschieden, wobei ich die Begründung bemerkenswert finde:

Juristen der Partei hätten die Entscheidung aus formalen Gründen getroffen. Beweismittel zum Ausschlussverfahren gegen Gedeon seien demnach nicht rechtzeitig vorgelegt worden, sagte Özkara den „Stuttgarter Nachrichten“ am Mittwoch. Die entsprechenden Fristen seien am 28. Februar 2017 abgelaufen. Eine inhaltliche Bewertung der Antisemitismusvorwürfe habe das Gericht laut dem AfD-Landeschef nicht vorgenommen.

Zur Erinnerung: Gedeon wird die Verbreitung „teils antisemitischen Gedankenguts“ vorgeworfen. Das Gericht hat da eine etwas eigenwillige Sicht der Dinge:

Auch habe Gedeon seine Bücher teils lange vor Gründung der AfD geschrieben, hätte mit ihnen also gar nicht gegen die Parteigrundsätze verstoßen können. Dabei hält Gedeon bis heute ausdrücklich an seinen Positionen fest. Dies könne ihm aber „nicht vorgeworfen werden“, findet das Schiedsgericht: Denn eine alte Position nicht zu räumen, sei kein „Tun“, sondern ein „Nichtstun“ - und nur ein schädliches Tun ermögliche den Parteiausschluss.

Nimmt das Gericht hier nicht doch eine inhaltliche Bewertung vor?

Von Landeschef Özkara kommt dann folgende Meldung:

„Die AfD distanziert sich von jeder Form von Antisemitismus und Fremdenhass.“

Ist es wirklich im Interesse der AfD, dass in diesem Verfahren Gedeons Aussagen gar nicht bewertet wurden?

Lg,
Penegrin

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Hallo Penegrin,

dein letzter Satz spiegelt die hier herrschenden (1) Pseudofragen wieder. Gut gemacht. Man muss doch mal ein (Gegen-)Beispiel bringen dürfen.

Grüße

Jens

(1) Die gibt es auch von links als Pseudofragesteller.

Mit dem Festhalten an Gedeon hat sich die AfD keinen Gefallen getan.
So bezeichnet er das Judentum als historischen „inneren Feind“ des Abendlandes. Den Juden unterstellt er, an einer „Versklavung der Menschheit“ zu arbeiten.
Sollte er daran immer noch festhalten, äußert er sich nicht weniger antisemitisch, als die muslimischen Kommentare, die wir hier neulich behandelt hatten.
Gruß
rakete

Servus Jens,

Dies war mitnichten eine Pseudofrage. Mitgliedern der AfD wird immer wieder antisemitisches Verhalten vorgeworfen und die AfD distanziert sich genauso oft von Antisemitismus.
Gedeon ist für die AfD auch ein internes Problem, schließlich hatte sich wegen ihm die AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag zeitweise geteilt. Der Ausschlussantrag gegen Gedeon wurde nun also abgelehnt, aber eben aus ‚formalen‘ Gründen. Und warum? Weil der Landesvorstand eine Frist verstreichen ließ.

Der Vorwurf des Antisemitismus bleibt also unverändert aufrecht, da sich das Schiedsgericht nach eigenen Angaben gar nicht damit befasst hat. Wenn man sich bei jeder Gelegenheit vom Antisemitismus distanziert, kann man sich doch nicht darauf herausreden, dass jetzt ein Verfahren wegen genau diesem Vorwurf wegen eines Formfehlers platzte.

Daher meine Frage, ob ein Urteil über die Vorwürfe für die Partei nicht besser gewesen wäre.

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Offenbar tut er das:
Der unliebsame Kollege aus dem Hegau

Gedeon selbst platzierte auf seiner Alter-Ego-Homepage (www.wgmeister.de) seine Stellungnahme, in der er alle Vorwürfe gegen sich von sich weist und von einer Medienkampagne spricht: „Ich bin kein Antisemit. Diejenigen, die das behaupten, haben meine Bücher entweder nicht gelesen oder nicht verstanden.“
Gedeon verteidigt sowohl die Verwendung der Bezeichnung Dissident für Holocaustleugner wie Horst Mahler als auch die Formulierung „gewisse Schandtaten“ für den Massenmord an Juden durch die Nazis mit dem Hinweis, auch in der Gedenkstätte in Yad Vashem gebe es eine Halle der Schande.

Hallo Penegrin,

ich hoffte, du hattest das „Argumentations“Muster erstanden und zielgerichtet sarkastisch genutzt. Ich lag falsch.

Deine Gegner bringen Zitate und Behauptungen, die man nicht schnell prüfen kann. Hauptsache, es bleibt etwas hängen. Wer prüft den hier noch im Forum der Gefühle?

Ist dir schon aufgefallen, dass sich hier einige Leute Gedanken um die SPD, Grüne, Linke und CDU machten, diese aber nicht wählen würden? Es wird aber gefragt (deutlich vor ca. 1-2 Monaten), was gut für die Parteien wäre.

Du fragst nun, was im Interesse der AfD wäre.

Ich glaube nicht, dass dir argumentativ dieselben Waffen helfen.

„Ist es im Interesse“ sollte als Frage der gegnerischen Dumpfbacken vorbehalten sein.

Grüße

Jens

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Wenn Du die Originalquelle vorlegen würdest, könnte man sich ein Bild machen. Zitatfetzen allein reichen nicht aus. Unabhängig davon ist die Erklärung des Schiedsgerichts nachvollziehbar. Es bedarf einer Handlung (eines Tuns), um ausgeschlossen werden zu können. Und dies bezieht sich eben nicht auf Handlungen aus der Zeit, in der man kein Mitglied war.

Die Hürden für einen Ausschluss sind sehr hoch angesetzt und dies war Wille des Gesetzgebers als er das PartG schuf

(4) Ein Mitglied kann nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt.

Wenn er nun eine Lesung aus seinen Büchern (incl. der kritisierten Passagen) durchführen würde, dann sähe die Sache u.U. anders aus.

Definitiv. Oder soll ein Urteil ohne Grundlage vom nächstbesten Richter kassiert werden? Auch ein Schiedsgericht hat sich um Neutralität in der Sache zu bemühen.

Der Typ ist nicht mehr Teil der Landtagsfraktion, ist nicht mehr Vorsitzender seines Kreisverbandes und wird IMHO im Frühjahr 2021 mangels Listenplatz auch den Landtag für immer verlassen. Falls er nicht zuvor bereits auf natürlichem Wege ausscheidet.

So ein Urteil wäre nach Rechtslage Unrecht.

Der springende Punkt ist, dass er genau dies aktiv nicht macht. Im Falle einer Wiederholung solcher Thesen bestünde nämlich ein „Tun“ (Handeln) i.S. der Begründung des Schiedsgerichts.

Das reicht bei weitem nicht aus.

Gruß
vdmaster

Die Antworten, die ich zu der Frage im Rechtsbrett erhalten habe, gehen aber in eine ganz andere Richtung.

Die Partei wollte Gedeon aufgrund seiner antisemitischen Aussagen ausschließen und das Schiedsgericht sollte entscheiden, ob diese Aussagen für einen Ausschluss reichen. Nur hat sich das Schiedsgericht gar nicht mit den Aussagen beschäftigt, sondern hat aus formalen Gründen entschieden, da die Parteiführung es ‚versäumt‘ hatte, Beweismittel rechtzeitig vorzulegen.

Außerdem stünde es der Partei frei, sich an die nächst höhere Instanz zu wenden. Da sie das nicht tut, muss ich davon ausgehen, dass sie mit dem Urteil gut leben können.

Die Partei hat sich in dem Fall eben nicht mit den Antisemitismusvorwürfen auseinandergesetzt, sondern das Verfahren (mutwillig?) aufgrund eines Verfahrenfehlers platzen lassen. Sieht das für dich nach Aufarbeitung aus?

Lg,

Tun das nicht viele Parteien? Wenn weiter keiner muckt, ist der Rechtsfrieden erstmal wieder hergestellt. Schmutzige Wäsche kommt nie gut an.
Auch die SPD ist ja nicht sonderlich konsequent in ihren Säuberungsaktionen. Warum wohl nicht?

Gruß
rakete

Mag sein, tut hier aber absolut nichts zur Sache.

Hast du auch gelesen, was da steht? Sarazin stand zum zweiten Mal vor dem Schiedsgericht und es wurde über den Sachverhalt entschieden. Im Fall Gedeon hat das Schiedsgericht aber ausdrücklich nicht die eigentlichen Vorwürfe bewertet, sondern aus formalen Gründen eine Entscheidung getroffen. Der Unterschied ist dir doch klar, oder?

Welche Beweismittel hätte die „Klägerseite“ denn vorbringen sollen, wenn keine geeigneten vorhanden sind? Selbst das BVerfG entscheidet öfter aus formalen Gründen gegen Anträge, als sich mit ihnen inhaltlich auseinanderzusetzen.

Sollen Sie etwa nochmal auf die Nase fallen?

Ach, Du willst einfach mal etwas Gesinnungsjustiz einführen. Na, wen wundert das schon. Dabei wird Dir völlig klar sein, dass die Partei schon aus Eigeninteresse keine Schmutzwäsche in der Öffentlichkeit waschen will und stattdessen lieber eine pol. Leiche im Keller entsorgt. So wie es alle anderen Parteien zuvor ebenfalls gehandhabt haben, sofern der öfftl. Druck eine Aufarbeitung nicht unumgänglich werden ließ.

Die Aussagen im Rechtsbrett sind teils reine Agitation, teils liegen sie richtig. Zweifelsfrei die von Tychiades bzgl. der Befähigung zum Richteramt. Auch Wiz liegt richtig. Er vergleicht aber (bewusst?) Äpfel mit Birnen, da die Strafbewehrung sich nicht erst durch die fehlende Distanzierung von einer Aussage ergibt, sondern die Aussage bereits in der Vergangenheit strafbewehrt war. Die Gerichtsbarkeit im Parteiausschlussverfahren beschränkt sich aber auf Handlungen, die während der Parteimitgliedschaft erfolgten.

Mehr gibt es dazu schlicht nicht zu sagen.

Gruß
vdmaster

Ach ist das so? Worauf basiert diese Annahme?

Genau. Es ist ja noch nie jemand, der in erster Instanz gescheitert ist, weiter zur nächsten gegangen. Und noch nie hat eine höhere Instanz dann ein anderes Urteil gesprochen. :smirk:

Fängst du jetzt auch schon damit an, deinem Gegenüber einfach irgendwas zu unterstellen?

Die Leiche war in dem Fall schon längst aus dem Keller und wenn ich meine Schmutzwäsche schon wasche, dann aber doch bitte ordentlich. Wenn dann die Parteiführung einfach mal eben Fristen verstreichen lässt, darf man entweder an der Kompetenz oder der Intention zweifeln…

Lg,
Penegrin

Hast Du welche? Also solche, die eine parteischädigende Handlung während der Mitgliedschaft belegen?

Das könnte nur greifen, falls es Beweismittel gäbe. Leg doch einfach mal welche vor. Du intendierst, dass es offenkundige gäbe, ignorierst aber geflissentlich, dass eine rückwärtige Bestrafung für die Zeit vor der Mitgliedschaft nicht möglich ist.

Hätten sie welche schnitzen sollen?

Man wird wohl abwarten müssen, dass der Typ sich in Gegenwart oder Zukunft selbst ein Bein stellt, so bitter das sein mag.

Gruß
vdmaster

Also weil ich keine habe, gibt es keine? Interessante Logik…

Gedeon hält bis heute an seinen Aussagen fest und verteidigt sie aktiv. Das wurde schon an anderer Stelle besprochen.

Und nochmals: Das Schiedsgericht hat sich nicht die vorhandenen Beweise angeschaut und dann entschieden, dass es nicht für einen Ausschluss reicht.

Es ist ja nicht so, dass keine Beweise eingereicht wurden, sondern dass sie zu spät eingereicht wurden:

„Es ist eine formaljuristische Entscheidung. Das Parteiausschlussverfahren ist eingestellt. Das Landesschiedsgericht hatte noch weitere Unterlagen angefordert, die der frühere Landesvorstand nicht fristgemäß eingereicht hat“, sagte der AfD-Politiker dieser Zeitung.

Interessant auch diese Passage:

Auf die Frage, welche Unterlagen genau gefehlt hätten, sagte Özkara, er wisse es nicht.

Das Verfahren muss der Parteiführung ja wahnsinnig wichtig gewesen sein…

Nein, Du unterstellst, dass es welche gibt.

Sind das die Aussagen, wegen derer das Ausschlussverfahren eröffnet wurde? Wo ist denn diese „andere Stelle“ und was geht konkret aus ihr hervor?

Das Schiedsgericht sagt selber, dass es welche gab, aber zu spät eingereicht wurden.

Lies dir einfach mal das Topic hier durch und du wirst fündig werden.

Zitat?

Du weichst aus.